Vor knapp einer Woche hatte ich von meinem Besuch in Willebadessen, samt Schmetterlingspfad und Jüdischem Friedhof hier im Blog berichtet und auf die hervorragende Informationstafel neben dem Friedhof hingewiesen.
Der Autor, Herr Ansgar Holzknecht, hat mir die Tafel inzwischen auch als PDF zur Verfügung gestellt. Vielleicht kann sie anderen lokalen Geschichtsgruppen als Vorbild dienen. Ich möchte einige Teile hier im Blog vorstellen, was aber niemanden davon abhalten sollte, selbst einmal Willebadessen und die historischen Orte zu besuchen.
Der Text über die Familie Stern:
Bendix Stern (gest. 1897) und Friederike, geb. Rose: kleine Landwirtschaft und ein Kolonialwarengeschäft. Nach einem Brand 1893 bauen sie ein massives Backsteinhaus in der Lange Str. Nr. 73, heute Nr. 24. Nach der Reichspogromnacht 1938 muss das Geschäft aufgrund einer Anordnung der Wirtschaftskammer mangels „volkswirtschaftlichen Interesses“ aufgegeben werden. Während des Krieges wird das Haus mit franz. Kriegsgefangenen belegt.
Kinder: Moritz 1874 – 1933, Julius 1881 – 1939 und Rosa 1886 – 1942.
- Julius heiratet die Nichtjüdin Mathilde und wohnt mit Familie in Berlin. Als Postbeamter bekommt er 1933 Berufsverbot. Er sucht Schutz in Willebadessen bei Schwester Rosa. Nach mehrtägiger GESTAPO-Vernehmung und Hitlers Rede am 30.01.1939 über die Vernichtung der jüd. Rasse in Europa begeht er Selbstmord auf dem Dachboden des elterlichen Hauses.
- Rosa wird nach Zwangsaufgabe des Geschäftes Hausgehilfin in Warburg. Im März 1942 wird sie mit 1000 Juden aus dem Gestapoleitbezirk Münster ins Ghetto nach Warschau deportiert, wo sie noch im selben Jahr stirbt.
- Viktor Stern, ( Sohn von Julius und Mathilde und Tante Rosas Neffe) wird ähnlich seinem Vater von der Berliner Verkehrsgesellschaft „gemäß Gesetz und Verordnung“ ebenfalls 1933 gekündigt. 1935 Militärdienst in Minden, aber als Halbjude 1937 unehrenhaft entlassen. 1937 Heirat mit Resi Markhoff aus Willebadessen, das er oft besucht. Als Kraftwagenführer (seit Nov 37) „wegen behördlicher Abnahme des Führerscheins“ April 1939 entlassen. 1939 bis 41 Hausinspektor; 194143 Arbeiter. Am 29. Juni 43 mit Frau Resi und den Kindern Manfred und Denny von Berlin nach Theresienstadt und von dort nach Auschwitz deportiert. Resi Stern und ihre zwei kleinen Kinder wurden dort ermordet. Der Vater Viktor Stern überlebt im Außenlager Golleschau und dann die „Todesmärsche“ vor den nahenden Russen. Er konnte zuletzt dem „Dachauer Todesmarsch“ entfliehen, wurde von den Amerikanern in einer Behelfskrankenstation gepflegt und war 1948 wieder bedingt arbeitsfähig. Viktor hat wirklich „alles“ durchgemacht!!!
- Viktor kehrte nach dem Krieg wiederholt nach Willebadessen zurück, um alte Freunde zu besuchen. Er starb 1987 bei München. – Sein Bruder Heinrich mit Frau Hedva fand in Palästina in der Kibbuzbewegung neue Heimat. – Sein Bruder Bernhard überlebte den Krieg mit seiner „arischen“ Frau Lizbet und seiner evang. Mutter Mathilde in Berlin.
- Viktor hatte aus einer späteren Ehe noch einen Sohn Henry (*1971). Dieser schrieb zum Abitur eine „Facharbeit“ über das Familienschicksal. Er lebt als Journalist in Bayern.