Can Dündar veröffentlicht Biografie
Erdoğans als Graphic Novel

Can Dündar (Foto CORRECTIV / Ivo Mayr)

Journalist Can Dündar und Künstler Mohamed Anwar zeichnen in der Graphic Novel „Erdoğan“ die Geschichte des türkischen Präsidenten nach und zeigen in eindrücklichen Bildern seinen Weg zur Macht. Die Graphic Novel wird am 24. Oktober 2021 auf der Frankfurter Buchmesse präsentiert.

(Pressemitteilung Correctiv)

Recep Tayyip Erdoğan gilt als einer der umstrittensten Politiker des 21. Jahrhunderts. Aus einfachen Verhältnissen brachte er es an die Spitze der Türkei. Dabei nutzte er die Demokratie wie einen Aufzug an die Macht, den er abstellte, sobald er oben angelangt war. 

Mit akribischer Recherchearbeit spüren Can Dündar und Mohamed Anwar den Wurzeln Erdoğans nach, folgen seiner Leidenschaft und Wut in Kindheit und Jugend, dokumentieren Taktiken, mit denen er als Islamist in liberalen Kreisen Unterstützung fand und tauchen tief in die Geheimnisse seines politischen und persönlichen Aufstiegs ein. So gelingt es Autor Dündar und Zeichner Anwar, die Entwicklungen der Türkei von einem säkularen Land in einen autoritär-islamistischen Staat zu erklären.

Mohamed Anwar (Foto: CORRECTIV)

Drei Jahre arbeiteten Can Dündar und Mohamed Anwar gemeinsam an der Veröffentlichung. Ihr Ziel ist die Aufklärung über die politische Türkei – in ihrem Werk urteilen sie nicht. Die Entwicklungen in der heutigen Türkei werden nachvollziehbar, die Herausforderungen der türkischen Gesellschaft und die Schwierigkeiten im Umgang mit einem autoritären Machthaber erkennbar. 

Der türkische Journalist Can Dündar und ägyptisch-sudanesische Zeichner Mohamed Anwar haben einen gemeinsamen Hintergrund: Beide mussten aus ihrem Heimatland flüchten, weil ihre kritischen Veröffentlichungen von den Regierenden nicht geduldet wurden. 

Der Autor des Werkes, Can Dündar, war lange Chefredakteur der renommiertesten und ältesten Zeitung der Türkei, der Cumhuriyet, bis er aufdeckte, wie der türkische Geheimdienst Dschihadisten in Syrien illegal mit Waffen belieferte. Dafür wurde Can Dündar verhaftet, aus dem Job entfernt und nach einem gescheiterten Attentat ins Exil gedrängt. In Abwesenheit verurteilte ihn ein von Erdoğan abhängiges Gericht zu über 25 Jahren Haft.

Can Dündar lebt heute in Berlin und ist hier Chefredakteur des Webradios #ÖZGÜRÜZ. 

Der Zeichner Mohamed Anwar ist ein ägyptisch-sudanesischer Comiczeichner und politischer Karikaturist. Auch er musste sein Heimatland verlassen: Nachdem 2019 die politischen Reformen des Arabischen Frühlings zunichte gemacht wurden, wurde er verhaftet und aus Ägypten deportiert. Über Beirut konnte er nach Berlin flüchten, wo er heute lebt und arbeitet.

Ihre Wege kreuzen sich im Berliner Exil, wo die Idee zur Graphic Novel „Erdogan“ entsteht. Das Werk überrascht, fasziniert und ernüchtert. Es erscheint als erstes Buch im neu gegründeten Verlag ÖZGÜRÜZ Press. Im Verlag werden weitere Bücher verfolgter Autorinnen und Autoren erscheinen. 

Fakten zur Graphic Novel:
Titel: Erdoğan
Autor: Can Dündar, Zeichnungen: Mohamed Anwar
Erschienen bei: ÖZGÜRÜZ Press
Hardcover, 368 Seiten
ISBN: 978-3-948013-10-3

Veranstaltungen:
23.10.2021, 14 Uhr: Can Dündar und Mohamed Anwar stellen das Buch im Rahmen der Frankfurter Buchmesse vor

24.10.2021, 12 Uhr: Online-Gesprächsrunde mit Can Dündar und Mohamed Anwar (englisch); Moderation Semra Uzun-Önder

24.10.2021, 16 Uhr: Online-Gespräch mit Can Dündar (türkisch); Moderation Semra Uzun-Önder

Dündar: „Ein System, das solche Strafen aussprechen muss, wird zusammenbrechen.“
Der Journalist Can Dündar wurde in der Türkei zu über 27 Jahren Haft verurteilt.

Grafik: CORREKTIV

Nachdem der türkische Journalist Can Dündar von einem Istanbuler Gericht zu über 27 Jahren Haft wegen Spionage und Terrorunterstützung verurteilt wurde, äußert er sich nun gegenüber dem Recherchezentrum CORRECTIV zu dem Verfahren: „Ein System, das solche Strafen aussprechen muss, weil ein Reporter die Wahrheit berichtet hat, ist offensichtlich moralisch geschwächt und wird zusammenbrechen. Nach dem Urteil fühle ich mich deswegen gestärkt.“

(Pressemitteilung von CORRECTIV)

Dündars Anwälte boykottierten aus Protest die Verhandlung, um ein politisches Verfahren nicht durch ihre Anwesenheit zu legitimieren. Das Urteil gegen Can Dündar setzt sich zusammen aus einer Strafe von 18 Jahren und neun Monaten Haft wegen Spionage und zu weiteren acht Jahren und neun Monaten wegen Terrorunterstützung.

Aus dem Exil macht Dündar Radio für die Türkei

Bis zu seinem Gang ins Exil war Can Dündar Chefredakteur der türkischen Zeitung „Cumhuriyet“. Im deutschen Exil leitet er das von CORRECTIV betriebene Web-Radio „Özgürüz.org“ (We are free) und ist weiter als Journalist und Dokumentarfilmer aktiv. Das Istanbuler Gericht ordnete Dündars Festnahme an.

Hintergrund des Verfahrens ist ein Zeitungsbericht aus dem Jahr 2015, in dem die Zeitung „Cumhuriyet“ Informationen darüber veröffentlichte, dass die Regierung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdo?an islamistischen Rebellen in Syrien Waffen lieferte. Can Dündar legte Videobeweise für die Waffenlieferungen vor. Die Lieferungen verstießen gegen internationales Recht. Erdo?an sagte nach der Veröffentlichung im Staatsfernsehen, dass der Journalist für diese Veröffentlichung einen hohen Preis zahlen werde.

„Meine Arbeit waren die Folgen wert“

Can Dündar sagt dazu: „Als Journalist in der Türkei muss man damit rechnen, verfolgt zu werden, wenn man die Wahrheit berichtet. Gleichwohl ist es die Pflicht der Reporter, Missstände und Korruption aufzudecken, um eine demokratische Entwicklung zu ermöglichen.“

Gegen Can Dündar laufen weitere Verfahren in der Türkei. Gegenüber CORRECTIV sagt er: „Meine Arbeit war die Folgen wert. Wir müssen als Journalisten ein Beispiel geben für die Demokratie.“

Die Türkei steht international regelmäßig wegen ihrer systematischen Einschränkung der Pressefreiheit in der Kritik. Das Land belegt derzeit den 154. Platz auf der Rangliste der internationalen Pressefreiheit der Organisation Reporter ohne Grenzen.

Mehr lesen Sie hier:
https://correctiv.org/in-eigener-sache/2020/12/23/hartes-urteil-gegen-can-duendar/