Ernst Barlach – noch zeitgemäß?

Der Bettler von Ernst Barlach
Der Bettler von Ernst Barlach im Garten des Ateliers in Güstrow (foto: chris)

Zeitgeist: Die Menschen sind beschäftigt, ständig erreichbar. E-Mail checken am Strand, Telefonate in der Bahn, Smartphone auf der Toilette, mit dem Laptop vorm Fernseher. Früher gab es Orte und Zeiten, an denen wir mit uns und für uns waren.

Ernst Barlach, der norddeutsche Bildhauer, Zeichner und Dramatiker, hat Menschen dargestellt, die über sich, über das Leben nachdenken. In seinen Kunstwerken werden Gefühle sichtbar: Die Liebe, die Trauer, die Verzweiflung, Wut, Hass, Glaube. All dies kann Ernst Barlach mit scheinbar einfachen Formen ausdrücken.

Ernst Barlachs Kunst galt den Nationalsozialisten als „artfremd“ . So kritisierte der NS-Gauleiter von Mecklenburg und Lübeck Friedrich Hildebrandt , „der deutsche Mensch kennt nicht den Bauern als einen faul auf die Erde gestreckten Menschen, sondern als den harten, selbstbewußten Mann, der gewillt ist, alle Schwierigkeiten zu überwinden, der mit brutaler Faust, mit dem Schwert in der Hand sich den Weg bahnt.“

Ein Mensch, der nachdenkt und innehält ist nach Hildebrandts Verständnis“ „faul“ . Im Nationalsozialistischen Staat war kein Raum für Denker, Zweifler, Fragende und Trauernde. Die NS-Ideologen wollten Macher und Kämpfer.

In der heutigen Zeit scheint es fast so, als würden wir uns selber die Zeit, die Ruhe und Muße zum Denken, zum Zweifeln und zum Fühlen nehmen. Ständig sind wir beschäftigt, wir haben immer etwas zu tun. Wir horchen kaum noch in uns hinein. Wie geht es uns? Was fühlen wir? Was denken wir? Keine Zeit. Zeitgeist.

Barlachs Figuren wirken wie aus einer anderen Zeit. Sie strahlen Ruhe aus. Sie sind fröhlich, sie singen, sie sind verzweifelt, sie hungern, sind arm oder mit dem Tod ihrer Liebsten konfrontiert. Aber die dargestellten Menschen sind bei sich, sie sind eins mit sich. Sie lassen sich auf diese Empfindungen ein und geben sich ihnen hin.

Ernst Barlach hat Skulpturen geschaffen, die auch in unserer schnelllebigen und oft oberflächlichen Zeit eine Menschlichkeit und Tiefe darstellen, die berührt.

3 Gedanken zu „Ernst Barlach – noch zeitgemäß?“

  1. @Chris:
    Kannst Du die Barlach-Ausstellung in Güstrow mit dem Barlach-Haus in Hamburg vergleichen? Würde mich schon interessieren.

  2. @zoom
    Das Barlach-Haus in Hamburg enthält zahlreichen Werken von Barlach, die der Fabrikant Hermann F. Reemtsma gesammelt hat. Die begrenzte Zahl von Exponaten ermöglicht einen kurzweiligen Besuch des kleinen Museums im schönen Jenisch-Park an der Elbe.
    http://www.barlach-haus.de/Ernst_Barlach_Haus_Museum/Ernst_Barlach_Haus_Museum.html

    Im ehemaligen Atelier Barlachs in Güstrow sind zahlreichen Skulpturen und Zeichnungen des Künstlers ausgestellt. Tafeln informieren mit Text und Bild über sein Leben und Wirken. Im Dom von Güstrow schwebt der berühmte Engel, in der Gertrudenkapelle finden sich weitere Kunstwerke.
    Du siehst, die Werke Barlachs sind über ganz Güstrow verstreut. Die Stadt schmückt sich mit ihrem ehemaligen Bewohner und bezeichnet sich auch als „Barlachstadt“.
    http://www.guestrow.de/tourismus-kultur/kulturelle-einrichtungen/ernst-barlach-stiftung/

    Weitere kleine Barlachmuseen gibt es in Wedel und Ratzeburg. Informationen dazu findest Du auf der sehr geschmackvoll gestalteten Seite der Ernst Barlach Gesellschaft.
    http://www.ernst-barlach-gesellschaft.de/index.html

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