Produkte für die Autoindustrie: EU will Abholzung der Wälder für Leder und Gummi weiter erlauben.

Die neue EU-Verordnung zum Schutz der Wälder sollte ein Meilenstein werden: Erstmals müssen Unternehmen, die ökologisch heikle Produkte importieren wollen, gesetzlich definierte Sorgfaltspflichten einhalten. Doch ausgerechnet Kautschuk und Leder –  Materialien, die in der Autoindustrie benötigt werden –  sind davon ausgenommen. Das geht aus einem geleakten Entwurf hervor, der CORRECTIV vorliegt.

Essen, 03. November 2021. Die EU-Kommission bleibt beim Schutz der Wälder deutlich hinter den eigenen Maßstäben zurück: Noch in einer Mitteilung an das Europaparlament von Juli 2019 zählte die Kommission Kautschuk sowie Leder zu den Konsumwaren, die mit hohen ökologischen Risiken verknüpft sind. Auch das EU-Parlament, das das neue Gesetz angeregt hatte, zählt beide Materialien zu den größten Verursachern der Entwaldung. Nun aber hat die Kommission Kautschuk und Leder von der Liste der Produkte gestrichen, die ein geplantes Gesetz zur Bekämpfung der Entwaldung schärfer regulieren soll. Ein noch nicht offiziell veröffentlichter Entwurf, der dem Recherchezentrum CORRECTIV vorliegt, nennt nur noch Palmöl, Soja, Holz, Kakao, Kaffee und Rindfleisch.

Die deutsche EU-Abgeordnete Delara Burkhardt (SPD) kritisiert die Entscheidung und warnt vor möglichen Schlupflöchern in dem geplanten Gesetz: „Kautschuk aus dem Anwendungsbereich der Verordnung herauszuhalten, würde also nicht nur einen Haupttreiber der Entwaldung außen vor lassen, sondern könnte auch dazu führen, dass die Agrarindustrie für den europäischen Markt ihre Produktpalette umstrukturiert und verstärkt dieses Gut, anstatt von der Verordnung abgedeckte Produkte wie Kakao, erzeugt”, sagte Burkhardt gegenüber CORRECTIV. Auch Leder sei mit hohen Entwaldungsrisiken verbunden und müsse in die Verordnung aufgenommen werden. 

Weshalb Kautschuk und Leder von der Liste der Risikoprodukte verschwunden sind, lässt sich nicht klären. Die EU-Kommission ließ die Fragen von CORRECTIV unbeantwortet. Die Kommission kommentiere keine Leaks, teilte eine Sprecherin mit.

Auffällig ist aber, dass beide Produkte in der Autoindustrie benötigt werden, das weltweit geerntete Kautschuk wird zu 70 Prozent zu Reifen verarbeitet, Leder zu großen Teilen zu Autositzbezügen. Die Industrielobby hatte in den vergangenen Monaten den Druck erhöht und offenbar ihren Einfluss geltend gemacht. Der europäische Reifen- und Kautschukverband ETRMA hatte offen gefordert, Kautschuk von der Liste der Risikoprodukte zu entfernen: In einem Positionspapier verwies der Verband darauf, dass Soja, Rindfleisch und Palmöl für einen Großteil der Entwaldung verantwortlich seien, Kautschuk sei als „Produkt mit niedrigem Risiko“ einzustufen.  

Ziel des geplanten Gesetzes ist zu verhindern, dass der Konsum in Europa den Verlust von Wäldern in anderen Teilen der Welt befördert. Die EU ist nach eigener Einschätzung für bis zu zehn Prozent des weltweiten Verbrauchs der Produkte, die mit Abholzung von Wäldern verknüpft sind, verantwortlich.

Die rasante Vernichtung der Regenwälder gefährdet die UN-Klimaziele und alarmiert längst auch die internationale Gemeinschaft: Auf der UN-Klimakonferenz COP26 in Glasgow haben sich in dieser Woche mehr als 100 Staaten zum verstärkten Kampf gegen die Vernichtung der Wälder verpflichtet, darunter Brasilien, Russland, Kanada, die USA. Bis 2030 soll die Abholzung gestoppt werden. 

Die ganze Recherche lesen Sie hier: https://correctiv.org/?p=93419

7 Gedanken zu „Produkte für die Autoindustrie: EU will Abholzung der Wälder für Leder und Gummi weiter erlauben.“

  1. (Auto-) Fetischisten feiern !

    Glaubt irgendjemand, dass Klimawandel, Umweltzerstörung und Artensterben aufhören werden?

      1. „(…) Selbst die minimale Einsparung aus dem Vorjahr [= 2020] haben wir also schon wieder fast komplett kompensiert. Das ist schon schlimm genug. Noch schlimmer aber ist, dass der globale Trend keine Anzeichen einer Umkehr aufweist. Gerade findet in Glasgow die 26. (!!) UN-Klimakonferenz statt. Wieder einmal erklären dort alle Länder, wie ernst man die Klimakrise nehmen muss. Wie dramatisch die Lage ist. Dass man sich um die Zukunft kümmern muss. Usw. Schöne Worte, ohne Taten. Greta Thunberg hat das sehr plakativ zusammengefasst: 

        “Green economy blah blah blah. Net-zero by 2050 blah blah blah.
        Net-zero blah blah blah, climate neutral blah blah blah. This is all we hear from our so-called leaders. Words. Words that sound great but so far has led to no action.”
        ?
        Ja, es SIND nur Worte, nur “Blah Blah”. (…)“

        https://scienceblogs.de/astrodicticum-simplex/2021/11/04/business-as-usual-die-co2-emissionen-sind-so-hoch-wie-vor-der-pandemie/

        1. Die Politiker*nnen, die heute handeln müssten, haben sich schon lange eingemauert. Die Zahlen bei Florian Freistetter sind deutlich, und was haben 25 Klimakonferenzen bislang gebracht? Greta Thunberg hat Recht.

          Ich bin froh, dass ich auf meine alten Tage mal wieder auf ein paar Demos war.

          Mit dem CO2 sind wir so weit, dass wir nicht nur klimaneutral werden müssen, sondern negativ. Das bedeutet, das Zeug irgendwie aus der Atmosphäre zu holen. Gleichzeitig blubbern die Methanblasen aus dem Permafrost.

        2. Wenn wir die Corona-Politik als Blaupause der Klimapolitik sehen, dann muss man nur ein Wort in diesen beiden Zitaten austauschen:

          „Unverschämte Ignoranz
          Keiner kann sagen, die katastrophale Corona-Lage sei nicht zu erwarten gewesen. Statt zu handeln, hat die Politik gehofft und versagt. So weit hätte es nie kommen dürfen.“

          „folgenschwere[n] Stümperhaftigkeit der deutschen Corona-Politik“

          Empfehle zur Empörung diesen Zeit- Artikel:

          https://www.zeit.de/wissen/2021-11/corona-neuinfektionen-hoechststand-inzidenz-vierte-welle-politikversagen-impfkampagne

          1. … Corona würde ich nicht mit dem Klimawandel vergleichen.

            Ein wichtiger Unterschied ist beispielsweise „Zeit“, beim Klimawandel weiß man ja schon ewig, was passiert, hat aber dafür gesorgt, dass die Massen weiter schlafen konnten (der Text ist nur ein Beispiel):

            „Washington DC verklagt Ölkonzerne wegen Täuschung in Bezug auf den Klimawandel
            29. Juli 2020  

            Am 26. Juni 2020 legte der Generalstaatsanwalt des District of Columbia (DC) seine Klageschrift wegen Verstoßes gegen den Verbraucherschutz gegen die vier größten börsennotierten Ölkonzerne ExxonMobile, Shell, BP und Chevron beim obersten Distriktgericht vor. Sie werden beschuldigt „systematisch und mit Absicht die Verbrauer des Distriktes über die Rolle, die ihre Produkte bei der Verursachung des Klimawandels spielen, getäuscht zu haben.“ Der Distrikt schließt sich den Staaten Massachusetts und Minnesota an, die am Vortag ihre Klagen angekündigt hatten, Exxon Mobile wegen Verbrauchertäuschung zu verklagen. Es ist das erste Mal, dass eine „Klimaklage“ einer Generalstaatsanwaltschaft sich auch gegen Chevron, Shell und BP richtet.

            Die Punkte der Anklage im Einzelnen

            • Die angeklagten Unternehmen wussten seit Jahrzehnten, dass ihre fossilen Brennstoff- Produkte das Klima verändern würden mit potenziell „katastrophalen“ Konsequenzen für die Menschheit.
            • Die internen Handlungen der Angeklagten zeigten, dass sie sich der Wirkungen des Klimawandels bewusst waren und diese anerkannten.
            • Im Gegensatz zu ihrer klaren Kenntnis des Klimawandels und ihrer darauf beruhenden Unternehmensentscheidungen, streuten die Beklagten Desinformation und Zweifel unter den Verbrauchern des Distriktes und national durch: 
            • Die Bildung einer Global Climate Coalition, um Verbraucher zu täuschen, indem die Klimawissenschaft verfälscht wird.
            • Die Nutzung des American Petroleum Institute (API) um Verbraucher darüber zu täuschen, dass es den Klimawandels gibt und dass fossile Brennstoffe dabei eine Rolle spielen.
            • Die Finanzierung und Kontrolle von Wissenschaftlern, die Verwirrung und Zweifel an der Klimawissenschaft säen sollten.
            • Exxons irreführende Werbekampagne der Klimaverleugnung und -zweifel
            • Shells irreführende Werbekampagne „Profits and Prinziples“
            • Die Klimakrise, wie von den Angeklagten vorhergesehen und erwartet, ist da (is here) und ist eine existenzielle Bedrohung der Menschheit und des Planeten.
            • Die Angeklagten täuschen weiterhin DC Verbraucher über die Auswirkungen ihrer fossilen Brennstoffprodukte auf den Klimawandel durch Greenwashing-Kampagnen und andere irreführende Werbung.
            • Die Angeklagten machten zudem irreführende Angaben über spezifische „grüne“ oder „grünere“ Produkte fossiler Brennstoffe.
            • Informationen, die die Rolle der Produkte der fossilen Brennstoff Unternehmen betreffen, seien maßgeblich für die Kaufentscheidungen der Verbraucher.

            Die Informationen über die verheerende Rolle, die große Energiekonzerne bei der Desinformation über den Klimawandel gespielt haben, ist nicht neu und gut dokumentiert. Es ist wohl aber das erste Mal, dass gleich von mehreren US Staaten juristisch wegen Verbrauchertäuschung und aus Gründen des Verbraucherschutzes gegen die Konzerne vorgegangen wird. Über die Klage wurde in deutschen Medien bisher nicht oder kaum berichtet.

            https://www.klimawandel-gesundheit.de/washington-dc-verklagt-oelkonzerne-wegen-taeuschung-in-bezug-auf-den-klimawandel/

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