Auf zur Wasserkuppe Tag 3: Rotenburg – Tann in der Rhön

Eigentlich geht es ja nur im mittleren Teil nach Osten, sonst eher nach Süden. (Screenshot)

Die Idee hinter diesem Tageabschnitt war es, so schnell wie möglich vom Fulda-Radweg abzubiegen und nach Osten in die Rhön hinein zu radeln. Ursprünglich wollte ich noch bis Fulda weiter und dann von dort aus zur Wasserkuppe, aber immer nur am Fluss entlang reisen kann auch ermüdend sein. Außerdem hatte ich die Strecke von Kassel bis Fulda schon einmal (2019) mit dem Rad zurückgelegt – hin mit Gegenwind. Der Wind hatte damals ausnahmsweise nicht gedreht und so waren wir Richtung Kassel mit Rückenwind auf unseren Rädern zurück geflogen.

Lange Rede, kurzer Sinn: bei Friedlos, nördlich von Bad Hersfeld, sind wir auf den D4/R7 nach Osten abgebogen, um dann in einem Bogen das Ziel Tann/Rhön zu erreichen.

Grauer Himmel, trockener Tag – ideales Radwetter.

Am Wegrand – die Restauration war noch geschlossen. (foto: zoom)

Zur Navigation habe ich mich auf die Beschilderung, die analoge Radkarte und Openstreetmap gestützt. Komoot war eher hinderlich, da mir die Kriterien für die Navigation nicht ersichtlich waren. Die errechneten Routen führten häufiger über schlechtere Wege.

An dieser Stelle fuhren wir Richtung Philippsthal weiter. (foto: zoom)

Sogenannte Planetenwege haben sich inzwischen wie Löwenzahn an den deutschen Radrouten, Wander- und Flusswegen ausgebreitet. Die alte Beschilderung führt noch den Zwergplaneten Pluto auf. Dieser ist aber schon seit 2006 aus dem Rang eines echten Planeten entfernt worden.

Der Merksatz: Mein Vater Erklärt Mir Jeden Sonntag Unsere Neun Planeten ist auf den neueren Tafeln durch Mein Vater Erklärt Mir Jeden Sonntag Unseren Nachthimmel ersetzt worden. Es schadet aber nichts, denn wer kennt schon die Wege der Astronom*innen, sich beide Lernsprüche zu merken.

Diese Tafel hat ihn noch: Pluto als Planet (foto: zoom)

Die Radwege in der Rhön waren sehr leicht zu befahren, meist asphaltiert und abseits der Straßen. Kein Vergleich mehr mit den Touren damals, in der Schüler*innenzeit.

Einer der Bahntrassenradwege. Das Pedelec blieb häufig im OFF-Modus. (foto: zoom)

Interessant war der Anblick der viele „Monte Kali“ im Land des Salzbergbaus an und um die Werra.

Monte Kali – im Vordergrund Ransbach (foto: zoom)

Ein wenig hat es mich an die Schlackeberge à la Monte Schlacko im Ruhrgebiet erinnert, von Schwarz auf Weiß gedreht.

Der Salzbergbau ist allerdings im Gegensatz zum Kohlebergbau keine Vergangenheit, auch wenn die Lore am Wegrand wie an einem Gedenkort platziert ist.

Eine Lore kurz vor Philippsthal (foto: zoom)

Die Räder des Förderturms von K+S Minerals and Agriculture GmbH drehen sich noch, zur Freude der Düngemittelindustrie, zum Nachteil der Umwelt. Die Salzeinleitungen in die Werra waren, sind und bleiben ein Problem.

Die Firma K+S beherrscht die Infrastruktur von Philippsthal. (foto: zoom)

„Umweltschützer halten die Ökosysteme von Werra und Weser durch die Salzabwässer für weitgehend zerstört und sprechen von einer „hemmungslosen Pökelei“. Auch Fische hätten ein Lebensrecht. Die Werra ist der östliche der beiden Hauptquellflüsse der Weser.“ (https://www.mdr.de/nachrichten/thueringen/west-thueringen/wartburgkreis/ks-werra-einleitung-salz-fische-bund-102.html)

Irgendwann haben wir die Kali-Industrie hinter uns gelassen. Entlang der Ulster ging es Richtung Tann.

Auf dem Ulsterradweg vor Unterbreizbach/Thüringen (foto: zoom)

Mal verlief der Radweg an diesem Abschnitt durch Thüringen, mal wieder zurück durch Hessen.

Erinnerungstafel am Straßenrand (foto: zoom)

Auch wenn ich noch „mit der DDR“ aufgewachsen bin und „mit ihr“ gelebt habe, fühlt sich der Zickzack-Kurs durch das alte Grenzgebiet nicht mehr ungewöhnlich an.

Allerdings sorge ich mich politisch um Thüringen. Beim Hindurch-Radeln hat sich der braune Bodensatz dieses Bundeslandes nicht bemerkbar gemacht.

Sehr entspannt haben wir Tann in der hessischen Rhön erreicht. Auch hier Gedenken an die mord- und raublüsterne deutsche Geschichte und die Vernichtung der Juden und ihrer Synagogen.

Im Gedenken sind wir Deutschen gut. (foto: zoom)

Im Gedenken sind wir Deutschen Weltmeister, aber auch fast acht Jahrzehnte nach der Zerschlagung des deutschen Nationalsozialismus durch die Alliierten führt die jüdische Kultur nicht viel mehr als ein Schattendasein, der Antisemitismus hingegen ist quicklebendig.

Wie viele Jahre, Jahrzehnte, Jahrhunderte wird es dauern bis es wieder eine Synagoge in Tann/Rhön gibt? (foto: zoom)

Ein Spaziergang durch Tann lohnt sich, auf jeden Fall aber ein Besuch des Naturmuseums mit seinen Dioramen der heimischen Tierwelt. Sie erinnerten mich an das Naturkundemuseum in Münster, in Tann allerdings mit lokalem Bezug. Wir konnten leider nur kurz, vor Schließung, einen Blick in die Ausstellungsräume werfen.

Spaziergang durch das alte Tann (foto: zoom)

Tann, so heißt es bei Wikipedia, ist seit der Einführung der Reformation durch Eberhard von der Tann in den 1530er Jahren evangelisch. Eberhard von der Tann hatte Martin Luther in Wittenberg kennengelernt und war dessen Freund geworden.

Vor der evangelischen Stadtkirche steht ein mit Computerschrott gefülltes Kreuz. Es soll als Denkkreuz im Sinne von Luther Die digitale „Revolution“ als goldenes Kalb darstellen.

Denkkreuz: Die digitale „Revolution“ als goldenes Kalb. (foto: zoom)

Das Denkkreuz ist Teil eines Skulpturenwegs (Lutherweg), welcher hier genauer beschrieben wird:
https://www.osthessen-zeitung.de/einzelansicht/news/2019/mai/neuer-skulpturenweg-in-tann-mit-martin-luther-auf-erinnerungsfoto.html

Mit der Metapher des Goldenen Kalbs schließt sich der Kreis vom Antisemiten Luther zur Verfolgung des Juden im Nationalsozialismus und zum modernen Antisemitismus.

„In der Tradition der Judenfeindschaft freilich verwandelte sich das selbstkritisch gemeinte jüdische Bild des »Götzendiensts« von der Vergoldung des Angebeteten in das Urbild des Antisemitismus: die Anbetung des Goldes, die »jüdische Verfallenheit« gegenüber Gold und Reichtum. Und irgendwann wird aus diesem goldenen Kalb eine Metapher, die man jedem anheften kann.“
https://www.jm-hohenems.at/static/uploads/2021/03/Loewy_Geruechte-ueber-Juden_Web-2021.pdf, S. 10)

Schlafen gegangen sind wir, wie es sich für Vegtarier*innen ziemt, im Hotel Steakhaus.

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