Gewerbesteueroasen: Großunternehmer Falke unterhält offenbar Briefkastenfirmensitz

Die nordrhein-westfälische Falke-Gruppe unterhält offenbar Briefkastenfirmen in der deutschen Gewerbesteueroase Schönefeld in Brandenburg. Das legen Recherchen vom ARD-Wirtschaftsmagazin „Plusminus“ und der „Süddeutschen Zeitung“ nahe.

(Pressemitteilung NDR)

Demnach sind zwei Firmen der Falke-Edelmarke „Burlington“ mit Geschäftssitz in Schönefeld gemeldet, doch die mutmaßliche Betriebstätte wirkt bis heute wie eine Büroattrappe: ohne Personal vor Ort und ohne eindeutige Geschäftstätigkeit. Der Gewerbesteuerhebesatz in Schönefeld ist signifikant niedriger als der Bundesdurchschnitt.

Am angeblichen Geschäftssitz der Burlington-Firmen in der Gemeinde Schönefeld findet sich nur ein Briefkasten. Reporterinnen von „Plusminus“ und „Süddeutscher Zeitung“ waren über Monate hinweg immer wieder zu normalen Geschäftszeiten vor Ort: Angestellte haben sie dort nie angetroffen, jedoch rund ein Dutzend weitere Firmen neben Burlington am Briefkasten entdeckt. Für Christoph Trautvetter vom Netzwerk für Steuergerechtigkeit eine typische Strategie von Großunternehmen in Gewerbesteueroasen: „Gewinne werden von dort, wo sie eigentlich erwirtschaftet werden und wo sie eigentlich besteuert gehören, verschoben in diese Steueroasen, wo die Steuersätze niedrig sind.“ Eigentlich müssten solche Briefkastensitze von den Steuerbehörden Brandenburgs untersucht und unterbunden werden, fordert er. Laut Steuerrechtsexperte Prof. Henning Tappe müssten Firmen, die in Schönefeld ihren Sitz anmelden, eine so genannte „Betriebsstätte“ haben, um auch wirklich vom günstigen Steuersatz profitieren zu dürfen. Um diese zu rechtfertigen, so Prof. Tappe, müsste sich die Geschäftsführung regelmäßig vor Ort treffen und dort die wesentlichen Geschäftsentscheidungen treffen. Ein Scheinfirmensitz wäre nicht legal. Die Falke-Unternehmensgruppe teilt „Plusminus“ und SZ zum Geschäftssitz der Burlington-Firmen in Schönefeld mit, die „seltenen geschäftlichen Entscheidungen und Gesellschafterversammlungen“ würden in Schönefeld abgehalten.

Falke ist nicht das einzige Unternehmen, das den niedrigen Gewerbesteuerhebesatz von Schönefeld nutzt: An die hundert Firmen der Familie von Milliardär Ludwig Merckle sollen in Schönefeld ebenfalls ihren Sitz haben. Recherchen von „Plusminus“ und SZ zeigen, dass Merckle offenbar sogar Steueroasen-Hopping betreibt: Das heute in Schönefeld gemeldete Firmengeflecht hatte seinen Sitz zuvor in Zossen, Brandenburg. Als die Gemeinde Zossen den Gewerbesteuersatz nur leicht erhöhte, zogen die Merckle-Firmen offenbar weiter nach Schönefeld, wo die Gewerbesteuer noch niedriger ist. Ludwig Merckle will sich dazu nicht äußern. Brandenburgs Finanzministerin Katrin Lange sieht keinen Handlungsbedarf. „Die Kommunen haben ein Recht darauf, ihre Hebesätze selbst festzulegen“, sagt sie. Es sei allerdings wichtig, gegen Steuerhinterziehung vorzugehen – auch wenn das sehr aufwändig sei. 

Weil die beiden Unternehmer keine Einzelfälle sind, fordern immer mehr Kommunen sowie Berlins Finanzsenator Daniel Wesener Maßnahmen der Bundesregierung. „Es muss Schluss sein mit dem ruinösen Wettbewerb“, sagt er. „Die Vorschläge liegen alle auf dem Tisch – jetzt wird es Zeit, dass das auch umgesetzt wird.“

Das zuständige Bundesfinanzministerium teilt auf Anfrage von „Plusminus“ und SZ mit, eine Reform sei nicht geplant. Allerdings stehe das Ministerium im engen Austausch mit den obersten Finanzbehörden der Länder. Man wolle noch in diesem Jahr nötigen und möglichen Handlungsbedarf ausloten.
 
Mehr zur Recherche in „Plusminus“ heute Abend, am 2. November um 21.45 Uhr im Ersten.

5 Gedanken zu „Gewerbesteueroasen: Großunternehmer Falke unterhält offenbar Briefkastenfirmensitz“

    1. @Reinhard Loos

      Haben unsere Lokalmedien eigentlich schon über den „Fall Falke“ berichtet? Ich habe nichts gefunden, weder beim WDR noch bei der WP.

      1. Gestern wurde im WDR in der Lokalzeit Südwestfalen über das aufgeräumte Ladenlokal von Falke in Brandenburg berichtet.

      2. Der WDR hat gestern zu Beginn der „Lokalzeit Südwestfalen“ im Fernsehprogramm berichtet:
        https://www1.wdr.de/fernsehen/lokalzeit/suedwestfalen/videos/video-lokalzeit-suedwestfalen—1836.html

        Auf der Internetseite der WP führen die Eingaben von „Falke“ und „Burlington“ zu keinem Ergebnis.
        Überrascht mich nicht. So hat die WP z.B. auch die Ankündigung der Fahrrad-Demo „KidicalMass“ am Sonntag in Brilon nicht veröffentlicht, denn das könnte als Kritik an der bestehenden Situation verstanden werden…

        1. Etwas stimmt nicht mit dieser Regierung, die sich auf der einen Seite Prestige-Objekte gönnt, siehe Bundeskanzleramt – Erweiterung für Millionen, ein Stadtschloss im preußischem Stile, Aufträge an Rüstungsschmieden im ungekannten Ausmaß – auf der anderen Seite und im gleichen Atemzug Durchhalteparolen rausgibt: in etwa -nur 2 min duschen, am besten kalt, abends Kerzen anzünden, kein Stromlicht, mit Waschlappen waschen, die Heizung runterdrehen und zwei Pullover anziehen etc.
          Einen Teil des Hamburger Hafens verkauft, aber gleichzeitig noch Entwicklungshilfe nach China schickt. Steuergeld. Also- etwas stimmt nicht mit dieser Regierung. Und die Menschen, zumindest die ich kenne, sind nicht mehr bereit dem zu folgen…

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