Kommentar: Sekundarschule – kein Grund zur Freude.

Auf dem Weg zur Gemeinschaftsschule: Realschule Ascheberg (archiv: zoom)
Synonym für den Aufbruch: Realschule Ascheberg (archiv: zoom)

Die neue Sekundarschule ist kein Grund zum Feiern. Sie ist lediglich eine weiterer Schultyp im bildungspolitischen Flickenteppich Nordrhein-Westfalens.

War noch die Gemeinschaftsschule eine verfassungsrechtlich nicht abgesicherte „kleine Gesamtschule“, so ist nun die Sekundarschule eine um die Oberstufe kastrierte Gemeinschaftsschule.

Die Luft ist raus aus dem Vorzeigeprojekt der Grünen. Integration und Inklusion sind schwer angeschlagen. Etabliert ist die Dichotomie zwischen Gymnasium und dem Rest von irgendwas.

Lediglich die Gesamtschulen trüben in NRW den Blick konservativer Bildungsideologen.

An vielen Orten NRWs, die eine geeigneten Standort für Gesamtschulen hergegeben hätten, wurde von Rot-Grün die Gesamtschul-Idee zuerst durch das charmante Angebot der Gemeinschaftsschule als kleiner Gesamtschule substituiert, und nun durch die Sekundarschule pulverisiert.

Die Streiter für eine Bildungsreform liegen sich heute freudetrunken unter dem Banner des „Schulfriedens“ in den Armen. Morgen werden sie aufwachen und übermorgen wird der Kater heranschleichen.

NRW ist zu bemitleiden. Es wurde vereinbart, dass das Schulsystem bis 2023 nicht mehr angetastet werden soll.

Sylvia ist nicht so hart aufgeschlagen wie ehemals ihre Hamburger Parteikollegin, doch die Luft ist raus aus dem Bildungsaufbruch.

Die Befürworter einer Gemeinschaftsschule, die jetzt in Sekundarschulen-Fans überführt werden, dürfen sich keine Illusionen machen. Die vielen materiellen Lockangebote, die Löhrmann dem „Schulversuch Gemeinschaftsschule“ gemacht hatte, um die CDU auszukontern, werden nun nicht mehr nötig sein.

Es darf wieder gespart werden und zwar dann bei der Sekundarschule aka Gemeinschaftsschule. Das Gymnasium wird als letztes angetastet werden.

Das war der Zweck der Übung.

Es herrscht wieder Ruhe im Land.

Schulkonsens in NRW – Ein Sieg der CDU?

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Gemeinsames Lernen in einer deutschen Grundschule in den 60er Jahren. (archiv: chris)

Fast alle Parteien sind zufrieden: Die grüne Ministerin Löhrmann mit ihrem Koalitionspartner.  Landeschefin Kraft (SPD) freut sich über einen Schulfrieden für die nächsten 12 Jahre.

Die CDU stimmt ein, Philologenverband, GEW, VBE und DGB signalisieren Zustimmung. Die Rede ist von „Frieden“, „Konsens“ und „Kompromiss“. Das klingt nach Harmonie. Lediglich die kleine FDP stänkert ein wenig und sieht das Gymnasium gefährdet.

Im Kern stimmt die große Bildungskoalition für das Zwei-Säulenmodel: Hier die Sekundarschule, explizit ohne Sekundarstufe II, dort das Gymnasium mit Oberstufe und Abitur nach acht Jahren. Damit keiner unzufrieden ist (Konsens!), kann es weiterhin Hauptschulen, Realschulen und Gesamtschulen in NRW geben.

Die Klassengröße in der Sekundarschule darf höchstens 25 Schüler betragen, in den Klassen 5 und 6 wird länger gemeinsam gelernt, es werden auch gymnasiale Standards gelehrt, unterrichtet wird auf Grundlage der Lehrpläne für Real- und Gesamtschulen. (Ist dies nicht ein Widerspruch?)

Die CDU nimmt Abschied von der eh gescheiterten Verbund-Schule, ebenso wie sie Abschied von der abgewählten Hauptschule nehmen muss. In der Bildungspolitik wird diese Partei von der tatsächlichen Entwicklung getrieben. Und nun ist es ihr gelungen, den Status Quo für die kommenden 12 Jahre festzuschreiben. Es war der CDU wichtig, dass die Sekundarschule ohne eine eigenständige Oberstufe daherkommt. Nur so kann die Oppositionspartei die Entwicklung dieser Schulform zu einer attraktiven Alternative zum herkömmlichen Gymnasium verhindern.

Vermutlich ist in diesem Land tatsächlich nicht mehr drin. Wer das Ziel eines integrativen Schulsystems noch nicht aufgegeben hat, wer sich optimal ausgestattete Schulen wünscht, in denen alle Kinder gemeinsam entsprechend ihrer Fähigkeiten lernen und gefördert werden und alle – unabhängig von ihrer sozialen Herkunft – die gleichen Chancen haben, der kann über diesen Schulfrieden nur den Kopf schütteln.

Gerade in einer Zeit, in der durch den demographischen Wandel große Veränderungen im Bildungssystem anstehen, wird das gegliederte Schulsystem in Nordrhein-Westfalen einzementiert.