Land in Sicht!
Ein Beitrag zur Ausstellung „Wie geschnitten Brot“ in Dortmund

Sämtliche Abbildungen: angela jansen

24 Stunden nichts als Wasser, Wasser, Wasser. Da ist es kein Wunder, wenn sich die Nordlandreisenden auf der Fähre von Dänemark nach Island nach „Land in Sicht“ sehnen. Als die Shetland-Inseln zu sehen waren, kam es folglich auf der Backbordseite zu einem großen Auflauf.

(Der Artikel ist zuerst auf Harbuch.de erschienen. Text und Bilder: Angela Jansen. Informationen zur Autorin siehe unten.)

Alle wollten das beste Foto schießen, trotz verhangenen Himmels, Regens und Nebelschwaden – schließlich sollte sich die Investition in die dicke Kamera ja gelohnt haben oder die Lieben zuhause zeitnah eine whats-app-Nachricht erhalten.

Da ich mit meiner billigen Digitalkamera von diesem Motiv sowieso kein vernünftiges Foto machen konnte, richtete ich das Objektiv auf die Fotograf*innen. Nach den Fotos entstanden dann im Atelier Skizzen mit Tusche und Wasserfarben. Damit man auch weiß, wohin sie alle gucken bzw. was sie fotografieren, fügte ich Holzschnitte des begehrten Motivs hinzu.

Das Konzept der Ausstellung ist es, Kunst zu günstigen Preisen anzubieten, auf dass die Bilder weggehen „wie geschnitten Brot“. Jede Künstlerin und jeder Künstler hat einen Raum von 1 x 3 Meter zur Verfügung. Wer Kunst wie das tägliche Brot benötigt oder einfach mal in der Fülle der Kunstwerke schwelgen will, ist herzlich eingeladen nach Dortmund.

Die Ausstellung im kunstbetrieb ist geöffnet vom 31. August bis zum 28. September Montag bis Freitag 11–13 Uhr und 15 Uhr–18 Uhr, Samstag 11–13 Uhr.

Am 31. August findet in der Dortmunder Nordstadt der Hafenspaziergang statt, ein großes Quartiersfest. An diesem Samstag ist die Ausstellung von 14.00–22.00 Uhr geöffnet. Anlässlich der Offenen Nordstadtateliers am 28. und 29. September öffnet der kunstbetrieb am Samstag von 15–20 Uhr und am Sonntag von 11–18 Uhr.


Angela Jansen, Jahrgang 1958, geboren in Düsseldorf, aber zuhause im Norden (Witzwort und Harburg), ist Dipl.-Designerin und seit vielen Jahren Inhaberin der kleinen Werbeagentur fraujansen kommunikation. Nebenher malt und holzschneidet sie. Zu Harbuch.de hat sie ein enges familiäres Verhältnis. So erscheinen dort gelegentlich auch Artikel von ihr, z.B. über die Logos von Harburger Firmen oder  über kleine bänke. e-Mail: aj@fraujansen.de

der himmel ist blau (über opfern und tätern)
Zwei Holzschnitte für eine Ausstellung im Dortmunder .kunstbetrieb.

Am Anfang standen .derkunstbetrieb. und seine Einladung zu einem gemeinsamen Ausstellungsprojekt. Zum Thema „der himmel ist blau“ konnten bis zu drei Werke im Format 50 x 50 cm eingereicht werden. So entstanden die beiden Holzschnitte „der himmel ist blau über opfern und tätern“.

(Der Artikel ist zuerst auf Harbuch.de erschienen. Text und Bilder: Angela Jansen. Informationen zur Autorin siehe unten.)

Das Projekt

So beschrieb kunstbetriebs-Macherin Sabine Spieckermann die Projektidee:

Das Gedicht „Andererseits“ von Alfred Andersch




 

Die Umsetzung

Sofort beim Lesen des Andersch-Gedichtes kam mir die Idee, Holzschnitte nach zwei Fotos zu machen, die in meinem Familienarchiv vorhanden sind. Der Titel stand auch gleich fest: der himmel ist blau über opfern und tätern.

Das Schneiden war eine Herausforderung – sowohl darstellerisch, als auch technisch.

Zur Darstellung: Ich wollte ganz nah bei der Fotorealität bleiben. Denn da beide Situationen mir nur als Foto überliefert wurden, konnte ich nur das wiedergeben, was dort zu sehen war. Das bedeutete bei der Darstellung des Kriegsgefangenen, die Würde der Person trotz ihrer Nacktheit zu transportieren und die Lagersituation anzudeuten. Beim Nachkriegsurlauber Schmitt erlaubte ich mir größere Freiheiten, indem ich z.B. das Meer und die Dünen frei nachempfunden habe.

Zur Technik: Ich hatte noch nie so einen großen Holzschnitt gemacht und als Handabzug gedruckt. Das bedeutete, den Druckstock einzufärben, das Papier darauf zu legen und dann manuell mit dem Rücken eines Holzlöffels die Farbe auf das Papier zu übertragen. Das musste fix gehen, denn bei der Druckstockgröße drohte die Farbe in den zuletzt durchgeriebenen Bereichen schon zu trocknen.

Bis zuletzt war ich nicht entschieden, was die Farbe Blau in den Bildern anging. Sollte ich für den blauen Himmel eine zweite Druckform anlegen? Die vielleicht in beiden Bildern identisch wäre? Letztendlich entschied ich mich dagegen, weil die Bilder durch den grellen Lichteinfall und die klaren Schatten eindeutig auf Sonnenlicht – und damit auch auf blauen Himmel – verweisen. Und die Aussage in schwarz-weiß klarer und direkter ist.

angela jansen

der himmel ist blau über opfern und tätern (1)
Rotarmist im Kriegsgefangenenlager Zeithain/Sachsen, 1942

Holzschnitt nach einem Foto von Karl Schmitt

Karl Schmitt war 1941–1943 im Auftrag von Wehrmacht und deutscher Industrie verantwortlich für den Einsatz sowjetischer Kriegsgefangener im belgischen Steinkohlebergbau. Im Sommer 1942 reiste er nach Zeithain. Aus dem dortigen „Russenlager“ wurden im September des Jahres ca. 10.000 sowjetische Kriegsgefangene als Zwangsarbeiter in belgische Bergwerke verschleppt. Mehr zum Thema auf unserer harbuch-Website in dem Artikel: Onkel Karl und die gefangenen Rotarmisten.

angela jansen

der himmel ist blau über opfern und tätern (2)
Mein Großonkel Karl Schmitt im Urlaub auf Sylt, 1950

Holzschnitt nach einem Foto von Lulu Schmitt

1946 wurde Karl Schmitt verhaftet und in Belgien angeklagt wegen der Deportation belgischer Zwangsarbeiter in deutsche Konzentrationslager. Im Frühjahr 1948 kam er frei und arbeitete wieder für den Bergbau, zunächst als  Schriftleiter der bergmännischen Zeitschrift „Glückauf“ in Essen.

Die Ausstellung

Am Samstag, dem 1. September 2018, wurde im Rahmen des Hafenspaziergangs die Ausstellung „der himmel ist blau.“ im kunstbetrieb eröffnet. In die Ausstellung führte ein Simone Rikeit, Kunsthistorikerin aus Dortmund.

Sabine Spieckermann: „der himmel ist blau. Ob als Empörung gemeint – wie bei dem Schriftsteller Alfred Andersch – oder als bloße Feststellung, als Begeisterung oder als Aufforderung, sich mit der Farbe Blau auseinanderzusetzen, der Blick richtet sich bei diesem Kunstprojekt auf die Vielfalt der Reaktionen und der dabei zum Ausdruck gebrachten Auffassungen und Deutungen. 21 Künstlerinnen und Künstler aus den Bereichen Malerei, Grafik, Bildhauerei, Installation, Film und Urbanart stellen aus.“

Die beteiligten Künstlerinnen und Künstler sind: Almut Rybarsch-Tarry, Ana Maria Aviles Toro, Angela Jansen, Anke Droste, Annelie Sonntag, Artur Aleksander Wojtczak, Brigitte Siebrecht, Egon Huneke, Hendrik Müller, Horst Herz, Kirian, Klaus Pfeiffer, Mathes Schweinberger, Mohammad Taghi Ghorbanali, Paola Manzur, Susanne Grytzka, Suse Solbach, Udo Unkel, Ute Brüggemann, Vanessa von Wendt und Wolfgang Kienast

Dauer der Ausstellung: 1. September 2018 bis 6. Oktober 2018
Ein Katalog erscheint im Rahmen der Ausstellung.

Adresse: Gneisenaustr. 30, 44147 Dortmund, Tel.: 0231 53 48 205, info@derkunstbetrieb.de | www.derkunstbetrieb.de
Öffnungszeiten: mo–do: 11.00 Uhr–13.00 Uhr, mo– fr: 15.00 Uhr–18.00 Uhr, sa: 11.00 Uhr–13.00 Uhr, sowie nach Vereinbarung

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Quellen

(1) Alfred Andersch, empört euch, der himmel ist blau, Zürich 1977, S. 103 ff.


Angela Jansen, Jahrgang 1958, geboren in Düsseldorf, aber zuhause im Norden (Witzwort und Harburg), ist Dipl.-Designerin und seit vielen Jahren Inhaberin der kleinen Werbeagentur fraujansen kommunikation. Nebenher malt und holzschneidet sie. Zu Harbuch.de hat sie ein enges familiäres Verhältnis. So erscheinen dort gelegentlich auch Artikel von ihr, z.B. über die Logos von Harburger Firmen oder  über kleine bänke. e-Mail: aj@fraujansen.de

„kleine bänke“ auf dem Harburger Friedhof
Freundlicher Hinweis auf eine aussterbende Art

(1) kleine bänke auf dem Harburger Friedhof: oft vom Zahn der Zeit gezeichnet (Bildnachweis: Alle Fotos und Illustrationen von Angela Jansen)

Ich bin eine eifrige Besucherin des Harburger Neuen Friedhofs. Bei einem Spaziergang über das Gelände entdeckte ich kleine bänke, die über den Friedhof verstreut zu finden sind. Die Friedhofsverwaltung ersetzt sie nach und nach durch plumpe, gewöhnliche Kunststoffbänke. kleine bänke sind also als Art akut vom Aussterben bedroht. Dieser Artikel soll helfen, sie zu retten.

(Der Artikel ist zuerst auf Harbuch.de erschienen. Text, Fotos und Illustrationen: Angela Jansen. Informationen zur Autorin siehe unten.)

Die schöne parkähnliche Anlage des Neuen Harburger Friedhofs mit seinen stattlichen Bäumen und der lebhaften Vogelwelt hat es mir angetan. Deshalb spaziere ich dort – nicht nur wegen der Familiengräber – immer wieder gerne hin.

Dabei sind mir irgendwann kleine bänke aufgefallen. Sie sind alle von einheitlicher Konstruktion: zwei im Boden verankerte, profilierte Betonpfeiler mit hölzerner Sitzfläche. Man findet sie in fast allen alten Friedhofsarealen.

(2) kleine bänke – ein typisches Exemplar

Nun packte mich die Neugier. Ich begann, kleine bänke zu suchen, zu fotografieren und nach und nach ihre Standorte auf dem Friedhof zu kartieren. Über 100 kleine bänke entdeckte ich. Und ich bin sicher, das sind noch nicht alle. Denn von manchen sind nur noch die Pfeiler übrig, ganz von Pflanzen überwuchert.

Andere sind offensichtlich von Privatleuten liebevoll restauriert: Da wurden Sitzflächen gestrichen – rot, blau, grün – oder auch ganz neu angebracht. kleine bänke sehen heute also ganz unterschiedlich aus. Sie sind so vielfältig, wie die toten Menschen, derer die Angehörigen hier gedenken. Und in verfallener oder überwucherter Form sind sie voll symbolischen Gehalts.

(3) Ausschnitt aus meiner Kartierung: hier stehen überall kleine bänke (Stand Frühjahr 2017)

 

(4) kleine bänke – Beispiel eines Erfassungsbogens

kleine bänke haben einen ganz besonderen Charme:

  • Standort: Oft stehen sie an den Enden von Stichwegen, so dass man hier abseits der großen Wege mit Blick auf vier Gräber einen ruhigen Sitzplatz findet.
  • Dimensionen: Sie sind freundlich klein, so dass darauf nur eine Person oder zwei, dicht zusammengerückt, Platz nehmen können.
  • Erhaltungsgrad: Teilweise verfallen, überwuchert oder auch „sitzbereit“.
  • Individualität: Durch die private Pflege gleicht heute kaum mehr eine Bank der anderen.
(5) Nur noch zu ahnen: kleine bänke stehen auch an verwunschenen Standorten

Einige kleine bänke, die es mir besonders angetan hatten, setzte ich dann als Illustrationen um. Die Bilder haben das einheitliche Format 30 x 20 cm. Es gibt ca. 20 solcher Bilder. Hier drei Beispiele:

(6) hier sitzt schon lange niemand mehr…

 

(7) Trockener Stellplatz für zwei Gießkannen

 

(8) Sitzkissen nicht vergessen – hier bildet eine polierte Steinplatte die Sitzfläche

 

Neben den Bänken, die von der Friedhofsverwaltung aufgestellt wurden, gibt es auch individuelle Banklösungen, die zum Teil sehr originell ausfallen. Schön, dass die Friedhofsverwaltung solche Besonderheiten zulässt, wenn auch nicht alle Bänke ästhetisch gelungen sind.

(9) Auch von einem Betonfreund aufgestellt – dieses formschöne Modell mit regensicherer Lagerfläche für weitere Betonplatten (man kann nie wissen…).

 

(10) Modell „Friedhofstresor“

Der Harburger Friedhof feiert in diesem Jahr am 20. Mai sein 125-jähriges Jubiläum. In diesem Zusammenhang nahm ich Kontakt zur Friedhofsverwaltung auf und regte an, eine kleine bänke-Ausstellung zu machen – mit Fotos, Beschreibung und den Bildern. Die Verantwortlichen mochten aber nicht darauf einsteigen, auch nicht, als ich deutlich machte, dass ich kein finanzielles Interesse mit der Ausstellung verbinden würde. Meine Kontaktaufnahmen verliefen im Sande…

Über die Gründe kann ich nur spekulieren: Ein Friedhofsmitarbeiter äußerte sich mir gegenüber so, dass die Bänke seit ca. 1950 aufgestellt wurden, heute aber nicht mehr zeitgemäß seien, weil sie zuviel Unterhaltungsaufwand mit sich brächten. Die Betonpfeiler hielten zwar „eine Ewigkeit“, aber die Holzdecken seien aus Weichholz und müssten ca. alle zehn Jahre erneuert werden. Man sei sich des gestalterischen Werts durchaus bewusst, trotzdem würden kleine bänke nicht mehr renoviert und nach und nach durch Standard-Kunststoffbänke ersetzt. Dort, wo Privatpersonen die Bänke auffrischten, ließe man sie freilich stehen.

Es besteht also durchaus Grund zu der berechtigten Sorge, dass kleine bänke akut gefährdet sind. Überall, wo nur noch die Pfeiler stehen, muss man täglich damit rechnen, dass sie ausgebuddelt werden… und dann irgendwo in der Nähe eine fiese neue Kunststoffbank auftaucht.

Deshalb hier der Aufruf: Kümmert Euch um kleine bänke in Eurer „Nachbarschaft“. Streicht die Holzplanken, ersetzt morsche Sitzflächen, „adoptiert“ und pflegt sie. In der Hoffnung, dass die Pietät der Friedhofsverwaltung soweit reicht, dass „sitzsichere“ frisch renovierte Bänke nicht entfernt werden.

Und: erzählt diese Geschichte weiter. Denkbar sind auch gemeinschaftliche Renovierungsaktionen, z. B. durch Schulklassen in einer Projektwoche, um möglichst viele Bänke wieder „besetzbar“ zu machen.

Eine Schnitzeljagd mit Banksuche wäre vermutlich nicht „friedhofsgerecht“, oder?

Aber vielleicht könnte man Führungen machen zu besonders verwunschenen Bänken oder Standorten. Denn „Vergehen“ ist ja auch ein Friedhofsthema.

(11) Auch am Gotthardtschen Familiengrab findet sich eine kleine bank.

Bei Interesse biete ich gern einen kleine bänke-Rundgang an. Bitte über die Kontaktadresse (s.u.) melden.

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Angela Jansen, Jahrgang 1958, geboren in Düsseldorf, aber zuhause im Norden (Witzwort und Harburg), ist Dipl.-Designerin und seit vielen Jahren Inhaberin der kleinen Werbeagentur fraujansen kommunikation. Nebenher malt und holzschneidet sie. Zu Harbuch.de hat sie ein enges familiäres Verhältnis. So erscheinen dort gelegentlich auch Artikel von ihr, z.B. über die Logos von Harburger Firmen oder eben über kleine bänke. e-Mail: aj@fraujansen.de