Hochsauerland: Aktien-Märchen im Kreistag

WordleRWEAktien20141101Am Freitag, 31. Oktober, hat der Kreistag den Jahresabschluss 2013 beschlossen, und in diesem Rahmen auch die Wertberichtigung der 5,92 Mio RWE-Aktien um 266,8 Mio Euro. Die einzelne Aktie ist jetzt nur noch mit 29,46 Euro bewertet, dem Kurs zum 31.03.2014.

(Der Artikel ist heute auch in ähnlicher Form auf der Website der Sauerländer Bürgerliste erschienen)

Das Thema scheint bei CDU und SPD keine große Begeisterung auszulösen. So wollte der stellvertretende Landrat (CDU), der bei diesem TOP den Vorsitz des Kreistags innehatte, nach Aufruf des TOP ohne Aussprache direkt zur Abstimmung übergehen. Das aber verhinderte die SBL, und einige andere Kreistagsmitglieder beteiligten sich auch noch an der Diskussion

Im Zusammenhang mit dem Wertverfall der RWE-Aktien und den daraus entstehenden Folgen für den HSK wurden von der Leitung der Kreisverwaltung falsche Eindrücke erweckt, so auch in einem von der Westfalenpost am Tag der Kreistagssitzung veröffentlichten fünfspaltigen Artikel “RWE-Wertberichtigung beschäftigt Kreistag”.

In mindestens 5 wesentlichen Fällen sind die Botschaften aus dem Kreishaus falsch:

1. Die Bewertung der RWE-Aktien war bereits in der Eröffnungsbilanz zu hoch, es gab eine “Überbewertung”.
Nein, die Bewertung war sogar um etwa 10 Euro pro Stück zu niedrig! Die Eröffnungsbilanz des HSK im Rahmen des “Neuen Kommunalen Finanzmanagements” wurde zum 01.01.2008 aufgestellt. Der Schlusskurs der RWE-Aktie am 28.12.2007 betrug 95,19 Euro, der Eröffnungskurs am 02.01.2008 sogar 96,68 Euro (nachzulesen unter: http://www.finanzen.net/historische-kurse/RWE). Bewertet waren die RWE-Aktien in der Eröffnungsbilanz dagegen nur mit 86,69 Euro, dem Kurs vom 16.11.2007.

2. Die RWE-Aktien waren immer noch mit dem Wert aus der Eröffnungsbilanz bewertet.
Nein, denn tatsächlich fand bereits im Jahr 2008 eine Abwertung auf 81,87 Euro pro Stück statt. Das war der am 04.04.2008 gültige Kurswert, also mehr als ein Vierteljahr nach dem Stichtag der Eröffnungsbilanz. Diese erste Abwertung führte damals dazu, dass die “Ausgleichsrücklage” des HSK um ca. 24,3 Mio Euro sank, also um etwa 60% ihres Volumens. Die Ausgleichsrücklage dient sonst dazu, Schwankungen der Kreisumlage abzufangen. Diese Reserve ging nun im Umfang der Wertberichtigung verloren, etwa 9 Euro pro Einwohner des HSK!

3. Die RWE-Aktien haben dem Kreis hohe Dividenden gebracht.
Nein, denn in den letzten 20 Jahren lag die Dividende nur 5mal bei mehr als 2 Euro. Bezogen auf den Wert der Aktie zum Zeitpunkt der Eröffnungsbilanz ist das eine sehr mäßige Rendite!

4. Die Abwertung konnte nicht eher erfolgen, weil erst jetzt eine vom Landtag beschlossene Gesetzesänderung die Verrechnung gegen die Allgemeine Rücklage anstatt gegen die Ausgleichsrücklage zuließ.
Nein, denn der Landtag hat bereits am 13.09.2012 das “1. NKF-Weiterentwicklungsgesetz” beschlossen. Darin ist ausdrücklich vorgesehen, dass auch im Jahresabschluss 2012 bereits eine Wertberichtigung mit Verrechnung gegen die Allgemeine Rücklage erfolgen durfte, also ohne Auswirkungen auf die Ausgleichsrücklage. Der Jahresabschluss des “Betriebs Schul- und Bildungseinrichtungen”, dem ein großer Teil der RWE-Aktien zugeordnet ist, stand erst am 21.06.2013 auf der Tagesordnung des Kreistags, der Jahrerabschluss des HSK selbst sogar erst am 13.12.2013. Es wäre also reichlich Zeit gewesen, die Wertberichtigung bereits in den Abschlüssen für das Jahr 2012 vorzunehmen (und damit noch vor der Kommunalwahl am 25.05.2014…). Ohne erkennbaren Grund haben Landrat und Kämmerer die überfällige Wertberichtigung um ein Jahr verzögert!

5. Es gibt keine Auswirkungen auf die Kreisumlage, denn bei den Aktien handelt es sich um Altbestände.
Doch, es gibt erhebliche Auswirkungen! 24,3 Mio Euro Reserve für die Senkung der Kreisumlage gingen bereits 2008 verloren (s. Punkt 2).
Besonders bedenklich: Wegen der RWE-Aktien sind seit 2009 weitere etwa 13 Mio Euro an echter Liquidität verloren gegangen. Denn im Juni 2009 beschloss die Mehrheit des Kreistags (gegen den Widerstand der SBL), aus frei verfügbaren Finanzmitteln für ca. 30 Mio Euro weitere 572.700 RWE-Aktien von der WestLB zu kaufen (auch das hat die WestLB nicht saniert…). Damals betrug der Aktienkurs 56,50 Euro. Mehr als 15 Mio der Wertberichtigung betreffen also diese hinzugekauften Aktien. Für jede dieser Aktien hat der Kreis bei 5 Dividendenausschüttungen insgesamt 12 Euro Dividende erhalten.

Nimmt man als Alternative zunächst an, dass der Landrat die 30 Mio Euro in seiner (gesicherten) Schreibtischschublade deponiert hätte, dann wären sie heute noch in Höhe von 30 Mio Euro vorhanden. So aber verbleibt ein echter Verlust (Differenz zwischen Kursverlust seit Kauf und erhaltenen Dividenden) in Höhe von ca. 15 Euro je Aktie, also von insgesamt bereits fast 9 Mio Euro. Das würde sich nur ändern, wenn der Wert der RWE-Aktien in den nächsten Jahren wieder deutlich steigen würde, aber damit rechnet niemand …

Nimmt man an, dass die 30 Mio Euro in einer anderen Anlageform 3% Zinsen pro Jahr gebracht hätten, beträgt der reale Verlust aus diesem Aktiennachkauf sogar 13 Mio Euro!

Damit hätte man viele Sozialtickets einführen, Schulsozialarbeiter finanzieren, kulturelle Prokekte starten und/oder die Kreisumlage senken können.

Viele Städte an Rhein und Ruhr (z.B. Düsseldorf) haben zu der Zeit, als der HSK weitere 30 Mio Euro für RWE-Aktien ausgab, ihre RWE-Aktien verkauft. Das ist ihnen finanziell sehr gut bekommen. Der HSK hat aber seine Finanzmittel nur in Aktien eines einzigen Konzerns angelegt, der sich absehbar auf dem absteigenden Ast befand. Das Ergebnis sehen wir nun in der Wertberichtigung der Bilanz.

Aufschlussreich war auch der Wortbeitrag eines FDP-Parlamentariers in der Debatte. Er bezeichnete das Verhalten des Kreises in dieser Angelegenheit als “stümperhaft”. Dafür wird er seine Gründe haben …

7 Gedanken zu „Hochsauerland: Aktien-Märchen im Kreistag“

  1. @Reinhard Loos:

    Die Westfalenpost berichtet über die Sitzung und die RWE-Aktien folgendermaßen:

    „RWE-Aktien erneut Thema

    Auch das Thema RWE-Aktien (wir berichteten gestern) griff der Verwaltungschef während der Sitzung des Kreistags am Freitagnachmittag erneut auf: „Die Wertberichtigung der Aktien belaste zwar die allgemeine Rücklage in einem beträchtlichen Maße, um 266 Mio. Euro, räumte Dr. Schneider ein. Ein Aufzehren der Ausgleichsrücklage sei aber vermieden worden. „Unser Eigenkapital reduziert sich auf noch komfortable 121 Mio. Euro. Es handelt sich ausschließlich um einen bilanziellen Bewertungsvorgang, Auswirkungen auf das Abschlussergebnis oder die Liquidität ergeben sich nicht“, so der Landrat.“

    Es scheint also der Westfalenpost auszureichen, bei einem strittigen Thema allein den Landrat zu zitieren. Warum wird beispielsweise nicht eure Position dagegengestellt, um dann zu einer Bewertung oder Einordnung zu kommen, bzw. der Leserin oder dem Leser die Möglichkeit zu geben, den Konflikt nachzuvollziehen?

    Meine Frage: Hat der Redakteur die Opposition interviewt / befragt?

    Den von dir genannten 5-Spalter habe ich im Netz nicht gefunden. Steht da vielleicht etwas drin?

  2. Die im Beitrag enthaltenen Anmerkungen zu den 5 Punkten habe ich so ähnlich am Freitag in der Kreistagssitzung vorgetragen. Es hätte also die Möglichkeit bestanden, nicht nur über die Ausführungen des Landrats zu berichten. Aber der Verfasser des WP-Artikels sass wenige Meter entfernt auf den Presseplätzen und äußerte durch Zwischenrufe deutlich sein Mißfallen zu meinen Ausführungen…

    Von der Presse befragt worden sind wir (SBL) zu diesem Thema bisher nicht.

    Den 5-Spalter habe auch ich im Netz unter derwesten.de gesucht, aber nicht gefunden, sonst hätte ich ihn bereits dort kommentiert.

    1. „Aber der Verfasser des WP-Artikels sass wenige Meter entfernt auf den Presseplätzen und äußerte durch Zwischenrufe deutlich sein Mißfallen zu meinen Ausführungen…“

      Ist der immer so drauf? Arme Westfalenpost 🙁

  3. Ende August diskutierte der Kreistag über die von SBL, Linken und Piraten gewünschte Erhöhung der Transparenz durch die Zulässigkeit von Film- und Tonaufnahmen sowie von Live-Streams. Der Sprecher der CDU-Fraktion erklärte in der Debatte, Übertragungen seien nicht notwendig. Die Berichterstattung durch die Presse sei völlig ausreichend, und seine Fraktion sei damit sehr zufrieden…

    1. @Reinhard Loos

      Traurig, vor allem für die Westfalenpost. Deren Aufgabe wäre es doch alle Seiten einer Angelegenheit darzustellen. Gut, dass ich mich inzwischen zusätzlich und anders informiere. Wie kann man als Zeitung im Niedergang nur so blöde sein, noch selbst an seinem eigenen Ast zu sägen?

      Update: Habe gerade noch eine alte PM von Reinhard Loos aus dem Jahr 2009 gefunden, in der er sich mit dem Kauf der Aktien, aber auch mit der einseitigen Berichterstattung der Westfalenpost auseinandersetzt: „… Bei dem Beitrag auf der Sauerlandseite der Samstagsausgabe [der WP] handelt es
      sich um den Abdruck einer Pressemitteilung der Kreisverwaltung. In ihr
      wird über einige wenige Details des vom Kreistags mehrheitlich
      beschlossenen Erwerbs von RWE-Aktien für 30 Mio Euro von der WestLB
      berichtet. Sehr ungewöhnlich war die Beschlussfassung über diesen
      Aktienkauf in nichtöffentlicher Sitzung des Kreistags …“

      http://www.schiebener.net/wordpress/?p=3794

  4. @Reinhard Loos

    Habe den Fünfspalter in der WP jetzt gelesen.

    1. Seid ihr für den Artikel befragt worden? Oder zitiert der Autor lediglich aus eurer Website?

    2. Die Äußerungen des Kämmerers hat er anscheinend auch aus alten Unterlagen (Gespräch Januar 2014) eingepflegt.

    3. Der Zukauf von Aktien im Jahr 2009 (Punkt 5 in deinem Beitrag) wird in dem Artikel nicht einmal erwähnt, oder habe ich diesen Punkt wegen der Textmasse überlesen?

    4. Soweit ich erfahren habe, hat sich der Redakteur tatsächlich während er Rede von Loos geäußert, keine direkten Bemerkungen sondern eher in der Richtung „natürlich der Loos …“ “ … zu dem Punkt hat er ja auch noch nichts gesagt …“ …

    Pflegt ihr, also du und der Redakteur, persönliche Animositäten?

  5. @ Zoom:

    1. Zu diesem Thema wurde die SBL nie von der Presse befragt. Wenn uns Medien befragen würden, würden wir selbstverständlich gerne Auskunft geben…

    2. Falls der Autor des WP-Artikels vom 31.10.2014 die Äußerungen des Kämmerers „aufgewärmt“ hat, sind sie heute genau so unrichtig wie im Januar 2014.

    3. Dieser Nachkauf von RWE-Aktien für 30 Mio Euro im Sommer 2009 gehört bei der GroKo im Kreishaus zu den besonders unbeliebten Themen. Das ließ sich z.B. an gelegentlichen Ausfällen der Sprecher der GroKo feststellen, wenn man es „wagte“, dieses Thema mal wieder im Kreistag anzusprechen.
    Das wirtschaftliche Ergebnis ist ja auch sehr peinlich für Parteien, die sich gerne für Wirtschafts-kompetent halten…

    4. Von derartigen Animositäten war mir bisher nichts bekannt. Allerdings habe ich vor allem durch die Berichterstattung zu den RWE-Aktien den Eindruck gewonnen, dass die Tagespresse mit den GroKo-Parteien manchmal enger verbunden ist als mit der Opposition im Kreistag …

Kommentare sind geschlossen.