Lorenz Jaeger – Kriegsbischof der deutschen Blutsgemeinschaft

Lorenz Jaeger vor seiner Wahl zum Paderborner Bischof als Militärgeistlicher in Hitlers Wehrmacht; über dem Kreuz der Kappe und an der Brust prangt das Hakenkreuz der „Feinde Christi“. (Umschlagcover)

In den 1990er Jahren erforschte die katholische Kirchenhistorikerin Antonia Leugers die Bemühungen des mit Bischof Konrad von Preysing eng verbundenen „Ordensausschusses“, die deutsche Bischofskonferenz zur NS-Zeit zu einer klaren Bezeugung des christlichen Dogmas von der Einheit des Menschengeschlechts (Humani generis unitas) – in Wort und Tat – zu bewegen.

(Vorwort von Peter Bürger zum  Sonderdruck Lorenz Jaeger)

Hierbei zeigte sie auf, dass der Paderborner Erzbischof Lorenz Jaeger – in markantem Gegensatz zu diesem Anliegen – auf der letzten Fuldaer Bischofskonferenz vor Kriegsende auf ein gemeinsames ‚Band des Blutes‘ zwischen den deutschen Bischöfen und „ihren“ deutschen Gläubigen abhob, in der Predigt sodann noch sein vordringliches Anliegen verlautbaren ließ: „Deutschland muß leben, auch wenn wir sterben müssen!“ (Die erzbischöfliche Rezeption des terminus technicus für „Arier“ wird im Titel der vorliegenden Veröffentlichung auf schmerzhafte Weise in Erinnerung gerufen.)

Die Abgründe der Amtsführung von Lorenz Jaeger während des 2. Weltkrieges wurden hernach im Buch „Hirten unter Hitler“ (1999) des Paderborner Katholiken Wolfgang Stueken – unter zahllosen seriösen Belegen – vermittelt. Doch eine kirchlichenamtliche Rezeption blieb diesem unbequemen Werk, das man als Christ oder Christin nur unter Erschütterung und Traurigkeit lesen kann, auf viele Jahre hin versagt.

Erst eine kommunalpolitische Eingabe der Demokratischen Initiative Paderborn (DIP) im Jahr 2015 bewirkte eine neue „Jaeger-Debatte“.

Damals bat mich der schon sterbenskranke Arno Klönne, die DIP aus einer katholisch-pazifistischen Perspektive heraus zu beraten. Die hier nun im Kontext der aktuellen Debatte als „Sonderdruck“ vorgelegte Arbeit (zuerst 2019) vermittelt noch weitaus besser als das 2015 eingebrachte kleine Dossier, an welchen Schatten und Abgründen sich kein beteiligter Forscher vorbeimogeln darf.

Ein erstes Hoffnungszeichen bezogen auf die Aufarbeitung der kirchlichen Kriegsbeihilfe bringt in diesem Jahr eine Erklärung der deutschen Bischöfe.[1]

Leider hat man auf vielen Seiten dieser Stellungnahme doch wieder Vertretern der apologetischen Schule die Redaktion überlassen, so dass das gute Anliegen fast verdunkelt wird.

Die Hofgeschichtsschreiber des kirchlichen Selbstlobkollektivs bemühen sich gegenwärtig eifrig um eine „Historisierung“ der katholischen Kriegsassistenz. Was die Klerikerkirche sonst selten kennt, das wird nun plötzlich im Übermaß eingefordert: Einfühlung, Verzicht auf Werturteile und sehr viel Verständnis für menschliches Versagen.

Säkulare, kirchenferne Geschichtsforscher sollten sich gut überlegen, ob sie diesem Vorgehen wirklich Beifall zollen können. Dass moralische Verurteilungen keine seriöse Forschung, Faktenermittlung usw. ersetzen können, ist allen Seiten bekannt. Dem wertfreien „Historisieren“ der bischöflichen Unterstützung für Hitlers Krieg stehen jedoch zwei Umstände entgegen:

a) Die Bischöfe beanspruchten gegenüber den sogenannten „Laien“ Weisungsbefugnis sowie einen privilegierten Wahrheitszugang, als sei ihre „Salbung mit Heiligem Geist“ wesenhaft eine andere als die der anderen Getauften. An diesem dogmatischen Anspruch der Hierarchie sind Versagen, irrige Weisungen und bischöfliche Kollaboration mit einem massenmörderischen Komplex zu messen. Wer darauf verzichtet, arbeitet der klerikalen Machtideologie zu und sabotiert Lernprozesse der kirchlichen Gemeinschaft.

b) Die zur Entgegennahme bischöflicher Weisungen angewiesenen‚ Laien‘ und Leutepriester ‚unten‘ gingen in vielen Fällen nicht mit der Kriegsassistenz der Bistumsleitungen ‚oben‘ konform, sondern folgten einem authentischen Christentum – indem sie der Hierarchie ungehorsam waren. Wie soll man diesem gerade für das Paderborner Bistum gut belegten Befund gerecht werden, wenn wir in der historischen Darstellung auf Vergleiche und Bewertungen verzichten?

Vermutlich werden öffentliche Ehrungen Jaegers dereinst nicht aufgrund seiner nationalistischen und militaristischen Schatten aufhören, sondern wegen der systematischen Verschleierung der sexualisierten Klerikergewalt im Erzbistum. Gleichwohl wird es der apologetischen Schule kaum gelingen, wie in früheren Zeiten die dem Hitlerkrieg zugeneigten Ideologien und Handlungen dieses hochrangigen Klerikers unsichtbar zu machen.

Düsseldorf, den 6. August 2020 Peter Bürger

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[1] SEKRETARIAT DER DEUTSCHEN BISCHOFSKONFERENZ (Hg.): Deutsche Bischöfe im Weltkrieg. Wort zum Ende des Zweiten Weltkriegs vor 75 Jahren. Bonn 2020.

Download des Sonderdrucks als PDF:

https://www.schiebener.net/wordpress/wp-content/uploads/2020/08/schie_Sonderdruck-Lorenz-Jaeger-2020-08-07.pdf

5 Gedanken zu „Lorenz Jaeger – Kriegsbischof der deutschen Blutsgemeinschaft“

  1. Typen wie Lorenz Jaeger lieferten u.a. dem furchtbaren Marinerichter Filbinger eine argumentative Basis.

    Überraschung:(?)

    Finde eben (08.08.2020) auf DOMRADIO.de den Artikel „Studie: Kardinal Jaeger war weder Nazi noch Widerstandskämpfer | Offizier, Wehrmachtspfarrer, Kardinal“
    https://www.domradio.de/nachrichten/2020-08-08/offizier-wehrmachtspfarrer-kardinal-studie-kardinal-jaeger-war-weder-nazi-noch-widerstandskaempfer

    Und ja, im beschaulichen Neheim gibt es immer noch eine Kardinal-Jaeger-Straße

    https://www.google.com/maps/place/Kardinal-Jaeger-Stra%C3%9Fe,+59757+Arnsberg/@51.4518744,7.9461948,17z/data=!3m1!4b1!4m5!3m4!1s0x47b96703bcf705db:0x3fbcb6b552b8c91d!8m2!3d51.4518744!4d7.9483835

  2. DLF | 11.08.2020

    „Lorenz Jaeger. Ein Erzbischof in der Zeit des Nationalsozialismus“.

    So der Titel der rund 450 Seiten starken Studie, die die katholische Theologische Fakultät Paderborn im Auftrag des Erzbistums erstellt hat. Dabei mussten sich die Theologen, Historiker und Journalisten mit Zitaten von Lorenz Jaeger auseinandersetzen, die in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder für Irritation und Kritik gesorgt haben.

    https://www.deutschlandfunk.de/studie-ueber-bischof-in-der-ns-zeit-nationalreligioes-nicht.886.de.html?dram:article_id=482112

    1. Vielen Dank für den Link!

      Interessant, wie der „Revisionist“ Christopher Clark hier von Seiten der Studie instrumentalisiert wird.

      „Christopher Clark und die neueren Einsichten der letzten zwei Jahrzehnte über den Ausbruch des Ersten Weltkrieges haben dazu geführt, dass die seit Jahrzehnten etablierte These von der reichsdeutschen Hauptverantwortung für den Ausbruch des Ersten Weltkrieges so nicht mehr haltbar ist.“

      Im Deutschlandfunk dazu:
      „Die Autoren der Paderborner Studie betonen, dass Jaeger zwar ein nationalreligiöser Kriegsbefürworter, aber kein rassistischer Nationalsozialist gewesen ist. Diese Differenzierung liest sich, wie der Versuch einer Ehrenrettung. Ob die Studie das Erzbistum Paderborn bewegen wird, Lorenz Jaeger nun anders zu bewerten, wird sich wohl frühestens in drei Jahren zeigen. Denn eine zweite Kommission unter Leitung der Paderborner Kirchenhistorikerin Nicole Priesching will 2023 die Ergebnisse ihrer umfangreichen Untersuchungen vorlegen.“

      Peter Bürger hat sich mit seiner Studie „erdreistet“ die drei Jahre NICHT abzuwarten und seinen Hut in den Ring geworfen. Wird er in Paderborn aufgenommen?

      1. Als ich Kind war, ich erinnere mich so schwach, war Lorenz Kardinal Jaeger im katholischen Sauerland eine Instanz ganz knapp nach Gott und dem Papst. Sein Name hatte damals wie heute für mich einen unangenehmen Klang.

        1. Das Foto sagt doch schon alles – „Militärgeistlicher“ – das sind die, die die entsprechende Fahne oder auch die Gewehre weihen und dann die jungen Männer oder Jung’s in den Krieg schicken, während sie sich selbst hinter dem Altar oder Schreibtisch verschanzen. (Ist übrigens heute noch so.) Tut mir leid – der kann das Neue Testament nicht gelesen oder verstanden haben..
          Und das Zitat er sei „zwar ein nationalsozialistischer Kriegsbefürworter, aber kein rassistischer Nationalsozialist“ gewesen taugt eher zur Verwirrung einer Jury, versteht kein normaler Mensch aber heißt heute so umgangssprachlich „Differenzierung“… Lachhaft.

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