„Privatisierung als Gottesdienst – Neoliberale Politik und pastorale Macht“ heißt eine Ausstellung im Hamburger Kunstverein (Klosterwall 23), die dort noch bis zum 5. Januar 2014 zu sehen ist.
Die Öffnungszeiten: http://www.kunstverein.de/derkunstverein/info/index.php
Die Ausstellung handelt von der zehnjährigen Auseinandersetzung um die Privatisierung eines öffentlichen Raumes in Hamburg-Eimsbüttel durch die evangelikale Frankfurter Klinikkette Agaplesion AG.
Im Blog der der Initiative gegen die Bebauung des Sparbierplatzes in Hamburg-Eimsbüttel kann man sich über die sehr verzwickten politischen und wirtschaftlichen Hintergründe informieren.
Zitat:
„Der Sparbierplatz im Süden des Hamburger Stadtteils Eimsbüttel war von 1908 bis 2008 eine unbebaute kommunal-öffentliche Freifläche und als solche Teil eines zusammenhängenden Grünflächen-Ensembles des Bezirks. Wegen seiner ungewöhnlichen Größe von 22.000 qm hatte dieser öffentliche Raum im Eimsbütteler Kerngebiet, das bundesweit zu den am dichtesten bebauten Quartieren zählt, eine umfassende Erholungsfunktion. Dazu gehörten die weiträumigen Blickmöglichkeiten und die durch einen unbebauten Raum verbesserten Licht– und Luftverhältnisse.
Als kommunale Einrichtung ohne Zugangsbeschränkungen bot der Platz freie Bewegungsmöglichkeiten jenseits von kommerzieller und staatlicher Einmischung. Zur zentralen städtebaulichen Bedeutung dieser Großfläche kam ihre Nutzung als Begegnungsort, Spiel– und Sportfreifläche. Umrandet von Bäumen gab es zwei Grandplätze, die jederzeit frei zugänglich waren – für spielende Kinder und Jugendliche, Jogger, Gelegenheitskicker, freie Mannschaften oder Vereine. Der benachbarte Großverein ETV war einer von vielen Nutzern.
Niemand sah einen Grund, an diesem Zustand etwas zu ändern. Bis zum Jahre 2001, als die Hamburger Ole von Beust und Ronald Schill an die Macht wählten. Diese politische Rechtswende führte in Eimsbüttel dazu, dass der Sparbierplatzes privatisiert und bebaut wurde. Durch Beschlüsse des neuen Senats wurde dieser Raum zwischen dem 2002 in Frankfurt gegründeten evangelikalen Krankenhauskonzern Agaplesion AG und dem Großverein ETV aufgeteilt. Auf der einen Hälfte steht heute das „Agaplesion Diakonieklinikum“, auf der anderen wurde dem Privatisierungspartner ETV aus öffentlichen Krankenhausinvestitionsmitteln ein teurer Kunstrasenplatz finanziert.
Als Freifläche ist der Sparbierplatz seither komplett verschwunden. Schrumpfende öffentliche Räume sind seit Beginn der neoliberalen „Reformen“ Teil der vielfältigen Einschränkungen materieller und politischer Handlungsmöglichkeiten.
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Begehrlichkeiten hatte die Großfläche immer schon geweckt, aber diese scheiterten stets an der relativ stabilen Bedeutung, die öffentliche Einrichtungen bis dahin in der symbolischen Werteordnung der Gesellschaft hatten. Doch spätestens die größte Privatisierungswelle der Geschichte, die nach Ende des Realsozialismus in Osteuropa einsetzte, führte auch im Westen zu einer totalen Markt-Euphorie, die eine Abwertung öffentlicher Eigentumsformen zur Folge hatte.
Diese neoliberale Hegemonie wurde durch die Finanzkrise nicht beendet, aber zeitweise ausgebremst. In Hamburg war das Zeitfenster, innerhalb dessen die Sparbierplatz-Privatisierung politisch durchsetzbar wurde, acht Jahre lang geöffnet – vom Sieg der Schill/Beust-Koalition im Bürgerschaftswahlkampf 2001 bis zur ersten „Wertberichtigung“ der HSH-Nordbank Ende 2008, die in der Abschreibung von 1,1 Milliarden Euro bestand … “
Weitere Informationen:
Der Kunstverein Hamburg, seit 1817: IGDRA
http://www.kunstverein.de/ausstellungen/aktuell/20131001-igdra.php
Transmitter – Zeitung des Freien Sender Kombinats, November 2011
http://www.fsk-hh.org/files/tm1113.pdf
EWB, 19. November 2013: Agaplesion: Die Rückkehr der Kritik
http://www.elbe-wochenblatt.de/eimsbuettel/lokales/agaplesion-die-rueckkehr-der-kritik-d22693.html