Subventionspolitik beenden: Kleine Bauernhöfe durch Änderung der EU-Förderpolitik vom Intensivierungszwang befreien und gleichzeitig Artenrückgang stoppen

Ökolandbau massiv ausweiten – Strenge Naturschutzauflagen für größere Betriebe

Wollen wir eine naturnahe, kleinteilige Landwirtschaft, die gesunde Nahrungsmittel liefert, die Artenvielfalt erhält und das Klima schützt; oder wollen wir tatenlos zusehen, wie sich umwelt-, Tierschutz- und lebensfeindliche Agrarwüsten weiter ausbreiten? Zudem nutzen außerlandwirtschaftliche Großbetriebe Böden zunehmend als lukratives Anlageobjekt. (Foto: Knoppik)

Über das Vorhaben der drei Koalitionäre aus SPD, Grünen und FDP, die Subventionen für Agrardiesel ersatzlos zu streichen (An der Kfz-Steuerbefreiung soll ja festgehalten werden) gerät völlig in Vergessenheit, daß die Bauern von der Politik jahrzehntelang zu sehr verwöhnt und gehätschelt wurden. Es flossen wie selbstverständlich Milliarden-Subventionen aus Berlin und Brüssel. Und von diesem finanziellen Segen profitieren bis heute in erster Linie große Agrarbetriebe.

Je mehr Fläche und Viehbestände, desto üppiger fallen die von der EU gewährten Direktzahlungen aus, ohne daß eine zunehmend auf Wachstum getrimmte, industriell strukturierte Agrarwirtschaft jemals zu nennenswerten Gegenleistungen verpflichtet wurde, nämlich Biodiversität (Artenvielfalt und deren Lebensräume) zu schützen und zu fördern, die Kulturlandschaft zu erhalten und Klimaschutz zu betreiben.

Feldhamster: Bestände in seinem eurasischen Gesamtverbreitungsgebiet stark rückläufig. Seit 2020 von der IUCN als vom Aussterben bedroht eingestuft. Urspünglich in den Steppen Osteuropas beheimatet. (Foto:  Archiv Nationalparkverwaltung Berchtesgaden)

So genannte Agrarholdings kassieren Millionen Euro, während Kleinbauern vergleichsweise leer ausgehen. Sie gucken in die Röhre, bleiben auf der Strecke. Diese fatale Entwicklung hält bis heute unvermindert an. So mußten seit Anfang der 60er Jahre hunderttausende Höfe aufgeben. Die jahrzehntelang verfochtene Landwirtschafspolitik nach der Devise „Wachse oder Weiche“ haben sämtliche Bundesregierungen zu verantworten, insbesondere die C-Parteien, die sich jetzt so demonstrativ auf die Seite der Bauern stellen, sich ihnen anbiedern. Das ist pure Heuchelei.

Symbolfoto für große Ackerflächen: Landwirtschaft in Tschechien – umgepflügtes Getreidefeld (Quelle: wikimedia)

Im Grunde geht es bei den wütenden Protesten auch gar nicht primär um die Sache, sondern in Wirklichkeit um den Sturz der ungeliebten „Ampel“, könnte man glauben, woran letztere natürlich zu einem wesentlichen Teil selbst schuld ist.

Die gesamte Agrar- Förderpolitik der Europäischen Union (EU) ist auf Überproduktion ausgerichtet. Sie dient allein dem Export, kommt also nicht dem heimischen Markt zugute, da weitaus mehr produziert wird als der Markt aufnehmen kann.

Dem ganz überwiegenden Teil der Landwirte, die in den letzten Wochen lautstark gegen Subventionskürzungen protestierten, geht es nicht so schlecht, daß sie den Wegfall der Dieselsteuerbefreiung nicht verkraften könnten. Im Gegenteil: Sie haben im vergangenen Jahr lt. Medienberichten sogar 40 % Gewinne eingefahren. Zuviel Mitleid, – und das auch noch an der falschen Stelle -, ist unangebracht. Es gilt nämlich zu differenzieren zwischen den Bauern, die am lautesten schreien, um dann recht zu bekommen, und denen, die sich z. B. regelmäßig an der in Berlin stattfindenden Großdemonstration „Wir haben es satt“ beteiligen, einem Bündnis aus Umweltorganisationen, wie dem BUND, dem NABU, Campact, Deutscher Umwelthilfe, Kleinbauern, vereint unter dem Dach der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), natürlich Ökoanbauverbänden bzw. Ökolandwirten Imkern, Verbraucherschutzverbänden etc.. Diese Demonstration findet immer zeitgleich mit der „Grünen Woche“ statt, seit 2011 jährlich.

Rebhuhn: Eines der Opfer von Technisierung und Intensivierung der „modernen“ Landwirtschaft. Bewohnt Hecken und Feldraine mit Brachflächen – Bestände von 1980 – 2016 um 94 % geschrumpft! (Foto:  Archiv Nationalparkverwaltung Berchtesgaden)

Es ist geradezu absurd, den Verbrauch endlicher Ressourcen aus Steuertöpfen zu verbilligen. Das ist klimapolitisch kontraproduktiv und bleibt eine ökologisch schädliche Subvention. Am ehesten sind noch Milchbauern von dem Wegfall der Dieselsteuerbefreiung betroffen, die oft weite Wege zurücklegen müssen, um Futter für ihre Tiere heranzuschaffen.

Der Bundesrechnungshof kommt auf Mehreinnahmen von 1 Mrd. Euro, wenn man die Steuerbefreiung für den günstigeren Agrar-Diesel aufhebt und die Kfz-Steuer wieder einführt.

Interessant und beachtenswert ist aber folgender Vergleich: Der Wegfall des Dienstwagenprivilegs würde viel stärker zu Buche schlagen als der Agrardiesel. Dadurch entgehen dem Staat weitaus mehr Einnahmen, nämlich 5,5 Mrd. Euro, eine umwelt- und klimaschädliche Subvention, an die sich allerdings niemand herantraut, weil von der Aufhebung besonders die Klientel der FDP betroffen wäre.

Die dunkle Kehrseite des subventionsgestützten Agrarsystems, von dem in erster Linie größere landwirtschaftliche Anwesen profitieren, ist die Ökologische, nämlich eine dramatische Biodiversitätskrise: Stellvertretend für zahlreiche extrem gefährdete oder vom Aussterben bedrohte Tierarten in der Feld und Flur seien hier genannt: Feldhamster, Ringelnatter, Rebhuhn, Wachtel, Goldammer, Feldlerche, Kiebitz, Rauchschwalbe u.v.a. Einige Arten sind bereits gänzlich ausgestorben. Dazu gibt es einen erschreckenden Rückgang unter den Insektenarten, und zwar in manchen Regionen um bis zu 75 %!

Rauchschwalbe: Wird in Niedersachsen und Bremen in der Vornwarnliste der bestandsgefährdeten Arten geführt. Leidet unter der Uniformierung der Dörfer, Modernisierung der Höfe und  Versiegelung der Landschaft (Asphaltierung von Feldwegen, Nistplatz und Nahrungsverlust durch Insektensterben)   (Foto: Bernhard Rauch – mit freundlicher Genehmigung NP Berchtesgaden)

Helfen da größere Naturschutzgebiete und mehr Wildnis, um den massiven Artenschutz zu stoppen? Die Antwort lautet JA! Sie müssen aber groß genug sein. Und es müssen außerdem mehr Flächen aus der Nutzung genommen und besonders der Ökolandbau viel stärker gefördert werden.

Bis 2030 soll der Anteil der biologischen Landwirtschaft, – geht es nach dem Willen der Koalition -, auf 30 % erhöht werden. Derzeit sieht es allerdings nicht danach aus, als ob dieses Ziel erreicht würde. Dazu sind erhebliche Anstrengungen erforderlich! Biodiversitätsschutz und eine naturnahe, kleinbäuerliche Landwirtschaft lassen sich nicht trennen; es sind zwei Seiten ein- und derselben Medaille. Wie schlecht es um den Naturschutz innerhalb der EU bestellt ist, zeigt nachfolgende Auflistung über den Anteil der Naturschutzgebiete in den einzelnen Staaten.

Naturschutzflächen in der EU: Dänemark: 0,2 %, Belgien 0,1 %, Luxembourg 36,3 %, Schweden 10,1 %, Finnland 9,6 %, Lettland 5,7 %, Italien 5,1 %, Griechenland 0,7 %, Polen 0,6 %, Deutschland 0,6 %. Nur 3,37 % zusammengerechnet sind in der EU bis heute geschützt.

Die Erhaltung der biologischen Vielfalt ist nicht nur Grundvoraussetzung für wirksamen Klimaschutz. Ohne sie gibt es – wie gesagt – auch keine nachhaltige und krisenfeste Landwirtschaft. Der Klimawandel setzt dem Wirtschaften auf Chemie-Basis zunehmend enge Grenzen. Eine massenhafte Ausbringung von Kunstdüngern (z. B. leicht lösliche Nitrate), Pestiziden, Herbiziden und Fungiziden, schädigt die natürlichen Kreisläufe im Boden, gefährdet das Trinkwasser, ruiniert Klima und Artenvielfalt! Doch statt die umweltzerstörerische Intensivlandwirtschaft auch nur in Frage zu stellen, wehren sich konventionelle Bauern nach wie vor gegen die ihrer Meinung nach überzogenen Naturschutzauflagen und Einschränkungen bei der Bewirtschaftung der Felder.

Die Bauernlobby in Brüssel und Berlin hat außerdem durchgesetzt, daß der Einsatz des „Unkraut“-Vernichtungsmittels Glyphosat künftig erlaubt bleibt. Das befürworten übrigens auch die Freien Demokraten in Berlin. Weiterhin sprechen sich die Liberalen für die Anwendung der heftig umstrittenen neuen Gentechnik-Verfahren aus (CRISPR/Cas) über deren Zulassung von der EU-Komission noch entschieden wird. Es geht darum, ob auch in Zukunft eine gentechnikfreie Saatgutarbeit und Lebensmittelerzeugung – konventionell und ökologisch – möglich sein wird. Die derzeitige Regelung, daß auch neue Gentechnik-Verfahren Gentechnik sind und nach EU-Gentechnikrecht reguliert werden müssen, droht abgeschafft zu werden. Dann wären Produkte, die mittels neuer Gentechnik erzeugt worden sind, nicht mehr erkennbar. Sie würden ungeprüft und völlig unkontrollierbar in unser Saatgut, unser Essen und unsere Umwelt gelangen. Es gäbe keine Kennzeichnungspflicht und keine Rückverfolgbarkeit mehr. Diese würde besonders die Biobauern an ihrem Lebensnerv treffen und könnte ihnen ihre Existenz kosten!

Lt. mehrerer TV- Umfragen stoßen die Bauernproteste bei 70 Prozent der Bürgerinnen und Bürger auf Zustimmung. Der Rückhalt, die Solidarität mit den Bauern ist also enorm. Allerdings währt diese Solidarität immer nur so lange, wie man bereit bzw. nicht bereit ist, den Landwirten für ihre Produkte einen höheren, sprich fairen Preis zu bezahlen. Die breite Unterstützung innerhalb der Bevölkerung für die Bauern hat natürlich auch damit zu tun, daß mit dieser mächtigen Berufsgruppe endlich jemand aufsteht, um gegen die verhaßte Dreierkoalition aus SPD, Grünen und FDP Front zu machen.

Wenn die Protestaktionen der Bauern einen Sinn ergeben sollen, muß es um viel mehr gehen als um das Für und Wider der Agrardieselbesteuerung, nämlich um die Frage: Wie soll die Landwirtschaft der Zukunft aussehen? Die Antwort kann nur lauten:

Der alternative Landbau als zentrale Säule einer innovativen, ökologisch vielfältigen, ressourcenschonenden, sowie Bauern- und verbraucherfreundlichen Landwirtschaft muß weitaus stärker vorangetrieben werden als bislang, so daß das Ziel 30 % Ökolandbau bis 2030 doch noch erreicht wird.

Kleinere Höfe massiv unterstützen, Subventionen zu diesem Zweck umschichten und die Förderung generell an Maßnahmen zur Erhaltung der Biodiversität knüpfen: So heißt das Gebot der Stunde! Kleinteilige bäuerliche Betriebe mit angepassten Nutztierbeständen wirtschaften schonend, können also die Auflagen viel leichter erfüllen. Ferner müssen starke Anreize zur Umstellung auf biologische Landwirtschaft gesetzt werden (Direktvermarktung in Hofläden und auf Wochenmärkten).

Es ist nicht hinnehmbar und widerspricht jeglicher Vernunft, daß Bauern, die Nutznießer der landwirtschaftlichen EU-Förderpolitik sind und zu den größten Subventionsempfängern zählen, an die 9 Mrd. aus Steuermitteln bekommen und sich zugleich mit Händen und Füßen gegen mehr Naturschutzauflagen wehren. Und wenn man überhaupt tätig wird, dann läßt man sich diese ökologischen Ausgleichsmaßnahmen von der Allgemeinheit honorieren, z. B. so genannte Blühstreifenprogramme u.a. Ausgleichsmaßnahmen, welche jedoch nur eine Alibifunktion haben und für die biologische Vielfalt kaum etwas bringen. Diese Landwirte brauchen sich nicht darüber zu wundern, daß sie ein so schlechtes Image haben.

Karl Josef Knoppik, 01. Februar 2024

Ein Gedanke zu „Subventionspolitik beenden: Kleine Bauernhöfe durch Änderung der EU-Förderpolitik vom Intensivierungszwang befreien und gleichzeitig Artenrückgang stoppen“

  1. Zu der ganzen Diskussion um die Landwirtschaft habe ich zwei interessante Beiträge gefunden und in der Umleitung verlinkt.

    Grüne Schale und brauner Kern: Rechte Ökolog*innen, natürliches Heilwissen und völkisch-esoterische Siedler*innen … farn

    Bauernidol Anthony Lee: Nationalismus, Migrationspolitik, kein Geld für Entwicklungshilfe – Landwirtschaft und Mittelstand sollen eine rechte Umsturzwelle auslösen, dafür sorgen nicht nur Querdenker. Freie Wähler-Newcomer Anthony Lee spricht bei Kundgebung von „Land schafft Verbindung Sachsen “ von „passiver Gewalt“ … endstationrechts

    Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Grünen zu Beginn viele „Braune“ in ihren Reihen hatten. Was die heutigen Grünen betrifft, denke ich, dass es zwar ok ist in der politischen Aushandlung von Politik Kompromisse einzugehen, aber nicht ok ist es, seinen Markenkern zu zerstören.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert