AHS: Schulkonsens in NRW ist ein herber Rückschlag für die Inklusion

Detlef Träbert: "Wir brauchen das KiWaBez jetzt." (foto: träbert)
Detlef Träbert: "Der Konsens mit der CDU schadet der Inklusion zu Lasten der Kinder." (foto: träbert)

Niederkassel. (ahs) „Der Schulkonsens zwischen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU ist ein herber Rückschlag für die Inklusion“, bewertet die Aktion Humane Schule (AHS) die gemeinsamen Gesetzentwürfe der drei Fraktionen. Sie werden am morgigen Freitag im Landtag in erster Lesung beraten und sollen Ende Oktober bereits verabschiedet werden.

Die in diesem Zusammenhang geplante Änderung der Landesverfassung sieht für den Artikel 8, Abs. 1, Sätze 3 und 4, folgenden Wortlaut vor: „Das Land gewährleistet in allen Landesteilen ein ausreichendes und vielfältiges öffentliches Bildungs- und Schulwesen, das ein gegliedertes Schulsystem, integrierte Schulformen sowie weitere andere Schulformen umfasst. Für die Aufnahme in eine Schule sind Anlage und Neigung des Kindes maßgebend, nicht die wirtschaftliche Lage und die gesellschaftliche Stellung der Eltern.“

In allen Dokumenten der UNESCO sowie in der für Deutschland verbindlichen UN-Behindertenrechtskonvention heißt Inklusion jedoch, alle Kinder unabhängig von unterschiedlichen Anlagen oder einer Behinderung gemeinsam zu beschulen.

„Der Schulkonsens zementiert den Fortbestand des mit Inklusion unvereinbaren Selektionsprinzips für mindestens zwölf Jahre“, stellt AHS-Bundesvorsitzender Detlef Träbert fest. „Es war ein schwerer Fehler der Landesregierung, die Entwicklung eines Inklusionsplans von der Weiterentwicklung des Schulwesens und seiner Strukturen abzukoppeln. Der Konsens mit der CDU schadet der Inklusion zu Lasten der Kinder. Er schadet aber auch der Volkswirtschaft, weil er die Entwicklung eines innovativen, leistungsfähigeren Schulsystems behindert. Die Sekundarschule ist so lange kein Fortschritt, wie Gymnasien Schüler abschulen dürfen und Förderschulen nicht ins allgemeine Schulwesen integriert werden.“

Schulkonsens in NRW – Ein Sieg der CDU?

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Gemeinsames Lernen in einer deutschen Grundschule in den 60er Jahren. (archiv: chris)

Fast alle Parteien sind zufrieden: Die grüne Ministerin Löhrmann mit ihrem Koalitionspartner.  Landeschefin Kraft (SPD) freut sich über einen Schulfrieden für die nächsten 12 Jahre.

Die CDU stimmt ein, Philologenverband, GEW, VBE und DGB signalisieren Zustimmung. Die Rede ist von „Frieden“, „Konsens“ und „Kompromiss“. Das klingt nach Harmonie. Lediglich die kleine FDP stänkert ein wenig und sieht das Gymnasium gefährdet.

Im Kern stimmt die große Bildungskoalition für das Zwei-Säulenmodel: Hier die Sekundarschule, explizit ohne Sekundarstufe II, dort das Gymnasium mit Oberstufe und Abitur nach acht Jahren. Damit keiner unzufrieden ist (Konsens!), kann es weiterhin Hauptschulen, Realschulen und Gesamtschulen in NRW geben.

Die Klassengröße in der Sekundarschule darf höchstens 25 Schüler betragen, in den Klassen 5 und 6 wird länger gemeinsam gelernt, es werden auch gymnasiale Standards gelehrt, unterrichtet wird auf Grundlage der Lehrpläne für Real- und Gesamtschulen. (Ist dies nicht ein Widerspruch?)

Die CDU nimmt Abschied von der eh gescheiterten Verbund-Schule, ebenso wie sie Abschied von der abgewählten Hauptschule nehmen muss. In der Bildungspolitik wird diese Partei von der tatsächlichen Entwicklung getrieben. Und nun ist es ihr gelungen, den Status Quo für die kommenden 12 Jahre festzuschreiben. Es war der CDU wichtig, dass die Sekundarschule ohne eine eigenständige Oberstufe daherkommt. Nur so kann die Oppositionspartei die Entwicklung dieser Schulform zu einer attraktiven Alternative zum herkömmlichen Gymnasium verhindern.

Vermutlich ist in diesem Land tatsächlich nicht mehr drin. Wer das Ziel eines integrativen Schulsystems noch nicht aufgegeben hat, wer sich optimal ausgestattete Schulen wünscht, in denen alle Kinder gemeinsam entsprechend ihrer Fähigkeiten lernen und gefördert werden und alle – unabhängig von ihrer sozialen Herkunft – die gleichen Chancen haben, der kann über diesen Schulfrieden nur den Kopf schütteln.

Gerade in einer Zeit, in der durch den demographischen Wandel große Veränderungen im Bildungssystem anstehen, wird das gegliederte Schulsystem in Nordrhein-Westfalen einzementiert.