Brilon. (pm) Als vermutlich verfassungswidrig bezeichnet Ralf Wiegelmann, Mitglied im AfA – Bundesausschuss, das neue Gesetz zur Tarifeinheit. Künftig entscheide in Betrieben die Mehrheit. Kleinere Spartengewerkschaften könnten somit keinen Arbeitskampf mehr führen.
Vielmehr sei der Grundsatz der Koalitionsfreiheit, welcher sich aus Artikel 9 Abs. 3 des Grundgesetzes ergebe
Koalitionsfreiheit bezeichnet das Recht von Arbeitnehmern und Arbeitgebern, sich zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zusammenzuschließen. Kern dieses Rechtes -das Koalitionsrecht – ist die Möglichkeit, Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände zu gründen und sich diesen anzuschließen
pauschal durch das nunmehr beschlossene Gesetz zur Tarifeinheit ad absurdum geführt und außer Kraft gesetzt werden.
Wiegelmann hält das Gesetz wie verabschiedet für verfassungswidrig: „Über Bundestagsdebatte in der Sache kann ich mich nur wundern und habe über diese Verfahrensweise nebst Antragsbegründung in keinster Weise Verständnis.“
Beim Streikrecht und der Tarifautonomie handele es sich um Verfassungsgrundsätze, die nicht verletzt werden dürften. „Mir persönlich werden die Streiks der vergangenen Wochen aufgeblasener dargestellt, als selbige in der Tat letztendlich waren“, so Wiegelmann gegenüber der Presse.
Das nunmehr beschlossene Gesetz sehe vor, dass in einem Betrieb mit konkurrierenden Gewerkschaften nur der Tarifvertrag der Gewerkschaft mit den meisten Mitgliedern gelte. Gerichte könnten Streiks der Minderheitsgewerkschaft verbieten.
Das nunmehr verabschiedete Gesetz sei auch sehr kontrovers in den beiden großen Arbeitnehmervertretungen AfA und CDA diskutiert worden. Wiegelmann spricht sich persönlich in dieser Sache gegen eine gesetzliche Regulierung aus. Es könne auf keinen Fall Aufgabe einer SPD-Ministerin sein, im Auftrag der Arbeitgeber mit einem Tarifeinheitsgesetz das grundgesetzlich geschützte Streikrecht und die Koalitionsfreiheit einzuschränken.
Obgleich Andrea Nahles immer wieder betone, dass es keine Einschränkung des Streikrechtes geben werde, finde genau diese Einschränkung indirekt bei kleineren Gewerkschaften statt, da ihnen die Möglichkeit zur Durchsetzung eines gültigen Tarifvertrages verwehrt und genommen werde.
Damit werde ihnen auch die Möglichkeit von Arbeitskämpfen untersagt. Eine Einschränkung des Streikrechtes müsse jedoch verhindert werden und dürfe nicht von der SPD hingenommen, gar federführend durchgeführt werden.
Als wichtige Argumente für das Tarifeinheitsgesetz und damit der Einschränkung der Koalitionsfreiheit würden, so Wiegelmann, u.a. „gesamtwirtschaftliche Belange“, die „Ordnung und Befriedung des Arbeitslebens“, das „öffentliche Interesse“ und „Beschäftigungssicherung“ angeführt. Dieser Ansatz widerspräche völlig den Grundsätzen der SPD und ihren historischen Wurzeln.
In erster Linie dienen Arbeitskämpfe der Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer! Dieser Ansatz und diese Bedeutung muss von der SPD gegen Widerstände verteidigt werden!
Darüber hinaus berge das Tarifeinheitsgesetz eine weitere Schwächung der Belegschaft, da nun mittels Betriebstarifverträgen der Flächentarifvertrag und sogar der Haustarifvertrag weiter geschwächt würden.
Eine Stärkung der Gewerkschaften könne nicht durch die Einschränkung der Koalitionsfreiheit erreicht werden, sondern nur mittels Stärkung der Flächentarifverträge und einer Erschwerung von Tarifflucht durch Ausgründungen.
Ralf Wiegelmann, Mitglied im AfA-Bundesausschuss schließt sich ausdrücklich der Position der Gewerkschaften GEW, NGG, ver.di und dem Deutschen Beamtenbund an, dass eine Tarifeinheit nicht durch Gesetz aufgezwungen werden dürfe, vor allem nicht durch eine Einschränkung der Koalitionsfreiheit, sondern eine interne Aufgabe der Gewerkschaften sind.
Stattdessen könne und sollte die Politik Rahmenbedingungen schaffen, um Flächentarifverträge zu stärken und Tarifflucht durch Ausgründungen zu erschweren.