Noch vor einer Woche bin ich durch das Schanzenviertel gestromert. Es war nichts los. Keine Touristen. Keine radikalen Elemente. Niemand warf Steine. Die „Rote Flora“ leuchtete in der Dämmerung.
Ganz in der Nähe hatte ich vor vielen, vielen Jahren gewohnt. Trampert und Ebermann sollen damals ihre Stammkneipe am Schulterblatt gehabt haben.
Sollen – ich habe sie dort nie gesehen. Von heute aus betrachtet, muss ich sagen: leider.
Lastwagen donnerten von der Autobahn kommend die Stresemannstraße hinunter. Der Fußboden im vierten Stock vibrierte.
Die „Frauenkneipe“ ein paar Schritte Richtung Neuer Pferdemarkt ist inzwischen verschwunden.
In der Susannenstraße gab es noch die Post und Fritz Fick. Kann ja kein Geschäftsinhaber was dafür, wenn er so heißt.
Günter Amendt hatte das Bild des Geschäfts in seinem Sex-Buch abgedruckt. Ich weiß nicht mehr, ob es das kleine gelbe „Sexfront“ oder das große pappige „Das Sexbuch“ war.
Wenn ich mich richtig erinnere, verkaufte Fritz Fick Milch und Käse, lasse mich aber gerne korrigieren.
Ein Kaufhaus macht dicht. 1000 Töpfe gehörte zu meiner Jugend, es gehörte zu Hamburg.
Bei 1000 Töpfe habe ich vor langer Zeit Fotopapier, Entwickler und Fixierer gekauft. Das Zeug trug ich nach Hause und in dem abgedunkelten kleinen Raum im Keller verrührte ich es mit Wasser. Anschließend konnte ich die Negative entwickeln und Fotos abziehen. Es muss eine Ewigkeit her sein.
St. Georg, Lange Reihe
Der 1000 Töpfe Laden meiner Jugend lag in der Langen Reihe, ‚hinter‘ dem Hauptbahnhof. Es war eine sehr schmuddelige Gegend. Eine Freundin wohnte hier im 3. Stock. Unten im Haus war ein Puff. Das gehörte damals zu St. Georg.
Kürzlich ging ich dort spazieren und erkannte den Stadtteil kaum wieder. Zwischen Außenalster und Hauptbahnhof zentral und attraktiv gelegen, hat sich die Lange Reihe gemausert. Schick statt Schmuddel, Lofts auf den Dächern und teure Klamottenläden an der Straße.
‚Mein‘ 1000 Töpfe Laden schloss 2008 seine Pforten. Verdrängt, denn auf diesem „Filetstück“, wie man Grundstücke in guter Lage heute nennt, sollte stattdessen ein fünfgeschossiges Haus mit Wohnungen und Läden entstehen. 1000 Töpfe zog um und ich hatte meine Laborversuche im heimischen Keller schon lange beendet.
1000 Töpfe, Schulterblatt und Rote Flora
Bundesweite Bekanntheit erlangte der oben abgebildete 1000 Töpfe Laden am Schulterblatt. Hier hatte sich 1000 Töpfe 1964 im Gebäude des ehemaligen Konzerthauses aus dem vorherigen Jahrhundert eingemietet. 1987 zog das Hamburger Warenhaus aus und nun begannen die Auseinandersetzungen um das Gebäude, die bundesweit Schlagzeilen machten.
Anstelle des alten Theaters sollte ein neues Haus gebaut werden, die Neue Flora. Dort plante ein Musicalproduzent tagein tagaus das „Phantom der Oper“ zu zeigen. Ein Teil des Gebäudes wurde abgerissen, Anwohner des Schanzenviertels wehrten sich, besetzen die Reste des Hauses und nannten es „Rote Flora“.
Inwischen wurde und wird die Fassade regelmäßig übergestrichen. Von der 1000 Töpfe Aufschrift ist nichts mehr geblieben. Die Zukunft des Kulturzentrums Rote Flora ist weiterhin ungewiss und die Begehrlichkeiten des Besitzers werden mit steigenden Immobilienpreisen in Hamburg sicher nicht geringer werden.
Das Ende
1000 Töpfe zog um und verkaufte weiter. Gestern meldete die Bild-Zeitung, das Hamburger „Kult-Kaufhaus“ werde schließen. Die Hamburger AnwohnerIni Schanzenviertel twitterte: „1000 Töpfe schliesst! War ja auch ´nen bisschen #Retro -das Konzept“. So geht es dahin, das gelbe Kaufhaus der 1000 Töpfe und mit ihm ein Stück von Hamburg.
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