Hannover, Linden, Hannah Arendt und ein Falschzitat

Das Geburtshaus von Hannah Arendt, Lindener Marktplatz Nr. 2. (foto: zoom)

Ehrlich gesagt hatte ich mich bis heute nicht mit der Tatsache, dass Hannah Arendt am 14. Oktober 1906 in Linden geboren wurde, befasst.

Eher zufällig bin ich auf der anderen Seite der Leine über den Hannah-Arendt-Platz gestolpert.

Straßenschild am Hannah-Arendt-Platz in Hannover (foto: zoom)

Und da stand es: „in Hannover-Linden geboren[…]“. Linden gehört zwar erst seit 1920 zu Hannover, aber so genau hätte es nicht aufs Schild gepasst.

Neugierig habe ich mich auf die Suche gemacht und ziemlich leicht das Geburtshaus am Lindener Marktplatz gefunden.

Dort gibt es zwei Hinweise auf Hannah Arendt am bzw. um das Gebäude. Einmal eine sogenannte Stadttafel. Sie wurde am 4. Dezember 2015, Arendts 40. Todestag, gemeinsam von Oberbürgermeister Stefan Schostok mit dem damaligen Jugend- und Sozialdezernenten Thomas Walter enthüllt [1].

Die Tafel ist auf dem Bild oben links neben den Markisen unter dem Apotheken-A zu erkennen. Noch weiter unten links findet man die Hausnummer „2“ links an der Tür über den Klingeln.

Die Stadttafel heute (foto: zoom)

Der zweite Hinweis auf Hannah Arendt ist ein Fassaden-Portrait, das man durch einen Seiteneingang von der Falkenstraße aus erreichen könnte, wenn die Tür nicht verschlossen wäre. So musste ich durch die schmutzigen Türscheiben fotografieren.

Das Wandbild ist gelungen, der Spruch problematisch (foto: zoom)

Auf seiner Website schildert der Hannoveraner Grafitti- Künstler BeNeR1 die Entstehungsgeschichte[2]:

„Es gibt einen Seiteneingang von der Falkenstraße aus, der auf einen Hinterhof führt. Diesen wollte die Eigentümergemeinschaft schon lange verschönern. Nach einigen Treffen und vielen Entwurfsvorschlägen stand das endgültige Motiv dann fest und ich machte mich an die Umsetzung.

Im Tunnel malte ich regionale Motive aus Linden, unter anderem den Nachtwächterbrunnen auf dem Marktplatz, den Lichtenbergplatz und das Haus selbst nach einem historischen Foto aus den 20er-Jahren. Diese kleineren Gemälde enstanden in Mischtechnik, dass heißt mit Sprühdose, Airbrush-Pistole und sogar Acrylfarbe.

Das große Portrait von Hannah Arendt im Innenhof entstand gemeinsam mit meinem Atelier-Partner Kevin Lasner von KOarts ausschließlich mit Sprühdosen. Neben das Bildnis malten wir ein bekanntes Zitat von Hannah Arendt:

„Niemand hat das Recht zu gehorchen.“

Leider ist das Zitat ein weit verbreitetes Falschzitat[3]. Es liest sich wieder einmal zu schön, um wahr zu sein.

Die ganze Erklärung lest bitte im Blog „Zitatforschung„. Hier ein Ausschnitt:

„Niemand hat das Recht zu gehorchen.“ Hannah Arendt (angeblich)

„Dieses entstellte Zitat stammt aus einem Radio-Gespräch Hannah Arendts mit Joachim Fest aus dem Jahr 1964 und ist ein Falschzitat, weil ein entscheidendes Wort fehlt.“

Richtig wäre: „Kein Mensch hat das Recht zu gehorchen bei Kant.“

„In dem Interview geht es unter anderem um die Dummheit des sonst intelligenten Adolf Eichmann, wenn er behauptet, er habe sein Leben lang die Moralvorschriften Immanuel Kants befolgt, Kants Pflichtbegriff zu seiner Richtschnur gemacht und aus Pflicht den Befehlen seiner Vorgesetzten gehorcht.“[3]

Hierbei belasse ich es zunächst. Stadtspaziergänge sind anstrengender als Landradtouren (siehe gestern).

Gute Nacht!

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[1] https://www.hannover.de/Wirtschaft-Wissenschaft/Wissenschaft/Initiative-Wissenschaft-Hannover/HANNAH-ARENDT-TAGE/Hannah-Arendt-in-Hannover/Hannah-Arendt-Stadttafel

[2] http://www.bener1.de/fassadengestaltung-geburtshaus-hannah-arendt/

[3] https://falschzitate.blogspot.com/2017/07/niemand-hat-das-recht-zu-gehorchen.html