
„Wir dürfen uns nicht in die Tasche lügen. Die SPD liegt in den Umfragen zur Bundestagswahl bei 20%“.
Achim Post (Vorsitzender der NRW Landesgruppe in der SPD-Bundestagsfraktion) kommt schnell zur Sache. Vor der „Flüchtlingsfrage“ wäre die Politik wie in Stein gemeißelt erstarrt gewesen. Jetzt sei alles in Bewegung.
Konferenz der Sauerländer SPD zum Wahljahr 2017. Der Versammlungssaal im Bestwiger Gasthof Hengsbach ist am Dienstag Abend fast komplett gefüllt. Die Mehrzahl der Genossen ist männlich und, wie sich im Verlauf der nächsten zwei Stunden herausstellen wird, sehr kritisch.
Achim Post, seit Oktober 2012 Generalsekretär der Sozialdemokratischen Partei Europas (SPE), skizziert die Weltlage von Trump über Europa bis Deutschland in dunklen Farben.
In der Einschätzung von Trump gebe es zwei „Schulen“. Die einen meinten, es werde schrecklich, die anderen hofften darauf, dass Trump von den Sachzwängen eingerahmt und gemäßigt werde.
Das Kabinett Trump, so Achim Post, sei ein „Horrorkabinett“ mit dem König der Zwangsversteigerungen, dem König der Bankrotteure. Die Umweltbehörde werde von einem Minister geleitet, der den Klimawandel leugne, „Mad Dog“ wäre ins Verteidigungsministerium und die Verachtung der Minderheiten ins Justizministerium eingezogen.
„Ich habe bei Ben Wisch angefangen. Damals war die Lage in der Welt sehr übersichtlich.“ Heute jage ein Schrecken den anderen. Syrien schrecklich, der Nahe Osten so schlecht wie noch nie.
„Der Gewinner des Jahres 2016 ist Putin.“
Auch in Europa stünden schwere Zeiten bevor. Die Rechtspopulisten um Geert Wilders könnten bei den Wahlen im März in Niederlanden stärkste Partei werden. Die Sozialdemokraten würden nach Umfragen auf 7% abstürzen.
Marine Le Pen habe im April/Mai eine Chance die Wahlen in Frankreich zu gewinnen. Wenn Le Pen gewinne, so Post, „haben wir ein richtiges Problem, und ich meine EIN RICHTIGES PROBLEM“.
In Tschechien würde eventuell im Oktober mit dem Unternehmer und Milliardär Andrej Babis eine Mischung aus Trump und Berlusconi zum Ministerpräsidenten gewählt.
Die Lage für die SPD in Deutschland sieht Achim Post durchwachsen. Den Kanzlerkandidaten hätte die SPD, wäre es nach ihm gegangen, früher bestimmen sollen. Eine Urwahl der Mitglieder wäre aber nur möglich gewesen, wenn auch andere Kandidaten ihren Hut in den Ring geworfen hätten. Martin Schulz und Olaf Scholz seien bei anderen Gelegenheiten nicht durch Zurückhaltung aufgefallen.
Im Jahr 2017 gehe es politisch richtig los. „Und was macht die SPD“?
1. Die SPD solle zusammenhalten und sich „nicht gegenseitig in die Fresse hauen.“
2. Mutig sein. Immerhin habe man, trotz Minderheit in der Bundesversammlung, Frank Walter Steinmeier als Bundespräsidentenkandidaten durchbekommen.
3. Die SPD solle sich nicht nur als Regierungspartei, sondern auch als Mitgliederpartei und Volkspartei sehen. Bis auf die AfD solle man für Regierungsbündnisse mit allen anderen im Bundestag vertretenen Parteien offen sein.
4. Ralf Dahrendorf habe schon 1983 das Ende des sozialdemokratischen Zeitalters konstatiert, doch die alten Inhalte der Sozialdemokratie seien „kein kalter Kaffee“.
Das alte sozialdemokratische Milieu (Reihenhaussiedlung, alle waren gleich) sei zerstört. 1973 arbeiteten zum ersten Mal mehr Menschen im Dienstleistungssektor als in der Industrie. Heute hätten mindestens 20% der Beschäftigten kein ordentliches Arbeitsverhältnis.
Für welche Inhalte sollte die SPD heute eintreten?
Kampf für Demokratie. „Wir haben doch vor zwei Jahren noch gedacht, unsere Demokratie wäre unzerstörbar.“ Doch heute sei sie gefährdet durch Nazis, Islamisten, russische Hacker und türkische Nationalisten.
Europa. Wer wie in England 30 Jahre gegen Europa hetze, brauche sich nicht zu wundern. Wirtschaftlich starke Regionen in England und Schottland waren gegen den Austritt. Trotz aller Schwächen habe Europa Vorteile, „Wir profitieren vom Binnenmarkt.“
Soziale Gerechtigkeit als Kern. Die 20% der SPD hätten ihre Ursache auch in der Agenda 2010. Das Krankensystem müsse wieder paritätisch finanziert werde. Man müsse gegen die Rente mit 71, die vom Sachverständigenrat gefordert werde, sein.
Friedenspolitik. Das Säbelrasseln zwischen der NATO und Putin sei sehr gefährlich.

In der nachfolgenden Diskussion wurden Unsicherheit und Unzufriedenheit geäußert. Es gab niemanden, der für ein „Weiter so“ gesprochen hätte.
Einige Stimmen:
„Wie brechen wir unsere Vorstellungen auf den ländlichen Raum hinunter. Wie erreichen wir die Leute?“
„Wir müssen uns für die Leute einsetzen, die nicht so gut bezahlt werden, für die Leiharbeiter, für die mit den 400 Euro Jobs.“
„Vissmann hat über Weihnachten alle Leiharbeiter entlassen, aber 10 Flüchtlinge eingestellt. Das ist ein Problem.“
„Die Leute gehen uns verloren. Es sind nicht wenige. Wir brauchen gerechte Arbeit und gerechte Bezahlung.“
„Mit Populismus sind wir schlecht beraten.“
„Gabriel ist als Kanzlerkandidat nicht der Kandidat, den die Leute wollen.“
„Es fehlt das Zukunftsgefühl.“
„Der Mindestlohn wird unterlaufen, das Tariftreuegesetz gebrochen.“
„Wir müssen uns von ALLEN Parteien abgrenzen können.“
„Wir haben kein Problem mit den Rechtspopulisten, sondern ein Problem mit unserer Glaubwürdigkeit.“
„Wir schaffen es nicht die Vergangenheit adäquat aufzuarbeiten. Hartz IV ist „Scheiße“. Wer hat denn die Rente mit 67 erfunden?“
„Die Kollegen sehen [Müntefering] aus Sundern als Verursacher der Rente mit 67.“
„Schröder unterstützt Gabriel. Ist das gut? Die Kolleginnen und Kollegen sehen: die haben es nicht gelernt.“
„Wie haben uns in den vergangenen Koalitionen verzwergt.“
„Das andere, was wir in letzter Zeit erreicht hatten, das war die AGENDA.“
„Viele unserer Wähler wählen AfD.“
„Ich hoffe, bete, dass wir nicht noch einmal mit 20% in die große Koalition gehen.“
„Wie war das mit der Mehrwertsteuererhöhung. Im Wahlkampf dagegen. Die CDU für 2% und Steinbrück schließt als „Kompromiss“ 3% ab.“

Das Lokale im Hintergrund
Über all den Problemen, die die SPD zu verarbeiten hat, rückten in den knappen zwei Stunden die beiden Landtagskandidaten Peter Newiger und Margit Hieronymus in den Hintergrund.
„Wir haben unsere Landtagskandidaten nicht konfrontiert“, bemerkte ein Teilnehmer gegen Ende der Veranstaltung. Der Wirtschaftsstandort NRW, sowie die Bildungspolitik wurden nur angerissen.
Franz Schrewe, ehemaliger Bürgermeister von Brilon, war sauer über die „verdammte ewige Schlusslichtdebatte[NRW]. Man müsse nur die richtigen Zeitungen lesen, dann „sind wir nicht mehr Schlusslicht“, beklagte er die Berichterstattung der heimischen Presse.
Rüttgers CDU, das wäre Stillstand gewesen. „Nix hat sich getan als die CDU dran war.“
Er ärgerte sich über die „rechten Hetzer“, die auf den Leserbriefseiten viel Raum bekämen.
Der Briloner Bundestagsabgeordnete Dirk Wiese, der die Veranstaltung organisiert hatte, zeigte sich am Schluss optimistisch. Die heimische SPD wäre gut aufgestellt und sehr gut vernetzt. Für das Hochsauerland habe er in seiner Zeit als Bundestagsabgeordneter viel erreicht, Gelder für Infrastrukturprojekte wie den Wegeschluss der B7n.
Die Diskussion sei notwendig und ehrlich gewesen. „Wir haben im HSK immer gut gelegen.“
Neues von der Volksbühne, die Tim Renner, SPD, zu dem gemacht hat, was sie ist (siehe Kommentare oben):
„Protest gegen neuen Intendanten
Aktivisten besetzen Volksbühne
Im Vorfeld war die Aktion angekündigt worden: Etwa hundert Menschen haben die Berliner Volksbühne besetzt – sie wollen so für einen kompletten Neustart am Rosa-Luxemburg-Platz kämpfen.
…
Man verstehe sich als Zentrum gegen Gentrifzierung. Zudem kritisierte eine Sprecherin die Einsetzung des neuen Intendanten Chis Dercon: Man setze eine kollektive Intendanz im Haus am Rosa-Luxemburg-Platz ein.
Dercon solle sein Programm in der Dependance im Tempelhofer Feld fortführen dürfen
…“
http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/berliner-volksbuehne-aktivisten-besetzen-theater-a-1169420.html
Statt den Flughafen Tegel offen zu halten – heute dazu Volksabstimmung in Berlin –, könnte man den Flughafen Tempelhof ja wieder öffnen:
dann könnte Dercon mit Renner schnell den Abflug machen …
( o.k. – nach dem Absturz der SPD ist „Flughafen“ irgendwie unpassend )
… übrigens …:
„nach dem Absturz der SPD“ habe ich vor der ersten Hochrechnung geschrieben
… übrigens …:
Tim Renner hat verloren, kein Bundestag für den Abwickler der Volksbühne