Podiumsdiskussion zur Gesamtschule im HSK. Viele Informationen und hohes Diskussionsniveau, aber geringes Elterninteresse.

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Kenntnisreiches Podiumsbesetzung bei der Veranstaltung der SBL/ MbZ zur Gesamtschule (foto: Johanna)

Der Hochsauerlandkreis ist der letzte Kreis in Nordrhein-Westfalen ohne Gesamtschule. Ein Mangel? Die CDU-Fraktion im Mescheder Kreistag sieht es als Erfolg. Diese Begeisterung teilt jedoch nicht jeder.

Daher lud die Sauerländer Bürgerliste (SBL) und die Fraktion „Meschede braucht Zukunft“ (MbZ) am vergangenen Mittwoch zu einer Podiumsdiskussion in den großen Kreistagssaal in Meschede ein. Thema: GESAMTSCHULE im HSK? Information, Diskussion, Fragen und Antworten

Es kamen rund 35 ZuhörerInnen, Mitglieder des Jugendparlaments Meschede, LehrerInnen, politisch Aktive und interessierte BürgerInnen aus dem Hochsauerlandkreis. Ob betroffene Eltern unter den Zuhörern waren, ließ sich nicht ausmachen.

Das Podium war sehr kompetent besetzt. Zunächst stellte Kerstin Haferkemper, Lehrerin an der Hannah-Ahrendt Gesamtschule Soest, die Schulorganisation und die pädagogische Arbeit in groben Zügen vor. Sie betonte, dass an ihrer Schule das Kind im Mittelpunkt stehe. Eine heterogene Schülerschaft sei gewollt. Die Schule biete einen rhythmisierten Ganztag, Mittagspausen von 45 Minuten für alle Schüler, Förderkonzepte, ein AG-Angebot am Nachmittag und offene Angebote in der Mittagspause. Die Schüler würden nicht nur fachlich gefördert, sondern auch methodisch, sie sollten soziale Fähigkeiten erlernen und ihr Lernen selber organisieren. Daher gebe es Wochenplanarbeit, Sozialräte und Klassenräte.

Als Vertreter der Elternpflegschaft der Soester Gesamtschule betonte Herr Michel, dass es eine gute Einbeziehung der Eltern an der Hannah-Arndt Schule gebe.

Dr. Michael Fink, Mitglied der Gemeinnützigen Gesellschaft Gesamtschule NRW e.V., wies darauf hin, dass an den neu geschaffenen Sekundarschulen Kinder mit Haupt- und Realschulempfehlung aufgenommen würden. An den Gesamtschulen hingegen meldeten Eltern auch Kinder mit Gymnasialempfehlung an. Gesamtschüler hätten 13 Jahre Zeit bis zum Abitur und 70% der SchülerInnen, die an der Gesamtschule das Abitur schafften, hätten nach der 4. Klasse keine Gymnasialempfehlung gehabt.

Von den beiden anwesenden ehemaligen Schülerinnen der auf der Veranstaltung sehr engagiert und kompetent vertretenen Soester Schule wurde in diesem Zusammenhang folgende Tatsache hervorgehoben:

Gesamtschüler schreiben dieselben Abiturarbeiten wie Gymnasiasten. In NRW gibt es ein Zentralabitur und das ist für beide Schulformen identisch. Die Abiturprüfung an einer Gesamtschule ist somit genauso schwierig wie an einem Gymnasium.

Volker Esch-Alsen, Sozialdemokrat und stellvertretender Schulleiter, erläuterte, dass in Soest die Anmeldungszahlen die Kapazitäten der Schule deutlich übersteigen würden. Das bedeute leider, dass viele Schüler abgewiesen werden müssten.

Eine neue gegründete Gesamtschule müsse sich ihren guten Ruf allerdings erst erkämpfen. Herr Esch-Alsen bedauerte zudem, dass es in der Diskussion um die Schulform häufig nicht um Pädagogik gehe. So bezeichnete er die Sekundarschule als Kopfgeburt und die Ablehnung dieser Schulform in Arnsberg hätte gezeigt, dass Eltern verstünden, dass es sich hierbei lediglich um die Zusammenlegung von Haupt- und Realschule handele. Die Gesamtschule hingegen verfüge über eine gymnasiale Oberstufe und biete somit alle Abschlüsse bis zum Abitur.

Reinhard Loos von der SBL betonte, dass nach dem Schulgesetz der Kreis in der Pflicht sei und dieser die Verantwortung nicht einfach an die Kommunen weitergeben könne. Er veranschaulichte die Auswirkungen des demographischen Wandels auf die Schülerzahlen im HSK. Schon jetzt wanderten Schüler ab. Zahlreiche Briloner Schüler besuchten z.Z. die Mittelpunktschule in Willingen. In der Altersgruppe der 19-25 Jährigen verliere der HSK jährlich rund 500 Personen. Loos ließ die Frage offen, ob dies vielleicht auch an der fehlenden Pluralität des Schulsystems liege.

Am Schluss der angeregten Diskussion ging es um die Frage, wie eine Gesamtschule politisch durchgesetzt werden könne. Meschede sei in der glücklichen Situation, dass es bereits einen Ratsbeschluss für eine Elternbefragung gebe, erklärte Herr Fink. Nun komme es auf den richtigen Stimmzettel an: Es gebe einen, auf dem lediglich die Sekundarschule stehe. Die zweite Option sehe vor, dass Eltern für eine integrierte Schulform stimmen können und dann die Wahl zwischen Sekundarschule und Gesamtschule haben. Möglichst viele Eltern sollten beteiligt werden, damit das Ergebnis tatsächlich repräsentativ sei.

Moderatorin Christa Hudyma, Ratsmitglied der FW in Medebach, hob die Bedeutung des Elternengagements hervor. Hier wurde sie von Herrn Michel unterstützt. Zur Beurteilung einer Schule sollten Eltern von der Schulleitung den Bericht der Qualitätsanalyse einfordern und sich hier insbesondere den Berichtsteil zum Thema Unterricht ansehen. Wenn der Schulleiter diesen Bericht nicht zeigen wolle, sei dies bereits ein Hinweis.

Die im Saal Anwesenden waren sich weitgehend einig, dass dem Hochsauerlandkreis eine Gesamtschule als weitere Schulform fehle. Sie solle nicht die vorhandenen Gymnasien ersetzen oder gar zu einer Einheitsschule führen. Ein weiter Schulform würde die Vielfalt vergrößern und somit Eltern und Schülern mehr Möglichkeiten bieten.

Ob die Gründung einer Gesamtschule im Hochsauerlandkreis politisch durchsetzbar ist, wird sich demnächst zeigen. Das fehlende Interesse von Elternseite war jedoch kein positiver Indikator.

7 Gedanken zu „Podiumsdiskussion zur Gesamtschule im HSK. Viele Informationen und hohes Diskussionsniveau, aber geringes Elterninteresse.“

  1. Mein Eindruck ist inzwischen, dass die Gesamtschule systematisch und erfolgreich schlecht geredet wurde, was zumindest in den Regionen erfolgreich war/ist, in denen es keine solche Einrichtung gibt. Daher vielleicht auch das geringe Elterninteresse. Ich habe mich kürzlich über zwei Dortmunder Gesamtschulen informiert: die Gesamtschule Scharnhorst (älteste in Dortmund) und die Gesamtschule Gartenstadt. Mich hat allein das Fächerangebot beeindruckt. In beiden kann man einen musischen Schwerpunkt wählen – die Gesamtschule Gartenstadt hat sogar drei Schulorchester (A und B sowie ein Percussionensemble). Natürlich kann ich über die Lehrer, die Qualität des Unterrichts etc. nichts sagen, und die Schulpolitik ist dort natürlich dieselbe mit allen Problemen, aber immerhin haben die Schüler 9 Jahre Zeit bis zum Abi – allein das ist schon ein riesiger Vorteil.

  2. Man glaubt es ja kaum: Der Hallenberger Bürgermeister äußert sich laut DerWesten zu den sinkenden Schülerzahlen an der Verbundschule Hallenberg-Medebach wie folgt:

    „Da die verbindliche Schulempfehlung der Grundschulen weggefallen ist,melden viele Eltern ihre Kinder zunächst am Gymnasium an, um einfach auszuprobieren, ob es klappt. Diese Schüler fehlen uns dann halt an der Verbundschule“, sagt Hallenbergs Bürgermeister Michael Kronauge, der aber schon darauf hofft, dass die Zahlen wieder besser werden, vielleicht der ein oder andere Schüler vom Gymnasium zurückkommt und sich die Eltern ganz bewusst für die heimische Verbundschule entscheiden.
    http://www.derwesten.de/staedte/nachrichten-aus-winterberg-medebach-und-hallenberg/schuelerzahlen-machen-nur-bedingt-sorgen-id6760057.html

    Ist das sein Ernst, will der Hallenberger Bürgermeister, dass Schüler am Gymnasium scheitern, damit er seine Verbundschule erhalten kann? Oder?

  3. Wenn sich Winterberg, Hallenberg und Medebach dazu entschließen würden, gemeinsam eine Gesamtschule zu gründen, müßte es das Problem der abwandernden Schüler nicht geben: An dieser Schule könnten alle Schüler und Schülerinnen alle Abschlüsse erhalten!

    1. @Reinhard: In seiner Haushaltsrede erwähnt der Fraktionsvorsitzende der SPD im Rat der Stadt Winterberg in einem Satz die Möglichkeit zur Errichtung einer Gesamtschule in Winterberg. Zitat letzter Satz:

      “ … es ist unsere Pflicht unseren Kindern bestmögliche Entwicklungschancen zu bieten und optimale Lernmöglichkeiten zu schaffen. Auch in diesem Jahr stehen rund 1,6 Millionen € im Haushaltsentwurf, die für Schulen und Bildung und die notwendigen Fahrtkosten vorgesehen sind. Es war richtig den Schulzweckverband des Gymnasiums zu gründen und der Verbundschule einen Realschulzweig anzugliedern. Alle Winterberger Kinder finden jetzt innerhalb unserer Stadt eine Schule, an der sie entsprechend ihren Neigungen und Fähigkeiten lernen können.
      Ob diese Angebot einer Verbundschule auf Dauer bestehen kann, bleibt abzuwarten. Aber wir müssen alles tun um ein ansprechendes Schulangebot in unserer Stadt zu halten. Vielleicht sollten wir in Zukunft aber auch einmal über eine Gesamtschule nachdenken.“

      Schulexperte Schober, den ich auf einer Veranstaltung der Stadt Olsberg, damals zur Errichtung einer Gemeinschaftsschule, gesehen und gehört habe, bemerkte singemäß auf eben dieser Veranstaltung, dass das Gymnasium Winterberg wegen der fehlenden Realschule schon gewissermaßen eine „Gesamtschulschülerschaft“ habe.

    2. @Reinhard:

      Aus der Haushaltsrede 2012 von Harald Koch, Fraktionsvorsitzender der SPD im Rat der Stadt Winterberg, insbersondere der letzte Satz:

      “ … es ist unsere Pflicht unseren Kindern bestmögliche Entwicklungschancen zu bieten und optimale Lernmöglichkeiten zu schaffen. Auch in diesem Jahr stehen rund 1,6 Millionen € im Haushaltsentwurf, die für Schulen und Bildung und die notwendigen Fahrtkosten vorgesehen sind. Es war richtig den Schulzweckverband des Gymnasiums zu gründen und der Verbundschule einen Realschulzweig anzugliedern. Alle Winterberger Kinder finden jetzt innerhalb unserer Stadt eine Schule, an der sie entsprechend ihren Neigungen und Fähigkeiten lernen können.
      Ob diese Angebot einer Verbundschule auf Dauer bestehen kann, bleibt abzuwarten. Aber wir müssen alles tun um ein ansprechendes Schulangebot in unserer Stadt zu halten. Vielleicht sollten wir in Zukunft aber auch einmal über eine Gesamtschule nachdenken.“

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