Finnentrop. „CDU und SPD schweigen Antrag vom Tisch„, titelt DerWesten in einem Bericht über eine Ratssitzung Anfang dieser Woche in Finnentrop.
Zu einer in der parlamentarischen Geschichte der Gemeinde einmaligen Situation wäre es im Rat der Stadt Finnentrop gekommen. CDU und SPD hätten „teilweise grinsend und schweigend“ den Antrag der FÜR-Fraktion abgelehnt, die „Josefa-Berens-Straße“ und die „Maria-Kahle-Straße“ umzubenennen.
Mit 21 Nein, 10 Ja und einer Enthaltung wurde, so Autor Gunnar Steinbach, „der Antrag vom Tisch geschwiegen“.
Braune Farbtupfer?
Der Finnentroper Bürgermeister Dietmat Heß verglich in einem Interview mit der Lokalzeit die Diener des Nazi-Regimes mit „braunen Farbtupfern“: Es sei der falsche Weg, die Gegenwart blank putzen zu wollen, indem man jeden braunen Farbtupfer aus der Landschaft entferne.
Die Lokalzeit berichtet: http://www.ardmediathek.de/wdr-fernsehen/lokalzeit-suedwestfalen/lokalzeit-suedwestfalen?documentId=19680530
WDR Studio Siegen: http://www1.wdr.de/studio/siegen/nrwinfos/nachrichten/studios29634.html
Klima der Angst?
Das Schweigen im Rat erklärt der Bürgermeister heute in der Presse mit einem „Klima der Angst“.
Eine „Schande in Finnentrop“ urteilt der Theologe und Publizist Peter Bürger. Seinen Leserbrief veröffentlichen wir hier im Wortlaut:
Zentrumsleute und Sozialdemokraten im Sauerland wussten schon vor 1933, dass Josefa Berens und Maria Kahle zu den rechtsextremistischen Feinden der Republik gehörten.
In Finnentrop stimmen nun CDU und SPD gemeinsam dafür, dass diese beiden frühen Hitler-Verehrerinnen und Judenfeindinnen vor Ort auf Straßenschildern bleiben. Hier hat die von den Nazis vor über 70 Jahren betriebene Kulturpropaganda noch einmal glorreich gesiegt. Dass es im schwarzen Sauerland, zumal im Kreis Olpe, einmal so weit kommen würde, hätte selbst Goebbels sich wohl kaum erträumen können.
Berens verehrte nach ihrem Kirchenaustritt Wotans Götterwelt. Kahle besang gut neuheidnisch einen „deutschen Gott“ und verglich das Volk Israel mit Schmarotzerpflanzen. Während andere ins KZ kamen, verdienten Kahle und Berens als NS-Predigerinnen viel Geld. Man sollte sie nicht posthum vernichten, aber auch nicht öffentlich ehren.
Finnentrop hat mit Pater Kilian, Maria Autsch und Josef Quinke gleich drei heilige Christen, die sich den Nazis nicht beugten und deshalb umkamen! Das sind unsere sauerländischen Vorbilder! Ebenso Menschen wie etwa der SPD-Mann Josef Bleser aus Finnentrop, der 1933/34 drei Monate in Nazi-Haft kam.
Was werden die Nachfahren der von den Nazis am Ort verfolgten jüdischen Familie Jakob zur Schande der verweigerten Straßennamen-Debatte sagen? Jetzt soll Judenhetze nur noch ein verzeihliches, damals eben allgemein übliches Kavaliersdelikt gewesen sein? Schämen müssen sich die sogenannten Christdemokraten und die sogenannten Sozialdemokraten von Finnentrop.
Jeder christliche oder humanistische Sauerlandpatriot, der die Geschichte unserer Landschaft kennt, kann jetzt nur noch auf höheren Beistand hoffen.
Peter Bürger (Theologe, Publizist), Düsseldorf/Eslohe
„Bürgermeister Dietmar Heß verglich in einem Interview mit der Lokalzeit die Diener des Nazi-Regimes mit “braunen Farbtupfern”: …“
M.E. ist das Statement des BM eine widerliche Verniedlichung. „Braune Farbtupfer“ auf (seinerzeit) braun grundierter Leinwand boten nur bedingt Kontrast. „Ton in Ton“-Malerei wurde gerne von vielen „Künstlern“ praktiziert und vom Regime honoriert.
„Klima der Angst“
Der Bürgermeister von Finnentrop spricht von einem „Klima der Angst“. Wie soll ich das denn verstehen? Warum und wovor haben die Finnentroper Angst? Sind die da etwa im „Vierten Reich“ angekommen?
Gerade von Ratsvertretern erwarte ich, dass sie ihre Meinung sagen und zwar unabhängig von Fraktionszwängen und -verbindlichkeiten. Das, wenn auch nicht nur das, verstehe ich unter Freiheit. Wir sprechen nicht umsonst von MeinungsFREIHEIT. Dazu gehört selbstverständlich auch der Mut zur friedlichen Auseinandersetzung. Ne, „Klima der Angst“, das verstehe ich nicht. ???
Herr Heß, Bürgermeister der misslungenen Metaphern:
„Es ist der falsche Weg, die Gegenwart einfach blank putzen zu wollen, indem man jeden braunen Farbtupfer aus der Landschaft entfernt.“
Die Auseinandersetzung mit der Ehrung von Befürwortern und aktiven Unterstützern des NS-Staates mündet keinesfalls in ein „Blankputzen“ der Gegenwart. Eine öffentliche Ehrung in Form eines Straßennamens ist kein „Farbtupfer“, sondern ein politisches Statement.
Die Ehrung von Nationalsozialistinnen bedeutet, dass die Stadt sich nicht von nationalsozialistischem, rassistischem, antisemitischem und kriegstreiberischem Gedankengut distanzieren möchte. Das gibt zu denken.
Wenn Bürgermeister Heß sich nun in einem Klima der Angst wähnt, verwechselt er Ursache und Wirkung. Er polarisiert und gibt den Nachkriegskonsens einer wehrhaften Demokratie auf, in der sich Demokraten aller Couleur nicht mit braunen Ideen gemein machen. Er macht sich gemein, bekommt Gegenwind und diskriminiert nun diejenigen, die ihn kritisieren.
Stattdessen sollte Herr Heß stolz auf den funktionierenden demokratischen Diskurs in seinem Gemeinwesen sein.
Erklärung des SPD-Kreisverbandes Olpe zur Ablehnung der Straßenumbenennung in Finnentrop
http://spd-kreis-olpe.de/meldungen/13909/155931/Erklaerung-des-SPD-Kreisver–bandes-Olpe-zur-Ablehnung-der-Straszenumbenennung-in-Finnentrop.html
Herr Heß wirft Kritikern eine totalitäre Haltung, „intellektuelle Hochnäsigkeit“ und eine „wahlkampfgeleitete Aktion“ vor.
Gleichzeitig spricht er seine finnentroper Nazissen mit folgenden Worten frei:
„Es gibt Verstrickungen und wohl einen gewissen Unterton in den Werken von Josefa Berens und Maria Kahle, aber keine Erkenntnisse darüber, dass sich eine der beiden des Mordes oder der Denunziation schuldig gemacht hat“.
Nach Angaben des Sauerlandkuriers habe sich der BM ansonsten nicht weiter mit den Werken der beiden Frauen auseinandergesetzt.
http://www.sauerlandkurier.de/politik/ergebnis-einer-demokratischen-entscheidung/