Hochsauerland: Fast immer “GaGaGroKo” im Kreistag?

SBL20160628Seit der letzten Wahl des Kreistags gibt es im Hochsauerlandkreis eine Besonderheit. Gemeint ist nicht die absolute Mehrheit der CDU (28 von 54 Sitzen), sondern fast immer kann sich die größte Fraktion auf Unterstützung durch SPD-, FDP- und Grüne-Fraktion verlassen. Das ergibt zusammen 49 von 54 Stimmen (ohne den Landrat). Die Opposition bringt aus SBL/FW, Linken und Piraten bringt es zusammen nur auf 5 Stimmen; das ist ein geringerer Anteil, als die Opposition im Bundestag mit ca. 20% hat.

(Der Artikel ist in ähnlicher Form zuerst am 25. Juni auf der Website der Sauerländer Bürgerliste erschienen.)

Erstaunlich ist, dass diese GaGaGroKo (“GanzGanzGroßeKoalition”) auch bei Themen zusammen abstimmt, bei denen dies niemand erwarten würde. Dies zeigte sich erneut in der Sitzung des Kreistags am vergangenen Freitag.

Hier einige Beispiele für Entscheidungen:
Genehmigung einer Windenergieanlage in Marsberg-Meerhof, außerhalb der sog. Konzentrationszonen für solche Anlagen.
Der Landschaftsbeirat hatte wegen der Artenschutzes widersprochen. Dieser Widerspruch wurde jedoch vom Kreistag – ohne jede inhaltliche Sitzungsvorlage und Diskussion überstimmt, mit den Stimmen von CDU, SPD, FDP und Grünen.

Bahncard
Für Bus und Bahn soll ein Westfalentarif eingeführt werden. In ihm sollen die Bahncard25 und Bahncard 50 nicht gelten. Die Bahncards sind für Vielfahrer attraktiv, führen also zur Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs. Dies hätte teilweise Fahrpreiserhöhungen von mehr als 100% für Bahncard-Besitzer zur Folge. Können sie heute bei Bahnfahrten z.B. ins Ruhrgebiet, nach Ostwestfalen oder nach Siegen ihre Bahncard einsetzen, soll das im neuen großen Tarifgebiet nicht gehen. Andere große Verkehrsverbünde (z.B. Rhein-Main, Rhein-Neckar, Brandenburg, Schleswig-Holstein, Thüringen) gewähren dagegen auch im Nahverkehr Ermäßigungen für Bahncard-Inhaber. Der Kreistag lehnte den Antrag der SBL/FW, die Anerkennung der Bahncard im neuen Tarifgebiet zu fordern, ab, wieder mit den Stimmen von CDU, SPD, FDP und Grünen.

Kreiswahlausschuss für die Landtagswahlen
Der HSK besteht aus 2 Wahlkreisen. Für beide wurde nun vom Kreistag ein gemeinsamer Wahlausschuss gebildet. Die Kreisverwaltung hatte vorgeschlagen, dass von den insgesamt 6 Sitzen 3 an die CDU. 2 an die SPD und 1 an die Grünen gehen sollte. Die Opposition war damit jedoch nicht einverstanden und machte eigene Wahlvorschläge. Bei der anschließenden geheimen Wahl erhielten CDU (27) und SPD (13) jeweils so viele Stimmen, wie von ihnen Kreistagsmitglieder anwesend waren. Der Vorschlag der Grünen erhielt so viele Stimmen, wie Grüne und FDP zusammen Sitze haben (7). 5 Stimmen gingen erwartungsgemäß an den Wahlvorschlag der Opposition. Im Ergebnis hat die Opposition damit einen Sitz im Wahlaussschuss erlangt, anders als von der Kreisverwaltung vorgeschlagen.

Berufskollegs
Es stehen erhebliche Sanierungsaufgaben in den kreiseigenen Schulen an. Seit einigen Monaten ist ein Gutachterbüro damit beschäftigt, Aufgabenverteilung und Gebäude zu untersuchen, ob sie noch benötigt werden, und welche Klassen zusammengelegt oder getauscht werden sollten. Bisher ging es um das Berufskolleg Arnsberg-Hüsten (Berliner Platz), wo vor allem statische Probleme zu lösen sind. Nun wurde auf Vorschlag der Kreisverwaltung auch die Einbeziehung des BK Meschede vom Kreistag beschlossen. Der Antrag der SBL/FW, doch gleich alle 5 Berufskollegs zu betrachten, wurde von CDU, SPD, FDP und Grünen abgelehnt. Dabei weiss jeder, dass es bald dazu kommen wird; sogar der “Haussender” der Kreisverwaltung (Radio Sauerland) meldete heute morgen: “Ein externes Gutachten soll die fünf Berufskollegs im Hochsauerlandkreis fit für die Zukunft machen.” Das war der Antrag der SBL/FW, ist aber offiziell abgelehnt worden…

Freihandelsabkommen CETA
Wir haben auf diesen Seiten mehrfach über die Gefahren und Risiken durch das Freihandelsabkommen für die Kommunen berichtet. Diese ergeben sich auch aus dem jüngst von der baden-württembergischen Landesregierung veröffentlichten Gutachten des (konservativen) Europarechtlers Nettesheim. Anders als viele andere Kommunen und die kommunalen Spitzenverbände war die GaGaGroKo im Hochsauerlandkreis jedoch nicht bereit, eine ablehnende Resolution zu beschließen (mit Ausnahme eines einzelnen der vier Grünen Kreistagsmitglieder). Die beiden Bundestagsabgeordneten aus dem HSK sind Mitglieder im konservativen Arbeitskreis ihrer jeweiligen Bundestagsfraktion (Seeheimer Kreis bzw. Berliner Kreis). Das scheint sich auch hier im Kreistag so bemerkbar zu machen, dass nichts gegen die Interessen der Bundesregierung beschlossen wird…

Naturdenkmalverordnung
Mit dieser Verordnung werden besonders erhaltenswerte Bäume geschützt. Bisher hieß es in der Verordnung, die “Untere Landschaftsbehörde trägt die Verkehrssicherungspflicht”. Mit den Stimmen der GaGaGroko wurde dieser Satz gestrichen; die Kostentragung ist nun an eine nicht näher definierte Erfordernis geknüpft. Und es wurden zahlreiche einzelne Bäume auf Vorschlag der Kreisverwaltung für nicht mehr Naturdenkmal-würdig erklärt. Die Frage, nach welchen Kriterien hierbei vorgegangen wurde, konnte die Verwaltung nicht beantworten.

Kommunale Konferenz Gesundheit, Alter und Pflege (KGAP)
Die SBL/FW hatte darauf hingewiesen, dass es sich nicht nur um eine Umbenennung der bisherigen Gesundheits- und Pflegekonferenz handelt, sondern neue Aufgaben und viele neue Mitglieder (von Verbänden) hinzu kommen sollen. Daher sei auch eine Neuwahl der Vertreter des zuständigen Fachausschusses des Kreistags nötig. Das führte dazu, dass die Kreisverwaltung im Kreistag den Punkt von der Tagesordnung absetzen ließ; sie wolle eine “rechtliche Prüfung” vornehmen. Eine Woche vorher, in der Sitzung des Gesundheits- und Sozialausschusses, hatte die Verwaltung noch behauptet, es gebe keinen Bedarf für eine Änderung ihrer Sitzungsvorlage. Hier brauchte die GaGaGroKo noch nicht zu entscheiden…

Nicht lernfähig: Preistreiber Kreismusikschule

Kleine Straßen-Streicher in Hallenberg. (foto: zoom)
Immer teurer – musizieren mit der Musikschule. Auftritt 2011 in Hallenberg. (archiv: zoom)

Mittlerweile ist die Anhebung der Entgelte für die Kreismusikschule ein regelmäßig wiederkehrendes Ritual.

(Der Artikel ist zuerst auf der Website der Sauerländer Bürgerliste erschienen)

1. Alle 2 bis 3 Jahre beginnt der Ablauf damit, dass das Kulturamt in der Kreisverwaltung eine Sitzungsvorlage für den Kulturausschuss und für den Kreistag erstellt. Darin heißt es, dass eine Anhebung der Musikschulentgelte erforderlich wäre, um den angestrebten Kostendeckungsgrad von 50% zu erreichen.

2. Die neue Entgelttabelle wird anschließend in den Gremien diskutiert, und die (kleine) Opposition weist darauf hin, dass die letzte Entgeltanhebung nichts gebracht habe. Denn die erwarteten Einnahmesteigerungen seien nicht eingetreten, stattdessen habe sich im zeitlichen Zusammenhang mit dem Wirksamwerden der höheren Preise die Schülerzahl deutlich vermindert. Da auch die Ausgaben unverändert blieben, habe sich die Situation verschlechtert: die Musikschule erreiche weniger Schüler, und das Defizit nähme zu.

Die Kreismusikschule solle besser ihre Einnahmen durch zusätzliche Angebote erhöhen, z.B. durch Blockkurse in den Ferien, wenn die Schüler mehr Zeit haben.

3. Die GaGaGroKo nickt trotzdem die von der Kreisverwaltung vorgeschlagene Entgeltanhebung ab, die somit in Kraft tritt, und alle Vorschläge der Opposition werden abgelehnt.

4. Es kommt wieder zu zahlreichen Abmeldungen von Schülern, und die Einnahmen sinken statt dass sie steigen. Dies wird auch durch die Jahresrechnung der Musikschule dokumentiert.

5. (wie 1.). Das Kreiskulturamt stellt fest, dass die Einnahmen der Kreismusikschule erhöht werden müssen, und erstellt eine Sitzungsvorlage mit der nächsten Entgelterhöhung.

6. usw usf …

Derzeit befinden wieder uns wieder am Anfang eines neuen Durchlaufs. Für die Sitzung des Kulturausschusses am 03.12.2014 hat die Kreisverwaltung die Drucksache 9/145 erstellt. Darin wird die nächste Entgeltanhebung vorgeschlagen. Neu: Nachdem die letzten Entgelterhöhungen bei jeweils etwa 5% lagen, werden diesmal gleich 12 (zwölf!) Prozent mehr gefordert. Der ultimative Härtetest für die Kreismusikschule? Immerhin wird sogar in der Vorlage darauf hingewiesen, dass in den Jahren 2010 und 2012, als die letzten Entgelterhöhungen wirksam wurden, die Abmeldezahlen deutlich höher als in den anderen Jahren lagen.

Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang ein Blick in die Jahresrechnung 2013 der Kreismusikschule (Drucksache 9/89 vom 15.10.2014). Geplant waren Einnahmen aus “privatrechtlichen Leistungsentgelten” in Höhe von 1.588 TEuro, 96 TEuro mehr als im Vorjahr. Tatsächlich betrugen diese Einnahmen jedoch nur 1.482 TEuro. Das waren sogar noch 10 TEUro weniger als im Jahr 2012. Und im Jahr 2013 wurde die zum 01.08.2012 eingeführte Entgeltanhebung erstmals in vollen Jahr wirksam. Deutlicher kann das Misslingen der Preiserhöhungen kaum sichtbar werden!

Diesmal versucht man es also mit einer besonders drastischen Verteuerung. Die jährlichen Kosten für Früherziehung und Grundausbildung sollen von 276 Euro auf 312 Euro steigen. Wer in einer Gruppe von 3-4 Jugendlichen wöchentlich (außer in den Schulferien und an Feiertagen) 60 Minuten Unterricht erhält, soll künftig 624 Euro statt bisher 552 Euro zahlen. Das sind dann pro Stunde (wenn man immer teilnimmt) 16 Euro! 45 Minuten wöchentlicher Einzelunterricht sollen von 1.452 Euro auf 1.632 Euro steigen.

Ob das einen Sinn gibt? Wir befinden uns auf dem Weg zu einer Kreismusikschule, die mit immer weniger Schülern bei immer höheren Entgelten immer höhere Defizite erzielt.

Chance vertan: Eigentor der Grünen bei der „Ganz ganz großen Koalition“ im Kreistag.

gagagrokoIn der Kreistagssitzung am letzten Freitag wurden auch die Benennung der Ausschussvorsitzenden wiederholt. Anlass war, dass Landrat und Kreisverwaltung – mal wieder – gravierende Fehler im Verfahren gemacht hatten:

Eine Verständigung von nur 4 der 6 Fraktionen wurde zur Einigung der Fraktionen erklärt und das eigentlich erforderliche Zugriffsverfahren unterblieb.
Unsere Schilderung der Vorgeschichte:

http://sbl-fraktion.de/?p=4764

Bei der Wiederholung kam es nun doch zum Zugriffsverfahren für die Ausschussvorsitze. Zum Resultat der Neubesetzung bleibt zu bemerken, dass die GaGaGroKo (ganz ganz große Koalition) – bestehend aus CDU, SPD, Grüne und FDP – entschied, dass die „Kleinen“, das sind die Fraktionen Die Linke und SBL/FW und das Einzelmitglied der Piraten, bei den Ausschussvorsitzen nicht zum Zuge kamen. Die GaGaGroKo blieb unter sich, obwohl es nahe gelegen hätte, dass die “Kleinen”, die zusammen immerhin 5 der 54 gewählten Kreistagsmitglieder stellen, eine der 16 Positionen erhalten hätten.

Unserer Meinung nach haben sich die Grünen mit ihrem Anhängen an die GaGaGroKo ein Eigentor geschossen. Denn wären sie eine Zählgemeinschaft mit den drei „Kleinen“ eingegangen, hätten sie für 6 Jahre den Vorsitzenden im Umweltausschuss oder in einem der anderen 5 Fachausschüsse mit politischen Inhalten stellen können. So kam für die Grüne Kreistagsfraktion nur der Vorsitz im Rechnungsprüfungsausschuss heraus. Der tagt immer nicht öffentlich und hat keinerlei politische Aufgaben. Dumm gelaufen …