Wie schafft es ein Betrüger und Versager von den Medien hochgeschrieben, vom Staatsanwalt verschont und in der Politik erneut als Wunderknabe hoffiert zu werden?
Wer ist der Freier und wer der Prostituierte?
„Diesem Mann keinen Buchstaben, keinen Satz und keinen Blogeintrag!“, hatte ich mir geschworen. Der Schwur dauerte bis heute um kurz vor Drei.
Im Radiofeuilleton von Deutschlandradio kritisierte der Medienwissenschaftler Stefan Weber die Einstellung des Plagiatsverfahrens gegen Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU). Die Entscheidung und der Zeitpunkt ihrer Verkündung seien „Teil einer medialen Gesamtinszenierung von Guttenberg und Weggefährten“.
Weber geht im Interview auf die Betrugsstrategie des Plagiators Guttenberg im Zeit-Interview ein.
Der Plagiatsgutachter Weber weist sehr elegant und überzeugend nach, wie sich der Ex-Verteidigungsminister durch seine eigenen Erklärungsversuche als Betrüger entlarvt.
„Diese rätselhafte Koinzidenz zwischen Bucherscheinen, großem Interview in der ZEIT und Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft – man muss kein Verschwörungstheoretiker sein, um hier zu sagen: Hier wurde hinter den Kulissen inszeniert“, kritisierte der Österreicher, der als Sachverständige für wissenschaftliche Texte mit dem Schwerpunkt Plagiatsprüfung tätig ist.
Zum Interview-Einstieg bei Deutschlandradio Kultur und bitte 5 Minuten lang hier Nachhören.
Das Plagiatentum als Katalysator für politische Karrieren scheint ja wesentlich verbreiteter zu sein als bislang angenommen. Insofern war Guttenberg lediglich der erste und politisch bis dato erfolgreichste (ertappte) Plagiator. Zu den Absurditäten unserer (politischen) Welt zählt jedoch – gewissermaßen ein Treppenwitz der Geschichte – dass wir Guttenberg die De-facto-Abschaffung der Wehrpflicht verdanken. Ob das einem weniger populären Politiker gelungen wäre? Hierfür bin ich ihm aufrichtig dankbar! Das ändert natürlich an den berechtigten Vorwürfen und auch am Inhalt des vorstehenden Artikels nichts. Ich musste das einfach mal loswerden. Ein Zustand, den viele jahrzehntelang herbeigesehnt haben – ich musste zur Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer noch vor Gericht – ist endlich da! Really! Ich freue mich besonders auch für meinen Sohn und alle Söhne dieses Landes. Und selbstverständlich hoffe ich darüberhinaus, dass das nur der Anfang vom Einstieg in den Ausstieg ist.
@Martin: Die Bundeswehrreform wäre so oder so gekommen. Die Pläne für eine Berufsarmee entspringen nicht dem Kopf eines genialen Guttenberg. G. war opportunistischer „Erfüllungsgehilfe“. Die Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht ist ein „Abfallprodukt“ nicht Ziel des Umbaus. Ungeachtet meiner eigenen Einstellung – ich bin ebenfalls Kriegsdienstverweigerer und habe noch vor einer Kommission mein Gewissen prüfen lassen müssen – bin ich mir nicht sicher, ob wir nicht von der Pest zur Cholera gekommen sind. Entscheidend ist doch, ob die deutsche Außenpolitik friedlich oder aggressiv ist … und da bin ich zur Zeit eher „Schwarzseher“
Die Reaktion der Medien ist einfach ekelerregend. Und das gilt nicht nur für die Zeit. Die Süddeutsche Zeitung hob den Adligen auf die Titelseite, die TAZ widmete ihm mehrere Artikel. Die FAZ spekulierte über das Verhältnis der CSU zu ihrem Plagiator usw.
Es ist egal wohin man blickt, überall Karl-Theodor.
Toll, diese Vielfalt der Presse, diese Aufmerksamkeit für die wirklich wichtigen Dinge in der Politik. Danke, liebe deutsche Presse, dass ihr daran mitwirkt, diesen Mann politisch zu rehabilitieren. So wird es noch was mit unserem Bundeskanzler Guttenberg.
Wie korrupt ist das eigentlich? Alle Vermutungen scheinen sich in Tatsachen zu wandeln. Der Spiegel:
„Nach Darstellung der Staatsanwaltschaft Hof, die für das Verfahren zuständig war, habe diese Guttenbergs Anwalt frühzeitig davon informiert, dass sie nach Beendigung des Plagiatsverfahrens eine Pressemitteilung veröffentlichen werde. Das Verfahren habe jedoch erst beendet werden können, nachdem Guttenberg das Bußgeld von 20.000 Euro eingezahlt habe. Auf diese Weise habe der Ex-Minister mitbestimmen können, wann die Einstellung öffentlich wird – indem er die ihm auferlegte Überweisung an die Kinderkrebshilfe auf einen ihm genehmen Zeitpunkt legte.“
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,800144,00.html