Sowohl beim WDR als auch in der Süddeutschen Zeitung berichtet Johannes Nitschmann über einen Streit zwischen NRW Hochschulminister Andreas Pinkwart(FDP) und dem CDU-Landtagsfraktionsvorsitzenden Helmut Stahl:
Islam Professor Kalisch entzweit Regierung in NRW
Düsseldorf – Die aufgekündigte Zusammenarbeit des Münsteraner Islamprofessors Muhammad Sven Kalisch und des Koordinationsrates der Muslime bei der Lehrerausbildung hat zwischen den Spitzen der nordrhein-westfälischen Regierungsparteien einen Grundsatzstreit ausgelöst. In einem der Süddeutschen Zeitung bekannt gewordenen Briefwechsel werfen sich NRW-Hochschulminister Andreas Pinkwart (FDP) und der Vorsitzende der CDU-Fraktion im Düsseldorfer Landtag, Helmut Stahl, vor, im Fall Kalisch die Landesverfassung zu missachten. Während Pinkwart, der zugleich FDP-Landesvorsitzender ist, den muslimischen Verbänden – wie allen Religionsgemeinschaften – ein Mitsprachrecht bei der Besetzung des Lehrstuhls für die Ausbildung von Islamkunde-Lehrern einräumen will, pocht der CDU-Fraktionschef auf die Freiheit der Wissenschaft: „Einen Kotau vor den islamischen Verbänden darf es nicht geben.“ … weiter in der SZ
Diese Auseinandersetzung ist die Rache der fehlenden Trennung von Staat und Kirche im Bildungssystem von Nordrhein-Westfalen.
Es ist nicht „Islam-Professor Kalisch“(Nitschmann in der SZ), der die Regierung in NRW entzweit(ebenda), sondern die religiöse Grundlage der NRW-Verfassung. In Artikel 7[Grundsätze der Erziehung] heißt es in Absatz 1 (Hervorhebungen von mir):
Ehrfurcht vor Gott, Achtung vor der Würde des Menschen und Bereitschaft zum sozialen Handeln zu wecken, ist vornehmstes Ziel der Erziehung.
Artikel 12[Schularten] Absatz 3:
Grundschulen sind Gemeinschaftsschulen, Bekenntnisschulen oder Weltanschauungsschulen….
Absatz 6:
In Bekenntnisschulen werden Kinder des katholischen oder des evangelischen Glaubens oder einer anderen Religionsgemeinschaft nach den Grundsätzen des betreffenden Bekenntnisses unterrichtet und erzogen….
Artikel 14[Religionsunterricht]
(1) Der Religionsunterricht ist ordentliches Lehrfach an allen Schulen, mit Ausnahme der Weltanschauungsschulen (bekenntnisfreien Schulen). Für die religiöse Unterweisung bedarf der Lehrer der Bevollmächtigung durch die Kirche oder durch die Religionsgemeinschaft. Kein Lehrer darf gezwungen werden, Religionsunterricht zu erteilen.
(2) Lehrpläne und Lehrbücher für den Religionsunterricht sind im Einvernehmen mit der Kirche oder Religionsgemeinschaft zu bestimmen.
(3) Unbeschadet des staatlichen Aufsichtsrechtes haben die Kirchen oder die Religionsgemeinschaften das Recht, nach einem mit der Unterrichtsverwaltung vereinbarten Verfahren sich durch Einsichtnahme zu vergewissern, daß der Religionsunterricht in Übereinstimmung mit ihren Lehren und Anforderungen erteilt wird.
(4) Die Befreiung vom Religionsunterricht ist abhängig von einer schriftlichen Willenserklärung der Erziehungsberechtigten oder des religionsmündigen Schülers.
… und so weiter und so fort.
Das Arrangement zwischen Staat und katholischer bzw. protestantischer Kirche ging so lange gut, wie diese beiden Religionsgemeinschaften das öffentliche Leben eindeutig dominierten. Doch jetzt wollen die Muslime rein ins Boot.
Hat es bisher einen Aufschrei gegeben, wenn zum Beispiel katholischen Lehrerinnen und Lehrern an staatlichen(!) Schulen die Lehrerlaubnis entzogen wurde, weil sie geschieden waren und erneut heirateten? Da fuckelt die Kirche an den bürgerlichen Existenzen herum und es wird von der Gesellschaft akzeptiert, wenn auch hier und da mit einem privaten Protestgemurmel.
Wir werden in einer zunehmend multireligiösen Gesellschaft nicht ohne eine konsequente Säkularisierung auskommen, es sei denn die bisherigen Nutznießer legen es auf einen „Clash der Religionen“ an.
Update (Paul Scheffer Interview): Seit 3 Tagen habe ich diesen Link im Köcher.