In der sogenannten „Prügel-Affäre“ des heimischen Bundestagsabgeordneten und Vorsitzenden des NSA-Untersuchungsausschusses Patrick Sensburg scheinen sich neue Dimensionen aufzutun. WELT-Journalist Robin Alexander hat heute in einem sehr langen Beitrag für die WamS mögliche Vernetzungen zu weiteren Skandalfeldern beschrieben.
Alexander thematisiert die „Verbandelung“ von Sensburg mit dem Reservistenverband der Bundeswehr. Patrick Sensburg vertrete den Hochsauerlandkreis im Bundestag und sei Vorsitzender des Untersuchungsausschusses. Das wolle Sensburg auch bleiben, so Alexander, obwohl diesem in einem Obleutegespräch von allen Fraktionen davon abgeraten worden wäre.
Wie kann es sein, dass Sensburg, der in seinem Wahlkreis im Hochsauerland als Vorsitzender kurz und ohne viel Aufhebens entmachtet worden ist (siehe auch hier im Blog), trotzdem Tag für Tag, Woche für Woche in einer bundesweit sehr beachteten und beobachteten Rolle weiter werkelt?
Während die CDU im konservativen Hochsauerlandkreis für „rabiaten“ Umgang mit Frauen kein Verständnis hat und Sensburg als ihren Kreisvorsitzende[n] resolut zum Rücktritt drängte, hält die Berliner Fraktionsführung noch an ihm fest.
Hier, so Alexander, müsse man verstehen, warum Roderich Kiesewetter, Merkels Mann im NSA-Untersuchungsausschuss aus angeblicher Arbeitsüberlastung zurückgetreten wäre. Mitnichten sei Arbeitsbelastung der wahre Grund für den Rücktritt von Kiesewetter gewesen, denn er, der Verteidiger des BND, wäre ausgerechnet vom BND hinters Licht geführt worden. So – und nicht mit Arbeitsbelastung – habe Kiesewetter nach Recherchen der Welt argumentiert, als er Anfang des Jahres der Fraktionsführung seinen Ausstieg aus dem Untersuchungsausschuss angekündigt habe.
Kiesewetters Vertrauen wäre dort gebrochen worden, wo er es am wenigsten erwartet hätte: unter Kameraden. Der Oberst a.D. ist seit 2011 ehrenamtlicher Präsident des Reservistenverbandes.
Wie die Rolle dieses Verbandes in der Bundesrepublik und dazu eine Agentengeschichte zusammenspielen, lese man selber im Artikel nach.
Hier allerdings träfen sich die Affären von Kiesewetter und Sensburg, „sie verheddern sich zu einem bisher unentwirrten Knäuel“, so der Journalist weiter. Denn die beiden Politikern hätten nicht nur im Untersuchungsausschuss zusammengearbeitet. Sie seien auch beide Reservisten.
Sensburg sei Vorsitzender der Reservistenarbeitsgemeinschaft im Bundestag und gelte damit als designierter Nachfolger Kiesewetters als Präsident des Reservistenverbandes.
Diese Nachfolge würde aber nun, da Sensburg desavouiert sei, den Verband gefährden, habe Kiesewetter intern argumentiert. Deshalb könne er nicht als Präsident zurücktreten – was aufgrund der BND-Einmischung eigentlich die logische Konsequenz gewesen wäre. Kiesewetter habe sich mit Blick auf die Zukunft des Verbandes entschieden, den politisch wichtigeren Posten des Obmanns im NSA-Ausschuss zu opfern.
Robin Alexander fragt weiter:
Der „rabiate“ Sensburg taugt nach dieser Logik nicht mehr für den Hochsauerlandkreis und den Reservistenverband, soll aber weiter den NSA-Untersuchungsausschuss leiten? Der untadelige Kiesewetter verlässt hingegen den gleichen Ausschuss, obwohl er sich nicht[s] zu Schulden kommen ließ, und macht als Präsident der Reservisten weiter – mit den Leuten, die ihm ihre BND-Kontakte verschwiegen?
Eine schwindelerregende Geschichte, die man sich wirklich mehrmals durchlesen muss, um die Zusammenhänge annähernd zu erfassen.
BND, NSA-Untersuchungsausschuss, Gewalt gegen Frauen, und dazu der Reservistenverband: ein „bisher unentwirrte[s] Knäuel“.
Warum aber hält sich die Opposition so dezent zurück? Diese Frage versucht Angelika Hellemann in einem kurzen, aber saftigen BILD-Kommentar zu beantworten:
Die SPD, die sonst so gern Gewalt gegen Frauen anprangere, schweige. Denn sie hätte im Edathy-Untersuchungsausschuss ein noch größeres Problem:
SPD-Mann Hartmann soll seinen Genossen Edathy vor den Kinderpornografie-Ermittlungen gegen ihn gewarnt haben.
Die Große Koalition nutze ihre erdrückende Mehrheit, um sich gegenseitig zu schützen. Sie setze, so Hellemann, „die Regeln der parlamentarischen Hygiene außer Kraft“.
Prügel, Porno und Geheimdienste – gehört das wirklich alles zusammen? Ich will es nicht glauben, es wäre ein Abgrund, aber die Indizien, die die Welt heute präsentiert, sind stark.