Leserbrief zum Artikel „CDU-Antrag: Reden im Rat kürzer fassen“ in der WP Brilon vom 09.06.2017

„Erdoganisierung im Stadtrat – kleine Parteien sollen mundtot gemacht werden“, so hätte die Überschrift des Artikels zum CDU-Antrag auch lauten können.

(Der Leserbrief von Silke Nieder bezieht sich auf den auch oben verlinkten Artikel in der Westfalenpost vom 9. Juni 2017.)

Bisher hat ein Ratsmitglied z. B. die Möglichkeit, zu den Tagesordnungspunkten der Sitzungsvorlage der Stadtverwaltung in einer ersten Wortmeldung auf Nachfrage weitere Informationen zu erhalten. Nach Beantwortung dieser Fragen kann das Ratsmitglied dann in seiner zweiten Wortmeldung einen begründeten Ergänzungs- oder Änderungsantrag zum Beschlussvorschlag der Verwaltung stellen. Zu möglichen Einwänden anderer Ratsmitglieder kann der Antragsteller dann Stellung nehmen und sich an der Diskussion beteiligen.

Wenn die Anzahl der Wortmeldungen eines Ratsmitglieds – wie von der CDU gewünscht – auf zwei begrenzt würde, wären weder eine Stellungnahme, noch eine kontroverse Debatte über die Anträge möglich – bequem also für die Fraktionen, die selten Anträge stellen. Diese Forderung der CDU widerspräche allerdings parlamentarischen und demokratischen Grundregeln.

Der Vorwurf, dass „die meisten Wortmeldungen zu keinen konstruktiven Lösungen und Erkenntnissen beigetragen hätten“, ist eine rein subjektive Bewertung. Anscheinend gefallen der CDU manche Anträge und Vorschläge nicht. Deshalb sollen sie aus ihrer Sicht keinen Beitrag zur Lösung dargestellt haben.

„Mündliche Anfragen müssen anzahlmäßig überschaubar sein, dürfen keine eigenen Debatten nach sich ziehen und vom Bürgermeister in kurzer Zeit beantwortet werden“, wird gefordert. Bisher darf ein Ratsmitglied laut Geschäftsordnung am Ende einer Sitzung „kurzgefasste“ mündliche Anfragen stellen. Der CDU-Vorschlag, das Fragerecht von Ratsmitgliedern somit auf bisher nicht näher ausgeführte Art und Weise einzuschränken, würde bedeuten, dass weniger Anfragen möglich sind. Begründung: „Ermüdungserscheinungen der Ratsmitglieder.“

Ich frage mich, ob bei einigen Ratsmitgliedern das Kurzzeitgedächtnis zu abendlicher Stunde nachgelassen hat und Ermüdungserscheinungen der Grund dafür sind, das Fragerecht einzuschränken? Denn dieses gehört – neben dem Rederecht und dem Antragsrecht – zu den grundlegenden Rechten eines jeden Ratsmitglieds! Gesetzliche Aufgabe der Ratsmitglieder ist es auch, die Arbeit des Bürgermeisters und der Stadtverwaltung zu kontrollieren. Für diese Aufgabe werden die Ratsmitglieder gewählt!

Im Übrigen werden die Debatten – nach Anfragen – am Ende der Sitzung meist durch mangelnde Disziplin in der CDU-Fraktion verursacht. Laut Geschäftsordnung müssen Anfragen beantwortet werden. Nur bei der Beantwortung von Anfragen nach Erledigung der angekündigten Tagesordnung ist eine Aussprache nicht zulässig.

Somit kritisiert die CDU-Fraktion mit diesem Antrag ihr eigenes Verhalten und zum anderen den Bürgermeister als Sitzungsleiter, welcher diese Debatten zulässt. Vielleicht sind die CDU-Ratsmitglieder auch nicht mit der Geschäftsordnung des Rates vertraut, so dass sie Stellungnahmen während der Besprechung der Tagesordnungspunkte unterbinden möchten.

Offensichtlich möchte die CDU verhindern, dass die Arbeit ihr nahestehender Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadtverwaltung von den Mitgliedern der kleinen Ratsfraktionen hinterfragt werden kann. Mit dieser Absicht torpediert die CDU demokratische Grundregeln. Ein Kommunalparlament ist nicht dazu da, die Tätigkeit von Bürgermeister und Stadtverwaltung mehr oder weniger schweigend zur Kenntnis zu nehmen und abzunicken.

Silke Nieder