„Ich erwarte nicht, dass Sie zu Klimaaktivisten werden, aber…“
Am vergangenen Donnerstag eröffnete der Hallenberger Bürgermeister Enrico Eppner die neue Jahreskunstausstellung im Rathaus Hallenberg: A Change In The Weather, Siebdrucke, Radierungen und Lentikulardrucke – eine Auseinandersetzung der in London lebenden international renommierten Künstlerin Michèle Noach mit den krisenhaften Auswirkungen des Klimawandels.
Die Ausstellung markiere gleichzeitig den Beginn des Klimajahres in Hallenberg, so Enrico Eppner in seiner Begrüßung. A Change In The Weather sei Teil eines umfangreichen Programms, das Ausstellungen, Veranstaltungen und Filmvorführungen zum Thema Klimawandel umfasse.
Michèle Noach sei seit über zwanzig Jahren in der Arktis unterwegs und beobachte dort die Auswirkungen des Klimawandels. In den Bildern sei ihre Seele eingefangen.
Die Künstlerin selbst schilderte ihre ersten Erfahrungen von 2004 auf einer Expedition nach Svalbard mit der wissenschaftlich-künstlerischen Umweltorganisation Cape Farewell. Auf einem niederländischen Schoner von 1909 segelte sie so weit nach Norden wie möglich. Auch in den folgenden Jahren habe sie an vielen wissenschaftlichen Expeditionen teilgenommen.
Nachts segelten sie und legten Strecke zurück, tagsüber waren die Wissenschaftler*innen auf dem Eis und vermaßen mit ihren Instrumenten die physikalische Welt der Arktis. Und Michèle Noach? „I felt like a fraud“, unter all den wissenschaftlich arbeitenden Menschen hätte sie sich zuerst wie eine nutzlose Schwindlerin gefühlt.
Ihr sei nichts anderes geblieben als die Szenerie und Atmosphäre wie ein Schwamm aufzusaugen und schließlich zu merken: „How I felt was a legitimate way to measure“, Gefühle waren ebenfalls ein legitimes Mittel der Vermessung.
Die Wissenschaftler*innen seien zunehmend frustriert gewesen: „Wir haben alle Daten und sehen, dass der Klimawandel seit den 70er Jahren immer schlimmer geworden ist, aber niemand interessiert sich.“
An diesem Punkt setzte Michèle Noach an: „I could say how I felt. I started to produce work that dealt with people’s experience. (Ich konnte sagen, was ich fühlte. Ich begann, Arbeiten zu schaffen, die sich mit den Erfahrungen der Menschen befassten.)“
Through The Ice, Darkly heißt eines von Michèle Noachs Projekten, von dem hier vier Bilder zu sehen sind.
Um ihre Arbeiten zu erstellen hat die Künstlerin mehrere Jahre lang Gletscher der arktischen Region beobachtet.
Sie hat bestimmte norwegische Gletscher, die auf über 100 Jahre alten Postkarten abgebildet sind (links), vom ursprünglichen Aussichtspunkt erneut fotografiert (rechts).
Alle Gletscher hatten sich zurückgezogen und trostlose, felsige Täler freigelegt.
Michèle Noach hat nun die Figuren von den alten Postkarten genommen und sie in die heute gespenstisch entblößte Landschaft platziert.
Through the Ice, Darkly wurde auch schon in Großbritannien, den USA, China, Japan, Spanien, Österreich und Italien ausgestellt.
Die Gletscherbilder sind auf der Website der Künstlerin wesentlich eindrucksvoller und detailierter als auf meinen Fotografien zu sehen: https://michelenoach.com/what/index.php
Michèle Noach nahm Kontakt („I started hanging out with the elder peolple“) mit den älteren Menschen aus dem Volk der Samen auf und befasste sich mit deren Lebenswelt.
Durch die Veränderungen der Landschaft, so Michèle Noach, können sie häufig die alten Bilder und Wege nicht mehr entschlüsseln („They no longer could read the ice“). Hunde verlaufen sich und gehen verloren. Zum ersten Mal in ihrer Geschichte müssen die Samen ansonsten gesunde Rentiere erschießen, weil diese sich auf der Suche nach Nahrung unter dem Eis die Zähne zerstören und damit nicht mehr überlebensfähig sind. Die Winternächte ohne Schnee sind bedrückend dunkel.
Die Künsterin weist am Abend in Hallenberg auf die globalen Dimensionen der Klimakrise hin. Feuer in Portugal, Hitzerekorde in Portland und London, Dürren und Überschwemmungen: „It’s happening. You can deny it, but it’s there.“
„I don’t expect people to become activists, but to care, because you get a feeling. Enjoy my work. You don’t need me.“
Die Ausstellung kann während der Öffnungszeiten des Rathauses besucht werden.
- Montag bis Freitag: 08.30 bis 12.00 Uhr
- Montag: 14.00 bis 17.30 Uhr
- Dienstag bis Donnerstag: 14.00 bis 15.30 Uhr