Über die sauerländische Nationalsozialistin Josefa Berens-Totenohl

Ein neuer Sammelband erschließt Forschungen eines halben Jahrhunderts

Buchumschlag: Der neue Sammelband „Über Josefa Berens-Totenohl“

Auf diesem Blog wurde vor einigen Wochen ein Forschungsprojekt zu dem aus (Meschede-)Eversberg stammenden Priester Dr. Lorenz Pieper (1875-1951) vorgestellt. Er trat schon 1922 der NSDAP bei, wurde 1923 Mitarbeiter Adolf Hitlers und hielt von München aus zahlreiche Propagandavorträge in Süddeutschland. Kein anderer römisch-katholischer Kleriker hat so früh ein Parteibuch der Nationalsozialisten erhalten wie dieser Sauerländer.

(Ein Gastbeitrag von Peter Bürger)

Schon seit den frühen 1920er Jahren war Lorenz Pieper befreundet mit der Lehrerin und Malerin Josefa Berens, die aus (Meschede-)Grevenstein stammte und nach eigenem Bekunden bereits 1918 oder 1920 aus der Kirche ausgetreten ist. Der braune Priester hat auch diese Künstlerin wie andere Sauerländer früh dem Nationalsozialismus zugeführt, was das Westfälisches Volksblatt (Paderborn) später am 27.01.1936 ausdrücklich rühmen wird.

Josefa Berens beantragte 1931 von Spanien aus eine Mitgliedschaft in der NSDAP und erhielt am 1. Januar 1932 die Parteinummer 831978. Nach 1933 erfolgte bald ein Umstieg auf den Schriftstellerberuf; zu den Lesebögen für die Umschaltung des schulischen Unterrichts steuerte die Sauerländerin im Anschluss an die „Machtergreifung“ ihrer Partei ein antisemitisches Hetz-Märchen bei. Den 1935 erstmals vergebenen „Westfälischen Literaturpreis“ erhielt J. Berens-Totenohl als Verfasserin eines Bestsellerromans, dessen erster Teil „Der Femhof“ von 1934 bis 1961 insgesamt eine Druckauflage von 280.000 Exemplaren erzielen konnte.

Das Gedenken an die einstmals in ganz Deutschland gelesene Autorin, die mit Propagandatexten und einem quasi religiösen Credo die „Treue zum Führer“ beschwor, hat im Sauerland wie bei wohl keiner anderen Persönlichkeit des öffentlichen Lebens aus der Zeit des „Dritten Reiches“ zu heftigen Kontroversen geführt. Ganze Generationen waren ja mit den „Femhof“-Romanen gleichsam großgeworden und wollten sich das schöne Bild „ihrer Dichterin“ nicht kaputtmachen lassen. Unter solchem Vorzeichen war es schwer, in ruhigem Studium Fakten und seriöse Forschungsarbeiten zu sichten. Wissenschaftliche Erkenntnisse, die in der germanistischen Fachliteratur schon vor über vier Jahrzehnten nachgelesen werden konnten, blieben in den lokalen Heimatdisputen in der Regel unbeachtet.

Kaminrunde im „Femhof“-Haus von Josefa Berens-Totenohl: Über dem Sims als ‚kultisches Zentrum‘ eine Büste von Adolf Hitler (Digitales Fotoarchiv des Christine-Koch-Mundartarchivs am Museum Eslohe)

Ein jetzt in Kooperation mit dem Christine Koch-Mundartarchiv am Museum Eslohe herausgegebener Sammelband „Über Josefa Berens-Totenohl und westfälische Literaturgeschichte“ dokumentiert Beiträge zu „Forschung und Straßennamendebatte 1992-2016“ von Dr. Christian Adam, Prof. Moritz Baßler, Peter Bürger, PD Dr. Karl Ditt, Prof. Rainer S. Elkar, Prof. Walter Gödden, Wolf-Dieter Grün, Prof. Hubertus Halbfas (†), Jürgen Kalitzki, Prof. Uwe-K. Ketelsen, PD Dr. habil. Reinhard Kiefer, Dr. Roswitha Kirsch-Stracke, Dr. Arnold M. Klein, Monika Löcken, Dr. Ortrun Niethammer, Dr. Ulrich F. Opfermann, Elmar Rademacher (†), Friedrich Schroeder und Gisbert Strotdrees.

Kultisches Zentrum im Haus der Dichterin zu Gleierbrück war ein Kaminfeuer, über dem gleichsam als Heiligtum eine Büste von Adolf Hitler prangte. Dies belegen Fotos, die uns 2018 zugesandt worden sind. Alle Versuche, die Sauerländerin Josefa Berens-Totenohl als eine unpolitische „Mitläuferin“ oder von den Nazis nur vereinnahmte Persönlichkeit vorzustellen, erweisen sich im Licht der Tatsachen als unhaltbare Erfindung.

Weitere Forschungen sind durchaus vonnöten, vor allem zum Werdegang von J. Berens in den Jahren der Weimarer Republik und bezogen auf den weiblichen „Emanzipationsweg nach rechts“, der bei ihr zu einer Unterwerfung unter das „Frauenbild“ des Nationalsozialismus führte.


Peter Bürger (Hg.): Über Josefa Berens-Totenohl und westfälische Literaturgeschichte.
Beiträge zu Forschung und Straßennamendebatte 1992-2016.
Norderstedt: BoD 2022 (ISBN: 978-3-7568-0023-0 ; Paperback; 452 Seiten; 17,99 Euro)
Portofreie Bestellung (auch überall im Buchhandel) und Leseprobe (links oben anklicken) über die Verlags-Website:
https://www.bod.de/buchshop/ueber-josefa-berens-totenohl-und-westfaelische-literaturgeschichte-9783756800230