Austieg aus der fossilen Energie: Unsinn, Spielwiese, konkrete Utopie oder Realität?

Vorbemerkung: Den links abgebildeten Artikel [entfernt] aus der Westfalenpost schickte uns gestern ein Leser mit der Bitte, seine Gedanken zum Thema hier im Blog zur Diskussion zu stellen. Lokalpolitisch versierte Leser werden sofort richtig schlussfolgern, dass der Autor des Gastbeitrags dem Bürgerzusammenschluss „Meschede braucht Zukunft“ (MbZ) nahe steht oder angehört. Da wir selbst in der Sache auf die Schnelle keinen Experten in der Sache gefunden haben, hoffen wir auf die Schwarm-Intelligenz des Netzes, um die Frage zu beantworten, ob hier jemand ein persönliches Steckenpferd reitet, welches in der Sache unsinnig ist oder ob es sich ingenieurtechnisch um einen realistischen Ansatz handelt.

Meschede. (gastbeitrag) Die „besondere Intelligenz“ der Äußerungen von Herr Ulrich Klein als Vorsitzender der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU/CSU lässt sich statistisch belegen.

Die österreichische Stadt Güssing hat den zum 100-prozentigen Ausstieg aus der fossilen Energieversorgung 1990 beschlossen und Zug um Zug umgesetzt.

Nun müsste ja – soll man Herr Klein Glauben schenken – eine nicht zu bändigende Katastrophe in Güssing eingetreten sein. In der offizielle Statistik für Österreich wurde jedochein positiver Einfluss auf die Arbeitsmarksituation festgestellt.

In der folgenden Abbildung (6) zeigt sich neben einer Zunahme der Arbeitsstätten eine deutliche Steigerung der Beschäftigtenzahl:

abb6

Diese positive Entwicklung ist jedoch keine grundsätzliche Entwicklung in diesem Teil von Österreich. Dies belegen die nachfolgenden Abbildungen 7 und 8 mit denen ein Vergleich zu anderen Gemeinden im Umfeld von Güssing möglich ist:

abb7abb8

Während sich in Güssing in erster Linie Betriebe aufgrund der Synergie zur Nutzung erneuerbarer Energien ansiedelten, ist die Entwicklung im Raum Stegersbach auf den Schwerpunkt Thermen- und Golftourismus zurück zu führen.

Neben den dargestellten positiven Einflüssen die die Umsetzung des Konzepts auf den Arbeitsmarkt hat, wirkt sie sich wesentlich auf das Qualitätsniveau der gesamten Region aus. Durch die vielen neuen Arbeitsplätze und durch den Ausbau der regionalen Infrastruktur wird sich die Lebensqualität in der Region weiter erhöhen, und daher ist auch eine hohe Akzeptanz des Projekts und ein gestärktes Selbstbewusstsein zu erwarten. Aber auch der Bekanntheitsgrad der Region als Energiezentrum wird gesteigert werden, wodurch sich einerseits neue Möglichkeiten für den Tourismus, für die Kultur und die sportlichen Aktivitäten in der Region und andererseits vermehrt Kooperationen für regionale Betriebe, Institutionen, Ausbildungs- und Forschungseinrichtungen im In- und Ausland ergeben werden. Dies wird wiederum positive Rückwirkung auf die Region haben. Es werden also nachhaltige Impulse für die regionale Entwicklung und die Entwicklung der Vorbildwirkung als Modell für andere Regionen erwartet.

Ebenfalls versäumte es Herr Klein nicht, auf die Verteuerung der Energiekosten durch die Erneuerbaren Energien hinzuweisen. Ganz konkret sieht die Entwicklung in Güssing wie folgt aus:

abb9

Für die Bürger und Haushalte bedeutet dies mehr Geld zur Verfügung zu haben um das Leben zu gestalten. Dadurch wird der Einzelhandel vor Ort gestärkt.

Die Folge der wirtschaftlichen Entwicklung in Güssing lässt sich auch anhand der Kommunalsteuereinnahmen darstellen.

abb49

Angesichts eines jährlichen Geldmittelabfluss aus unseren Kommunen für Heizung und Strom in die Kassen ferner (Öl- oder Gasförder-) Länder mit bisweilen fragwürdigen politischen Zielen oder hin zu Großkonzernen sollte man angesichts der immensen Verschuldung unserer Kommunen um die Kosten für ein lebenswertes Miteinander zu stemmen nachdenklich werden.
Als Grafik sieht dies so aus:

abbende

Fazit:
Umweltschutz, die Reduzierung von CO2-Emmissionen und der Einsatz von regenerativen Energien sind heute nicht mehr nur ökologisch sinnvoll, sondern werden auch mit hohen Gewinnen und vielen Arbeitsplätzen belohnt. Schon heute ist die Branche im Umfeld erneuerbarer Energien der Wachstumsmotor schlechthin, die immer wieder mit Nachrichten über Facharbeitermangel statt mit Entlassung auf sich aufmerksam macht. Die Nutzung von Biomasse ist also eine Win-Win-Situation.

In einer nach wie vor infrastrukturschwachen Gegend gelang es über 50 neue Gewerbebetriebe anzusiedeln, es entstanden mehr als 1.500 neue Arbeitsplätze, der zweitgrößte Parketthersteller Österreichs siedelte sich dort an und eine Fabrik für Photovoltaikanlagen wurde kürzlich in Betrieb genommen. Weiterhin entstand in Güssing das Europäische Zentrum für Erneuerbare Energie (EEE), das Kompetenznetzwerk RENET Austria und es wurden zahlreiche nationale und internationale Forschungsaktivitäten zum Thema Erneuerbare Energie gestartet. Die vielfältigen Forschungsaktivitäten haben ebenfalls zur Attraktivität des Standorts beigetragen und zur Entstehung weiterer hochwertiger Arbeitsplätze geführt.

Alles in allem reden wir nicht von abstrakten Ideen sondern „nur“ von der Anwendung vorhandenen Wissens. Deshalb hier gelobt werden, dass der Bau eines solchen Kraftwerks nach dem Vorbild von Güssing in Deutschland in Senden/Neu-Ulm vom Bundeslandwirtschaftsministerium mit 6,6 Mio. Fördergelder bedacht wird.

Ein Gedanke zu „Austieg aus der fossilen Energie: Unsinn, Spielwiese, konkrete Utopie oder Realität?“

  1. Dem sehr anregendem Bericht ist folgendes hinzu zu fügen:
    Die Notwendigkeit als Kommune Geld zu verdienen ergibt sich aus der Haushaltslage fast aller Kommunen. Gerade bei Kommunen mit wechselnden politischen Richtung konnte festgestellt werden, dass mehrheitlich weder die eine oder die andere politische Richtung zu einem stagnieren der Verschuldung geschweige denn zum Abbau der Schulden geführt hat. Auch die Liste der möglichen Sparmaßnahmen steht in der Regel in keinem Verhältnis zum mittlerweile entstandenen Schuldenberg.

    In Deutschland wird 60% des Strom aus fossilen Brennstoffen (Braunkohle, Steinkohle Öl oder Gas) mit einem mittleren Wirkungsgrad von 38% erzeugt. Ca. 62% gehen als Abwärme verloren. Es macht also Sinn dezentral über die Heizperiode Strom zu erzeugen und das Abfallprodukt Wärme den Menschen über Fernwärmeleitungen zu verkaufen.

    Die gekoppelte Erzeugung von Strom und Wärme gehört demnach als unveräußerbares Bürgergut in kommunale Hände, damit unsere Kommunen weiterhin ihren Aufgaben nachkommen können und gleichzeitig wirtschaftlich gesunden. Der Ruf vieler Politiker nach sogenannten Investoren (Großkonzerne, Heuschrecken wie auch immer) ist der Aufruf danach solche positiven Möglichkeiten der Kommune und uns Bürgern vor zu enthalten. Hier soll wieder einmal nicht die Kommune also der Bürger in die wirtschaftlichen Vorzüge kommen, sondern die Konzerne den Gewinn abschöpfen.

    Es fehlt de facto der politische Wille Wege zum Wohl des Bürgers zu gehen.
    Ein Beispiel: Im Rahmen der Regionale werden in Meschede einige 100 Meter Straßen aufgemacht und umgebaut. Es gibt somit keinen besseren Zeitpunk Fernwärmeleitung fast ohne Erdarbeiten im Boden zu verlegen. Ein Ratsmitglied meinte dazu: “Wer wolle sich denn ohne Zwang daran anschließen?“ In Wallen einem Vorort von Meschede haben sich 3 einfache Bürger zusammengetan, werden in Zukunft Wärme produzieren und über Fernwärmeleitungen zum Kunden bringen. Jeder Anschlußwillige beteiligt sich wirtschaftlich an dem Projekt und kann ohne Renovierungsarbeiten am Haus mit ca. 20% Energiekosteneinsparung rechnen.
    Ergebnis: Ca. 90% der erreichbaren Bürgern beteiligen sich und werden angeschlossen.
    Man sollte nicht auf die Entwicklung unserer Politiker hoffen sondern handeln.

Kommentare sind geschlossen.