Aktuell aus Mexico City: „Hatschi!“ – Gesundheit? – Nein, Schweinerei – rette sich, wer kann!

Alles ruhig in Mexico City?
Schweinepest: Alles ruhig in Mexico City?

Wenn man in Mexiko lebt und tagein, tagaus Tacos mampft, dann denkt man schon manches Mal an Deutschland und seinen Schweinebraten. Bei Rindfleisch ist einem der Appetit nach BSE schon lange vergangen, und Huhn gilt seit der Vogelgrippe ja auch als keine Delikatesse.

Nun aber ist die Schweinerei passiert und bei uns in Mexiko ausgebrochen. Aber wohl zur Genugtuung der mexikanischen Volksseele ist Mexiko wenigstens zusammen mit den USA die Brutstätte, von wo aus der neuartige Erreger in lateinamerikanische Länder und auch nach Europa übergesprungen ist, wie heute Morgen den laufenden Nachrichtensendungen verschiedener lokaler Radiosender zu entnehmen war.

Die mediale Epidemie, denn im Alltag kennt niemand jemanden der erkrankt wäre (so das Ergebnis meiner kleinen Umfrage), läuft mit wechselnden Schreckenshöhepunkten seit Freitag ab.

Donnerstagnacht hatte das Schulministerium in Absprache mit dem für Gesundheit beschlossen den Unterricht an Schulen und Universitäten bis auf weitere Unterrichtung zu schließen, sodass einige der Lehrerschaft freitagsmorgens ratlos im Lehrerzimmer arbeitslos wie zur seit der Weltwirtschaftskrise 1929 wie Berliner Eckensteher herumlummelten. Arbeitslos und Lehrer und Weltwirtschaftskrise? – So frappierend fragmentiert auf einmal die liebgewordenen Gewohnheiten der kognitiven Verortung seiner selbst im Alltag waren, so naheliegend sind doch die Assoziationen.

Denn einige meinen, infolge der allgemeinen Verunsicherung durch die derzeitige Weltwirtschaftskrise nähme die verunsicherte Masse und die Medien nur allzu gern die Epidemie auf, deren Konturen naturgemäß so unscharf sind, wie der Versuch globaler Beschreibungen des konjunkturellen Verlaufs von Volkswirtschaften.

Diese sozialanthropologische Deskription der durch die Epidemienachricht ausgelösten Ängste im Gefolge der Massenpsychologie Freuds – dass frei flottierende Ängste eine Projektionsfläche brauchen, die aber auch kaum rational zu durchdringen ist, so etwa wie die statistischen Unschärfen medizinischer Erklärungen des Verlaufs von Epidemien und deren Gefahrenpotential – wäre etwas für spätere soziologische Untersuchungen.

Beispielsweise tragen die Leute als Vorboten der Hysterie alle Mund-/ Nasenschutz, obwohl die Ärzte im TV zigmal sagten, dass das kaum etwas bringt, da die Infektion meistens so verläuft, dass man etwas Infiziertes anfasst und sich dann den Virus ins Gesicht reibt.

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Laurie Garrett, The Coming Plague – Mein Lesetipp zur Schweinepest und allen Seuchen, die noch kommen werden.

Laurie Garrett, The Coming Plague, Newly Emerging Diseases In A World Out Of Balance
Laurie Garrett, The Coming Plague, Newly Emerging Diseases In A World Out Of Balance

Vor 13 Jahren habe ich auf „National Public Radio“ (NPR) eine wunderbare Besprechung dieses damals gerade erschienen Buches von Laurie Garrett gehört. Ich habe mir das Buch gekauft und die mehr als 600 Seiten wie einen Krimi verschlungen.

Als Wissenschaftsjournalistin durchmisst die Autorin die medizinischen, biologischen und gesellschaftlichen Hintergründe von Seuchen wie:

  • Marburg Virus
  • Yelllow Fever
  • Lassa Fever
  • Ebola
  • Swine Flu
  • Legionnaires‘ Disease
  • HIV
  • Hanta Virus

Auch heute noch ist das Buch ein „Muss“ für jeden, der sich mit dem Thema „Seuchen“ auseinandersetzt oder -setzen will.

Das Buch ist großartig. Laurie Garrett ist großartig. Niemals populistisch, immer wissenschaftlich und dabei doch verständlich, wie so viele geniale US-amerikanische Wissenschaftler bzw. Wissenschaftjournalisten. (Oh hätten wir in D nur einen Bruchteil von ihnen!).

Da ich mit meinem Blog keine Geld verdiene, muss sich schon jeder selbst um die Kauf- bzw. Ausleihmöglichkeiten kümmern.

Laurie Garrett wird immer noch im NPR als Expertin angefragt. Einfach dorthin „surfen“ und ihren Namen ins Suchfeld eingeben.

Ihre eigene Website ist leider nicht so gelungen, aber vielleicht auch Geschmackssache.

Schweinepest – wie weit ist Mexico entfernt?

Sehr aktuell und umfassend berichtet der britische Guardian über den Ausbruch der Schweinepest.
Sehr aktuell und umfassend berichtet der britische Guardian über den Ausbruch der Schweinepest (screenshot).

Ich gestehe, dass ich bei großen weltweiten Themen nicht lange herumfackel, sondern mich meist ohne Umwege zur Website des britischen Guardian begebe.

Ob der Ausbruch der Schweinepest in Mexico das Potential zur Epoche machenden Seuche hat (siehe ruhrbarone), kann ich nicht beurteilen. Durch die tiefe Zäsur der jetzigen, sich noch weiter entfaltenden Wirtschaftskrise bin ich allerdings verunsicherter als ich es vor, sagen wir fünf Jahren, gewesen wäre.

Egal ob Zeitgeist, Ära oder Epoche, hier geht es zu den informativen Seiten des Guardian.

Beachtenswert finde ich auch das Live-Blog. Letzter aktueller Eintrag:

4.49pm:
New York mayor, Michael Bloomberg, has confirmed that swine flu has infected eight students of a high school in the city.