Deutsche Forstwirtschaft weiter auf Irrwegen: Küstentanne, Douglasie, Roteiche und andere Exoten sollen die vom Klimawandel gebeutelte Fichte ersetzen und damit den verfehlten Nadelholzanbau zementieren.

Buchcover: Rettet unsere Wälder! Weiße Schrift auf grünem Laubwaldhintergrund.
Buchcover Rettet unsere Wälder

Schon seit dem vorletzten Jahrhundert gibt es unter Förstern und Waldbauwissenschaftlern fortschrittlich denkende und handelnde Persönlichkeiten, deren vorbildlicher, mutiger und kämpferischer Einsatz – nicht nur für naturnah bewirtschaftete, sondern auch für von Menschen völlig unbeeinflußte Natur- und Urwälder – großen Respekt verdienen. Zwei der allerersten von ihnen waren Karl Gayer (1822 – 1907) und Alfred Möller (1860 – 1922), beide Forstwissenschaftler. Letztgenannter begründete die Idee vom Dauerwald.

Was darunter zu verstehen ist, sei nachstehend erläutert.

Der Dauerwaldbetrieb orientiert sich an den Entwicklungsabläufen im Naturwald. In ihm werden die Eingriffe so weit wie möglich reduziert, um die natürlichen Abläufe im Wald zu nutzen und zu fördern. Durch diese Art der Waldbewirtschaftung entsteht ein Wald, in dem alle Altersstufen von Bäumen auf ein- und derselben Fläche nebeneinander zu finden sind – bis hin zu abgestorbenen Bäumen (Totholz), die vermodern und dabei noch vielen Tieren und Pflanzen einen Lebensraum bieten. Es entwickelt sich ein stufig aufgebauter, stabiler, struktur- und vorratsreicher Wald, der eine Vielfalt an Lebensräumen aufweist und gegenüber Krankheiten und Stürmen etc. sehr widerstandsfähig ist. Durch Naturverjüngung werden sehr hohe Pflanz- und Kulturkosten eingespart. Unter den Hunderttausenden von Sämlingen werden diejenigen Individuen herausselektiert, die durch ihr genetisches Potenzial am besten an die am jeweiligen Wuchsort vorherrschenden Standortbedingungen angepaßt sind.

Stabilitätsfaktor in naturnahen und natürlichen Ökosystemen: Die klimarobuste Weißtanne (hier im NP Berchtesgaden). Ihr Wurzelwerk vergrößert das Porensystem im Boden und verbessert die Infiltration und das Speichervolumen bei Starkniederschlägen. Durch ihre leichter sich zersetzende Nadelstreu, die aufgrund der Pfahlwurzel auch Nährstoffe aus tiefer gelegenen Bodenhorizonten enthält und somit als „Nährstoffpumpe“ dient, ist sie auch bodenpfleglicher als die Fichte.

Mich beeindruckt es sehr, wie bedeutende, fortschrittlich denkende Waldbaupioniere, die sich bereits im vorletzten Jahrhundert für ein Waldökosystem nach den Ordnungsprinzipien der Natur engagierten (weitere folgten – siehe unten -) in ihren Büchern, Vorträgen, Exkursionen und TV-Sendungen schonungslos und überzeugend die eklatanten Schwächen und Fehler einer auf Holznutzung und Gewinnmaximierung basierenden Forstwirtschaft ans Tageslicht beförderten und diese Mißstände öffentlich anprangerten.

Gerade heute, wo die Umweltzerstörung beängstigende Dimensionen annimmt und die globale Erwärmung rasant fortschreitet, muß mehr als je zuvor der Wert des Waldes und nicht der des Holzes klar im Vordergrund stehen.

Roteiche: Heimat: Östliches Nordamerika und Kanada. Kommt seit 1724 in Deutschland vor und wird bis zu 25 m hoch. IImposanter Baum, aber für unsere Böden toxisch.
Roteiche: Heimat: Östliches Nordamerika und Kanada. Kommt seit 1724 in Deutschland vor und wird bis zu 25 m hoch. IImposanter Baum, aber für unsere Böden toxisch.

Beispielhaft genannt für die letzten Jahrzehnte sei der Visionär und Wegbereiter der Schutzwaldsanierung bayerischer Bergwälder, Herr Dr. Georg Meister. Er studierte Forstwissenschaft an der Universität München und leitete bis 1994 das Gebirgsforstamt Bad Reichenhall. Zügig, unbeirrt und entschlossen nahm er nach seinem Dienstantritt die Schutzwaldsanierung an der Queralpenstraße in Angriff. Seine Arbeit sollte von Erfolg gekrönt werden.

Außerdem war Dr. Meister Gründungsmitglied des Ökologischen Jagdverbands Bayern, in dem er sich zeit seines Lebens für eine waldverträgliche Jagd einsetzte (Quelle: Rettet unsere Wälder). Verstorben am 2. März 2022 im Alter von 93 Jahren konnte Georg Meister sein Buch nicht ganz zu Ende schreiben. Diese ehrenvolle Aufgabe übernahm dann Frau Dr. Monika Offenberger, Biologin aus München, die zusammen mit Dr. Meister schon im Jahre 2004 das viel beachtete Werk „Die Zeit des Waldes“ (erschienen im Verlag Zweitausendeins) auf den Markt brachte. Dafür wurde der Autor mit dem Bruno H. Schubert-Preis geehrt.

Totholz hat viele Funktionen: Es bereichert die Artenvielfalt und schafft optimale Bedingungen für die natürliche Verjüngung des Waldes. Denn der "Verhau" aus verrottenden Ästen und Stammstücken dient zugleich als Wasser- und Nährstoffspeicher sowie als Barriere gegen hungriges Wild - und bietet damit ein geschütztes Keimbett für eine Vielfalt von Kräutern und Gehölzen. ("Aus Rettet unsere Wälder" - Foto: Karl J. Knoppik)
Totholz hat viele Funktionen: Es bereichert die Artenvielfalt und schafft optimale Bedingungen für die natürliche Verjüngung des Waldes. Denn der „Verhau“ aus verrottenden Ästen und Stammstücken dient zugleich als Wasser- und Nährstoffspeicher sowie als Barriere gegen hungriges Wild – und bietet damit ein geschütztes Keimbett für eine Vielfalt von Kräutern und Gehölzen. („Aus Rettet unsere Wälder“ – Foto: Karl J. Knoppik)

Der engagierte Forstmann wurde auch 1975 staatlich beauftragter Planer des bisher einzigen bei Berchtesgaden gegründeten Alpen-Nationalparks, welcher am 1.8. 1978 offiziell seiner Bestimmung übergeben wurde. Trotz seines jahrzehntelangen unermüdlichen Einsatzes für nachhaltige, zukunftsfähige Wälder, der dazu führte, daß in seinem Revier endlich wieder artenreiche Mischwälder ungestört aufwachsen konnten (dank einer konsequenten und intensiven Bejagung des Reh- und Rotwildes), würdigten Staatsforstverwaltung und Regierung mit keinem Wort seine großen Verdienste um den deutschen Wald, ja schlimmer noch: Dr. Meister wurde nicht mal offiziell in den Ruhestand verabschiedet. Erst nach seinem Tode ernannte Staatsministerin Michaela Kanniber zu seinen Ehren den so genannten oberen Erschließungsweg zwischen Wachterl und Anthauptenalm im Rahmen eines Festaktes zum Dr. Georg Meister-Weg.

Ein anderer, ebenso bedeutender und engagierter Pionier für naturnahe Wälder ist der Radikalreformer, Autor zahlreicher Fachveröffentlichungen, auch Büchern, und Naturschutzpraktiker Dr. Georg Sperber, Forstdirektor i. R., seinerzeit Chef der Forstverwaltung Ebrach im Steigerwald. Darüber hinaus bekleidete Herr Dr. Sperber zu Beginn der 70er Jahre das Amt des stellvertretenden Leiters der Nationalparkverwaltung Bayerischer Wald in der Anfangszeit seines Bestehens. Am Aufbau dieses ersten deutschen Großschutzgebietes war er maßgeblich beteiligt. Nach wie vor gilt Georg Sperber als entschiedener Verfechter eines Nationalparks Steigerwald, der bis heute jedoch am Widerstand der regierenden CSU/Freie Wähler und diesen Parteien nahestehenden Interessensverbänden aus Holz- und Forstwirtschaft scheiterte.

Und last not least ist da noch Peter Wohlleben, Vorsitzender der Waldakademie in Wershofen (Eifel) zu nennen, ein Waldexperte aus der noch jüngeren Generation. Dieser engagierte und weitsichtige Forstrebell kündigte seine Beamtenstelle, weil er die Mißstände in der Forstwirtschaft nicht länger unterstützen wollte (Quelle: Lebenswelten März 2021). Er plädiert für eine grundsätzliche Abkehr von der traditionellen Forstwirtschaft.

Naturwald im Nationalpark Bayerischer Wald - Bergmischwald
Naturwald im Nationalpark Bayerischer Wald – Bergmischwald – Foto: Karl Josef Knoppik

In einem Interview mit dem WWF äußert er: „Man müßte sich eingestehen, daß das konventionelle Wirtschaftsmodell gescheitert ist. Man müßte mal innehalten, stopp sagen und sich fragen: Was haben wir falsch gemacht? Aber diese Fehlerdiskussion findet nicht statt. Aktuell sterben Fichtenplantagen ab. Die Erkenntnis aber, daß es nicht allein an der Baumart, sondern auch an der Art und Weise liegt, wie gewirtschaftet wird, fehlt. Da wird nicht diskutiert; es wird weitergemacht, indem man einfach die Baumart wechselt. Plantagenbäume aus Massenbaumhaltungen werden nicht alt. Denn wenn Bäume asozial aufwachsen, das heißt ohne ihre Mutterbäume, sind sie auf sich alleine gestellt und können sich nicht vernetzen. Sie wachsen im prallen Sonnenschein viel zu schnell und verausgaben sich. Diese Bäume führen ein ganz schön stressiges Leben. Denn Bäume wachsen eigentlich lieber langsam, weil sie dann resistenter werden. Hier gibt es auch viele Parallelen zu uns Menschen.“

https://heyday-magazine.com/2021/03/21/unser-wald-steht-unter-stress

www.wwf.de/themen-projekte/waelder/schuetzt-den-wald-vor-der-motorsaege (2.3. 2021)

Hört man Vertreter der Forstwirtschaft reden, ist an allem Übel ein winziges Krabbeltier schuld, das permanent zum Sündenbock gestempelt wird. „Früher war es der Wolf oder der Luchs, sagt Peter Wohlleben, heute ist es der Borkenkäfer. Da steckt Kalkül dahinter. Dort, wo der Borkenkäfer ist, macht man, was man will. Da wird Gift eingesetzt. Böden werden komplett mit schwerstem Gerät befahren. Im Zusammenhang mit dem Klimawandel hat sich das natürlich verschärft. Da ist es gut, wenn man den Schwarzen Peter abgeben kann.“

Daß die wahren Ursachen in einer naturfernen Nadelholzplantagenwirtschaft liegen, wird ganz bewußt außen vor gehalten. Man möchte offenbar trotz besserem Wissen nichts Grundsätzliches an dem verfehlten Waldbaukonzept ändern. Man verfährt nach der Devise: Augen zu und durch. Hauptsache es kostet wenig und bringt viel. Aber diese Rechnung ging noch nie auf. Dennoch hält man starrsinnig an veralteten Denkmustern fest und weigert sich zur Kenntnis zu nehmen, daß z. B. auch der Fichtenborkenkäfer („Buchdrucker“) neben zahllosen anderen Organismen ein integraler Bestandteil des Waldökosystems ist und im Nährstoffkreislauf des Waldes eine wichtige Rolle spielt.

„Die Käferfraßgänge machen das Holz für den Abbau durch Pilze und Mikroorganismen zugänglich, und das Recycling von Rinde und Holz kann beginnen. Außerdem sind die Fichtenborkenkäfer Teil der Waldnutzungsketten, z. B. als Nahrung von anderen Käfern und Spechten. Der Buchdrucker kann als ökologisch wertvolle Störung wirken. Nach einem Befall entsteht ein neues Habitat mit Krautpflanzen, Pioniergehölzen und viel Totholz. Dieser Lebensraum wird von unzähligen Organismen genutzt, bis wieder ein geschlossener Wald mit anderen Bewohnern entsteht.“ (Funktion des Fichtenborkenkäfers im Ökosystem Wald – Internet)

Laubholz dominierter Naturwald ebenfalls im bayerisch-böhmischen Grenzgebirge
Laubholz dominierter Naturwald ebenfalls im bayerisch-böhmischen Grenzgebirge

Der Borkenkäfer wird nur dann zum vermeintlichen „Katastrophenschädling“, vermehrt sich nur dann explosionsartig, wenn Förster den Wald in erster Linie als Sparkasse und Holzlieferant betrachten und deshalb auch weiterhin unbelehrbar an Fichten- und Kiefern-Monokulturen festhalten. Die Risiken, über die eigentlich niemand hinwegsehen kann, werden einfach ausgeblendet bzw. von vornherein bewußt in Kauf genommen, weil sie eben nicht ins Konzept passen. Für den entgangenen Gewinn durch so genannte Kalamitäten, sprich Insekten- und Pilzbefall, Schneebruch, Sturmschäden und Feuersbrunst, wie sie mit diesem pervertierten Verständnis von Forstwirtschaft untrennbar verbunden sind, kam ja bisher immer der Staat und somit die Allgemeinheit auf. Es ist aber partout nicht einzusehen, daß der Staat bzw. der Steuerzahler das Risiko trägt. Doch hier besteht auch die große Chance ein Umdenken bei den Forstleuten zu erzwingen. Wer nämlich allen Widrigkeiten zum Trotz auf eine Beibehaltung dieser Misswirtschaft setzt, muß für die entstandenen Schäden selbst aufkommen!

Dr. Stefan Kreft von der Naturwald-Akademie Lübeck (Siehe unten) sagt: „Holz ist ein vielfältig einsetzbares Material. Aber wie viel wir davon ernten können, gibt letztlich der Wald vor. Und der ist nun mal kein beliebig zu optimierender Holzlieferant. Er braucht, um als Ökosystem zu funktionieren, ein ausreichendes Volumen an Laub, Totholz und organischer Biomasse im Boden. Wasserrückhaltung, Speicherung von CO².“ (Quelle: Zeitschrift „Riffreporter“)

Doch ungeachtet aller Warnungen von Wissenschaftlern und anderen Experten wird die forstwirtschaftliche Praxis, so wie sie heutzutage immer noch gang und gäbe ist, von führenden Persönlichkeiten dieser Branche gelobt.

„Als größte CO²-Senke überhaupt ist die Forstwirtschaft „Stakeholder Nr. 1“ in Sachen Klimaschutz des Landes, konstatiert Max von Elverfeldt, der als Vorsitzender der „Familienbetriebe Land und Forst“ private Waldbesitzer in NRW und im Bund vertritt. Ins selbe Horn bläst AGDW-Präsident Hans-Georg von der Marwitz, dessen Bundesverband die Anliegen von rund zwei Millionen Waldbesitzern in Deutschland repräsentiert: „Die Waldeigentümer bewirtschaften ihre Wälder nachhaltig und generationenübergreifend, Das ist aktiver Klimaschutz, der allen Menschen zugute kommt. Diese Leistung muß honoriert werden, damit die Waldeigentümer auch in Zukunft für die Stabilisierung und Klimafestigkeit der Wälder sorgen können.“

Küsten- oder Riesentanne bei Stockhausen: Dieser mächtige Baum wächst von Natur aus entlang der Pazifikküste von Vancouver Island und von British Columbia über Washington und Oregon bis Nordwestkalifornien. Nach den extrem trockenen Sommern 2018, 2019 und 2020 sehr anfällig gegen Borkenkäferbefall. Erreicht in den Herkunftsgebieten eine Höhe von 85 m.

„Naturschutzverbände bemängeln hingegen, die geforderte Vergütung berücksichtige weder die unterschiedlichen regionalen standörtlichen Ausgangsbedingungen noch die unterschiedlichen Maßnahmen der jeweiligen Waldbesitzenden. Daher befürchtet NABU-Waldexperte Stefan Adler: „ Die derzeitige Forderung des Waldbesitzerverbandes würde wie in der Landwirtschaft zu einer pauschalen Flächenförderung nach dem Gießkannenprinzip führen, die wir uns als Gesellschaft jedoch nicht leisten können. An ihre Stelle sollte eine Förderung nach dem Leistungsprinzip treten, welche den nachweislich erfolgreichen Waldumbau hin zu klimatauglichen Mischwäldern honoriert. Auch die Forstminister fordern eine massive Unterstützung der Waldbesitzer. Der Bund ist dazu angehalten, innerhalb von vier Jahren 800 Mio. Euro an zusätzlichen Finanzmitteln zur Räumung von Schadensflächen und für die Wiederbewaldung bereitzustellen. Das schließt die Etablierung von nicht heimischen, an den Klimawandel angepassten, neuen Baumarten ein, heißt es in der Moritzburger Erklärung vom 9. August 2019. Neben Douglasien, Küstentannen oder Roteichen, die bereits mehr oder weniger lange auf deutschem Boden wachsen, haben Forstleute zwei Dutzend weitere Arten im Visier, z. B. Atlaszeder, Orientalische Buche, Ungarische Eiche, Japanlärche, oder Türkische Hasel.“ http://dnb.d-nb.de Aus „Rettet unsere Wälder“ von Dr. Georg Meister, erschienen im www.westendverlag.de

Bestell-Link: https://westendverlag.de/Rettet-unsere-Waelder/1507

Widernatürlich und anfällig, wie Nadelholzplantagen bekanntlich sind, z. B. gegenüber Stürmen, Hitze, extremer Trockenheit und Feuersbrunst, werden sie rasch zu einem gefundenen Fressen für Borkenkäfer, Kupferstecher, Fichtenblattwespe & Co..

Peter Wohlleben: „Der Borkenkäfer ist ein Schwächeparasit. Er kann nur Bäume angreifen, die schon angeschlagen sind. Fichtenplantagen sind Monokulturen wie Maisfelder, die geschwächt sind; sie würden so oder so eingehen. Der Borkenkäfer gibt nur den Todesstoß, besonders für Bäume, die unter Trockenheit und Hitze leiden. Forstmaschinen verdichten die Böden. Die Biomasse der toten Fichten muß unbedingt im Wald bleiben, und die Kahlschläge müssen aufhören. Wenn man sich die Satellitenbilder vom Sauerland oder dem Harz anschaut, ist das katastrophal. Deutlich über die Hälfte der Waldböden in Deutschland ist bereits jetzt durch die Maschinen kaputtgefahren. Das soll nachhaltige Forstwirtschaft sein? Solche Bodenschäden regenerieren in menschlichen Zeiträumen nicht mehr. Es ist dramatisch!“

Da man aber seitens der Forst- und Holzlobby mittlerweile nicht mehr an der Tatsache vorbeikommt, daß der „Brotbaum“ Fichte aufgrund zunehmender Ausfallerscheinungen durch den Klimawandel kein lukratives Geschäftsmodell mehr ist, tritt man nun die Flucht nach vorn an und präsentiert als Allheilmittel den verstärkten Einsatz exotischer Baumarten. Die Vorteile, die man sich davon verspricht, liegen auf der Hand: Schnelles Wachstum und damit – so die Erwartung – höhere Profite. Es geht also um nichts anderes als eine Steigerung der Holzproduktion. Die Holz- und Forstlobby möchte uns allen weismachen, daß die Waldökosysteme nur mit diesen schon ansatzweise gescheiterten Konzepten unter den Bedingungen des Klimawandels bestehen können, sprich eine Zukunft haben werden.

Durch den Anbau vermeintlich klimastabiler, nicht standortheimischer Baumarten begibt man sich jedoch vom Regen in die Traufe und gefährdet obendrein die Artenvielfalt unserer Wälder. Darin sehe ich ein hochriskantes Abenteuer, in das man sich lieber nicht stürzen sollte. Es gab immer schon selbst ernannte bzw. so genannte Fachleute, die Irrlehreren verbreiteten, um Aufmerksamkeit zu erregen. Man sollte sich denen auf keinen Fall anvertrauen, sondern vielmehr auf die eigenen Stärken setzen.

Peter Wohlleben verlangt gar ein Verbot nicht heimischer Nadelbäume. „Wenn Sie brennbare Bäume in die Landschaft bringen und Brände verhindern möchten, widerspricht sich das. Aufhören mit dem Unsinn. Die staatlichen Förderungen von Forstbetrieben einstellen, die Kiefern, Fichten, Douglasien..anpflanzen. Stattdessen heimische Ökosysteme wie Laubwälder aus Buchen, Eichen, Ahorn, Ulmen, Linden, Zitterpappeln u.a. fördern. Die heimische Weißtanne kann man ja dazu mischen. Die Douglasie, oder Douglasfichte, wie sie auch genannt wird, stammt aus den nördlichen Kaltregenwäldern. Sie soll die Fichte ersetzen, die durch den Klimawandel eingeht. Die Douglasie braucht aber noch mehr Regen. Diese Bäume sterben gerade auch großflächig ab.“ Der Waldexperte befürchtet, daß der größte Teil der Fichten und Kiefern die kommenden 10 Jahre nicht überleben wird. Natürlich macht es der Klimawandel heißer und trockener. Aber mit heimischen Laubwäldern hätten wir auch mit dem Klimawandel das Problem nicht. Die Ursache der Brände ist aber nicht der Klimawandel, sondern der Anbau nichtheimischer Nadelhölzer. Ein Großteil der Probleme im Wald, in Südeuropa wie in Deutschland, sind durch die Forstwirtschaft hausgemacht. Das Lokalklima spielt gar nicht eine so große Rolle, der Wald kann die Temperatur unglaublich dämpfen und selbst für Wasser sorgen. Voraussetzung ist, daß man ihn in Ruhe läßt.“ www.focus.de/earth/experten/peter-wohlleben-im-interview

„Bis heute, so Dr. Georg Meister in seinem Buch „Rettet unsere Wälder“ –Vermächtnis und Forderungen eines visionären Försters, stehen nur 2,8 Prozent unserer Wälder dauerhaft unter Schutz – obwohl die Bundesregierung schon im Jahr 2007 beschlossen hatte, 5 Prozent des deutschen Waldes nicht mehr wirtschaftlich zu nutzen, wie dies beispielsweise in den Nationalparks die Regel ist. Dr. Hans Bibelriether, erster Leiter des Nationalparks Bayerischer Wald, setzt sich dafür ein, sogar 10 Prozent der öffentlichen Waldfläche der Natur zu überlassen. Die übrigen 90 Prozent angemessen zu bewirtschaften sei Herausforderung genug.“

http://dnb.d-nb.de

www.westendverlag.de

Auch Dr. Stefan Kreft von der Naturwald-Akademie Lübeck bezieht klar Position für Naturwälder. Aus seiner Sicht ist die Fichte ebenfalls ein Negativ-Beispiel für die Einbringung gebietsfremder Baumarten. „Die kahlen Flächen abgebrannter und zusammengebrochener Fichtenforste bieten keine der vielen anderen Ökosystemleistungen mehr, auf die wir dringend angewiesen sind. Vielmehr bilden die kahlen Flächen Hitzepole, die auch benachbarte Flächen aufheizen.“ Wenn man den Umbau eines Waldes der Natur überläßt, setzt man nicht nur auf einen, sondern auf Millionen Zufälle – lauter Optionen, mit denen die Natur aufwartet. Da gibt es den Sämling, der unter Totholz heranwachsen darf, und den Sämling, der sich auf Wurzeltellern ansiedelt. Der eine sprießt im Schatten, der andere sonnenexponiert, dieser an einer feuchten, jener an einer trockenen Stelle. Das sind unzählige kleine Experimente, Totholz im Wald zu belassen.“(Quelle: Zeitschrift „Riffreporter“)

Grundvoraussetzung für das Aufkommen artenreicher, stabiler und klimaresistenter Waldökosysteme ist aber zunächst einmal eine waldverträgliche, mit der Äsungskapazität in Einklang zu bringende Schalenwilddichte (Rehe, Hirsche, auch Muffel- und Sikawild, Herkunft Sardinien und Ostasien). Um die ökologischen Waldbauziele zu erreichen, müssen die Schalenwildbestände daher auf einem niedrigen Niveau gehalten werden, und zwar mittels effektiver Jagdmethoden. Auf deutschen Straßen gibt es jährlich 30.000 Unfälle, die auf Kollisionen mit Rehwild zurückzuführen sind. Würde eine konsequente, waldfreundliche Bejagung des bestandsregulierenden Kahlwildes stattfinden, also Jagd auf weibliche Tiere, könnte auch ein Großteil der oft schweren Unfälle vermieden werden.

„Auf einen Sinneswandel in der bis heute konservativ ausgerichteten Jägerschaft ist nicht zu hoffen. Es fehlt unverändert an der nötigen Einsicht, daß die traditionelle Schalenwildhege der Entwicklung klimatoleranter Wälder entgegensteht. Stattdessen wird die alte Leier von einem „Wald ohne Wild“ bemüht, die bei vielen Laien immer noch verfängt. Die gebetsmühlenartig vorgebrachte Falschbehauptung, das Wild stünde kurz vor der Ausrottung, zeugt von einer Fixierung auf einige wenige ausgewählte Tierarten und mißachtet die übrige Artenvielfalt unserer Wälder, die so zur Kulisse der Jagd degradiert werden. Nur wenn diese als Wildtiermanagement statt als Freizeitvergnügen begriffen wird, sind unsere Wälder noch zu retten. Das belegen die beispielhaft geführten Betriebe, um die es im folgenden Kapitel geht.“

Quelle: Rettet unsere Wälder/Dr. Georg Meister – Co-Autorin Dr. Monika Offenberger)

Zu der äußerst problematischen Ansiedelung exotischer Gehölze nimmt auch das „Robin Wood“-Magazin – in seiner Ausgabe 4/2019 Stellung: „Seit rd. 100 Jahren wird die Douglasie schon in Deutschland angepflanzt. Das bedeutet allerdings nicht, daß ihr Verhalten in unseren Ökosystemen schon hinreichend erforscht wurde. Die Böden in der Herkunftsregion Amerika sind anders zusammengesetzt; das Ökosystem besteht aus Arten, die spezifische Interaktionen untereinander vollziehen.“

Unsere heimischen Baumarten sind für ihre gedeihliche Entwicklung auf bestimmte Pilze im Boden, so genannte Mykorrhiza-Pilze angewiesen. Diese leben in Symbiose mit den Baumwurzeln.

„Bei den hier gepflanzten Douglasien fällt die Vielfalt an Mykorrhiza-Pilzen geringer aus als in naturnah gemischten Beständen. Offensichtlich bevorzugt die Baumart bestimmte Pilze auf Kosten anderer – und verändert so das Gefüge heimischer Lebensgemeinschaften, die sich über wechselseitige Anpassungen während langer Zeiträume entwickelt haben“, sagt Prof. Erwin Hussendörfer, Professor für Waldbau an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf.“ (Quelle: Rettet unsere Wälder)

Robin Wood: „ Während wissenschaftliche Studien zwischen 150 und 280 Insektenarten nachweisen können, die mit und von unseren heimischen Baumarten Stiel- und Traubeneiche, Hainbuche und Rotbuche leben, sind es weniger als 25, die an die nicht heimischen Arten, wie Douglasie oder Küstentanne, angepaßt sind. Und weiter: „Allein dieses Forschungsergebnis sollte alle Bestrebungen, diese Arten hier anzusiedeln, ein für alle Mal unterbinden. Schadinsekten am Herkunftsort entpuppen sich hier eventuell als „Katastropheninsekten.“. Ebenso verhält es sich mit Pilzen und Viren. Welches Risiko gehen wir ein, wenn wir nun inflationär Bäume aus anderen Regionen der Erde anpflanzen? Bei lang anhaltenden Hitzeperioden wachsen sie nicht schneller als unsere heimischen Baumarten – ihr ökonomischer Vorteil fällt also weg.“

„Prof. Hussendörfer ist überzeugt, daß unsere Wälder nicht durch neue „Wunderbäume“ klimaplastisch werden. Vielmehr hilft ihnen dabei ihre über Hunderte oder Tausende von Jahren gesammelte „Lebensgemeinschaftserfahrung“, die in ihrem Erbgut gespeichert ist. Aus Sicht der ökologischen Genetik weisen heimische Waldlebensgemeinschaften noch große Potenziale in ihrem genetischen System auf, um auch im Klimawandel anpassungs- und überlebensfähig zu bleiben. Diese Potenziale dürfen nicht durch eine unkontrollierte Einbringung nicht heimischer Baumarten oder Herkünfte geschwächt werden, sondern müssen im Sinne einer auch genetischen Nachhaltigkeit gesichert und genutzt werden, mahnt der Experte.“ (Rettet unsere Wälder – www.westendverlag.de)

„Eine weitere, häufig vorgebrachte Behauptung der „Holzlobby“ – nämlich, daß Wirtschaftswälder, insbesondere solche mit „verkürzten Produktionszeiten“, in denen die Bäume möglichst früh geschlagen werden, mehr Kohlenstoff speichern und somit einen höheren Beitrag zum Klimaschutz leisten als wenig oder gar nicht genutzte Naturwälder – hält einer genaueren Überprüfung nicht stand. Eine vergleichende Studie auf rd. 18.500 Waldflächen in Nordamerika zeigt, daß der Kohlenstoffgehalt des gesamten Ökosystems mit seinem Alter steigt, vor allem jenseits von 150 Jahren. Zudem weisen die ältesten Wälder die höchsten Wachstumsraten auf.“

„Die Waldnutzung darf der CO²-Speicherung nicht entgegenstehen. Der Klimawandel läßt sich nur dann noch abfedern, wenn die Treibhausgasemissionen radikal sinken. Dagegen ist der Beitrag des Waldes zur Abschwächung der Erderwärmung zweitrangig. Dennoch dient das Holz lebender Bäume ebenso wie andere Biomasse inklusive „Totholz“ und Humus als CO²-Speicher: Intakte, vorratsreiche Wälder zeichnen sich durch eine hohe Resilienz aus und haben damit bestmögliche Chancen, auch mit den Umweltveränderungen im Zuge des Klimawandels zurechtzukommen; zudem binden sie besonders viel Kohlendioxid. Deshalb sollte möglichst viel Holz möglichst lange im Wald bleiben, und jede Entnahme muß schonend und ausnahmslos ohne Kahlschlag erfolgen. Allein die lebende Biomasse könnte von heute durchschnittlich 360 auf 450 oder mehr Volumenfestmeter je Hektar Waldfläche angehoben werden und so über viele Jahre große Mengen an CO² binden. (Quelle: Rettet unsere Wälder)

Für Peter Wohlleben sind Hitze und Klimawandel nicht der Hauptgrund für die immer häufiger auftretenden Waldbrände. Gründe sind vielmehr der Raubbau an Urwäldern, wie z. B. in Spanien, Italien und Griechenland, was nicht nur z. T. mit der südlichen Lage zu tun hat. Auf Sizilien gibt es von Natur aus Buchenwälder, glaubt man gar nicht. Nicht die komplette Insel, aber die älteste bekannte Buche steht auf Sizilien.

„Es liegt am Wassermangel, der Austrocknung und daran, daß man dort genau wie in Deutschland nichtheimische Baumarten pflanzt. Große Pinienplantagen, ein massiver Eukalyptusanbau. Eukalyptus ist australisch und brennt wie Benzin. Man hat die Waldbrandsituation künstlich geschaffen, genau wie in Deutschland auch, Die heimischen Lauburwälder könnten gar nicht brennen. Wir haben uns nordische Baumarten hierhin geholt, die in trockenem, heißen Klima Schwierigkeiten bekommen und voller leicht brennbarer Substanzen sind.“

„Das Problem ist: Wir bekommen unsere Informationen von den Forstbehörden, die zu den jeweiligen Umwelt- und Landwirtschaftsministerien gehören. Die Forstverwaltungen sind die größten Holzverkäufer und Dienstleistungsgeber in Deutschland; sie beherrschen den Markt und schreiben auch den Waldzustandsbericht. Von dieser Gruppe wird als Ursache für die Brände und die Trockenheit nur der „Klimawandel“ genannt.“

„Natürlich macht es der Klimawandel heißer und trockener. Aber mit heimischen Laubwäldern hätten wir auch mit dem Klimawandel das Problem nicht. Die Ursache der Brände ist aber nicht der Klimawandel, sondern der Anbau nicht heimischer Nadelhölzer. Ein Großteil der Probleme im Wald, in Südeuropa wie in Deutschland, sind durch die Forstwirtschaft hausgemacht. Das Lokalklima spielt gar nicht eine so große Rolle; der Wald kann die Temperatur unglaublich dämpfen und selbst für Wasser sorgen. Voraussetzung ist, daß man ihn in Ruhe läßt.“ www.focus.de/earth/experten/peter-wohlleben-im-interview

„Der Wald ist überall rücksichtslos heruntergewirtschaftet worden“, sagt Peter Wohlleben. Man müßte mit Volldampf daran gehen, die Wälder zu renaturieren. Da sehe ich nicht allzu viel Bewegung. Über das Artensterben durch die Vernichtung der Wälder reden wir dabei noch gar nicht.“

02. Mai 2024

8 Gedanken zu „Deutsche Forstwirtschaft weiter auf Irrwegen: Küstentanne, Douglasie, Roteiche und andere Exoten sollen die vom Klimawandel gebeutelte Fichte ersetzen und damit den verfehlten Nadelholzanbau zementieren.“

  1. Hallo Herr Knoppik,

    mir ist noch nicht klar, wie nach Ihren Vorstellungen die Forstwirtschaft im Hochsauerland konkret aussehen würde oder könnte. Welche Rolle spielen die Sägewerke heute und welche Rolle sollten sie spielen? Welche anderen Akteure gibt es noch auf dem sogenannten heimischen Holzmarkt, der ja inzwischen international agiert?

    Weiter: nach welchen Kriterien sollte man heimische und nicht heimische Baumarten unterscheiden? Forstwirte mögen diese Begrifflichkeit, soweit ich es überblicke, nicht unbedingt. Sie sprechen, auch vor dem Hintergrund des Klimawandels, lieber von standortgerechten Baumarten.

    „Der Standort im pflanzenökologischen Sinn ist die Gesamtheit der auf eine Pflanze oder eine Pflanzengemeinschaft an ihrem Wuchsort einwirkenden Umweltbedingungen. In Bezug auf den Klimawandel sind von der forstlichen Standorterkundung Szenarien erarbeitet worden. Dabei steht die Frage im Vordergrund, welche Veränderung eine Erhöhung der Temperatur und eine Verminderung bzw. Erhöhung der Niederschläge in der realen Vegetationszeit für Waldstandorte und Waldbestände bewirken.“

    Zitat in: Michael Keuthen, der Sauerländische Wald, Oberkirchen 2020, S. 52

    Soweit erst einmal meine Gedanken als Laie.

    1. Der Fichte, – sie ist nicht nur im Hochsauerland noch immer die weitaus häufigste Wirtschaftsbaumart -, werden langfristig keine Chancen eingeräumt, den Folgen der Klimaerwärmung zu widerstehen. Sie verliert überall in Deutschland ständig an Boden. Von Natur aus würde die Rotbuche auf einem sehr großen Areal Reinbestände bilden. Nur dort, wo ihre Konkurrenzkraft nachlässt, gesellen sich andere Laubbaumarten – wie die Eiche – zu ihr. Die Frage, ob Baumarten aus fernen Ländern den Platz der Fichte einnehmen könnten, wird schon in dem Artikel hinreichend beantwortet. Sowohl in ökologischer als auch ökonomischer Hinsicht halte ich einen Anbau von überseeischen Arten für höchst problematisch, auch vor dem Hintergrund des fortschreitenden Klimawandels. Invasive Baumarten aus Amerika und anderen Drittstaaten gefährden die Artenvielfalt und wachsen bei lang andauernden Hitzeperioden nicht schneller als unsere Baumarten. Nur wenige Tierarten (Vögel u.a.) leben z. B. von und mit der Douglasie (Heimat Nordamerika). Früher wurde immer deren vergleichsweise geringe Schädlingsdisposition herangezogen. Beobachtungen aus den vergangenen 10 – 15 Jahren lassen jedoch auf eine zunehmende Anpassung heimischer „Schadinsekten“ an die Douglasie schließen. So wurden schon vor längerer Zeit Bruten zahlreicher rindenbrütender Borkenkäfer gemeldet. Es ist damit zu rechnen, daß auch weitere Holzkäferarten die D. als Nahrungsressource nutzen. Die Probleme, die wir schon immer von der Fichte kennen, betreffen also auch die aus den USA stammende Douglasie. Krankheitsbedingte Risiken sprechen ebenfalls gegen einen Anbau dieser Baumart. Dabei handelt es sich um eine gefährliche Pilzkrankheit, die Douglasienschütte. Die Ursachen liegen offenbar in diffusen Saatgutherkünften, wie schon damals verlautete. Die Böden in unseren Wäldern sind anders zusammengesetzt als in den Herkunftsgebieten. Von den riesigen Pflanzenmengen, die in den 1920eer Jahren angebaut wurden, sind nur Überbleibsel in Gestalt von starken Bäumen vorhanden. Generell wissen wir auch nicht, was diese Baumarten mit ihrem genetisch nicht angepaßten Saatgut in 50 oder 100 Jahren leisten werden, etwa in puncto Holzqualität.
      Wie könnte die Forstwirtschaft im Hochsauerland unter Berücksichtigung der Klimaerwärmung in Zukunft aussehen?
      Hier gibt es sehr gute Alternativen, und zwar in Bezug auf eine zu gewährleistende Stabilität der Wälder als auch auf eine vielseitige Verwendung des Holzes. Die Weißtanne (Baum des Jahres 2004) als Alternative zur Fichte ist neben der überreichen Vielfalt an Laubbäumen unschlagbar. Übrigens gibt es seit ungefähr einem Jahrzehnt in Sachen Holznutzung neue Absatzmöglichkeiten für Laubholz, z. B. für Leimbinder. Forschungen der TU München hatten ergeben, daß Esche, Eiche und Buche gegenüber der Fichte eine um bis zu 50 Prozent erhöhte Festigkeit aufweisen. Fachleute sehen darin ein großes Potenzial für den Holzbau.
      Daneben kommen aber auch noch die Baumarten Waldkiefer und Lärche in Frage, die zwar streng genommen ebenfalls nicht zu den autochthonen Baumarten zählen, aber immer noch viel besser geeignet sind als jene von der Forst- und Holzlobby favorisierten Baumarten aus Übersee. Ferner bieten sich für unseren sauerländischen Wal Baumarten an, die – zumal auf optimal nährstoffversorgten Böden – mit Trockenheit viel besser zurechtkommen, z. B. Trauben- und Stieleiche, Gemeine Esche, Sommer- und Winterlinde, sowie die Flaumeiche (heimisch in klimatisch begünstigten Gegenden Deutschlands. Bei ihnen – wie bei der ganzen Palette der standortheimischen Baumarten – kann davon ausgegangen werden, daß diese sich auch unter veränderten Klimabedingungen als ziemlich robust erweisen. Für eine ungewisse Zukunft wären wir mit dynamisch reagierenden Dauerwäldern am besten gerüstet!
      Natürlich ist auch die Weißtanne ein Baum mit guter Zukunft in einem wärmeren Klima. Sie gedeiht auf basischen wie auf sauren Böden, verjüngt sich auf den unterschiedlichsten Humusformen vom Mull bis zum Rohhumus, ist weitgehend sturmfest. Die Tanne verjüngt sich von Natur nach Ausfall von Einzelbäumen oder Trupps, also keine flächigen Katastrophen durch Sturm, Insektengradation oder Brand wie in borealen Nadelwäldern und Fichten-Kiefern-Kunstforsten. Die Weißtanne verträgt anhaltende Beschattung länger als alle anderen Wirtschaftsbaumarten, deshalb ideal für den Aufbau ungleichaltriger, stufiger Dauerwaldstrukturen. Auch ist sie – im Gegensatz zur Fichte nicht von Rotfäule betroffen, z. B. auf staunassen Standorten oder nach Schälschäden. Sie besiedelt auch schwierige Standorte (Pseudogleye, Gleye, Pelosole).
      Invasive Baumarten aus fernen Ländern können – auf unsere Waldökosysteme bezogen – nicht standortgemäß bzw. standortgerecht sein, weil 1. die Böden in unseren Breiten eine andere Struktur aufweisen als in den Herkunftsregionen, und 2. weil die verschiedenen Baumarten unserer Wälder mit jeweils unterschiedlichen Ansprüchen in ein Netzwerk von im Boden lebenden Kleintieren und Mikroorganismen sowie Pilzen (Mykorrhiza) eingebunden sind, mit denen sie in Wechselbeziehung stehen, also in gegenseitiger Abhängigkeit. Ein einzelner Baum kann eben nicht isoliert von seiner Umgebung betrachtet werden.
      Der Holzmarkt agiert, – wie Sie zutreffend schreiben -, inzwischen international. Leider! Denn durch den Wegfall von immer mehr kleinen Sägewerken mit kurzen Transportwegen für den Rohstoff Holz gingen auch viele Arbeitsplätze verloren. Dafür wurde alles zentralisiert und internationalisiert.
      Seitdem regiert der Wahnsinn. Man kann es nicht anders bezeichnen. Holz aus hiesigen Wäldern, darunter jenes der Buche (unser Nationales Naturerbe), wird nach China exportiert, als Billigware verramscht, anstatt es hier vor Ort zu verarbeiten und dem heimischen Markt zur Verfügung zu stellen. Somit bliebe die Wertschöpfung im Land, und auch die Nachhaltigkeit wäre bei sparsamer Nutzung gesichert. Aber die Wirklichkeit sieht heute so aus, daß große Mengen des wertvollen Rohstoffs Holz in Biomassekraftwerken zum Schaden des Klimas und der Umwelt verheizt werden ohne im geringsten zu bedenken, daß auch ein nicht unbeträchtlicher Teil des Holzes als unverzichtbares Strukturelement im Waldökosystem verbleiben muß. Das dient der Förderung der Biodiversität und kann nicht hoch genug eingeschätzt werden!

      1. Nur ganz kurz nachgefragt:

        Die Weißtanne ist doch ebenfalls kein „heimischer“ Baum, oder?

        Mischwälder sind, wie ich es gelesen habe, hierzulande nicht „natürlich“. Von den Nadelhölzern sind Tannen und Fichten „natürlicherweise“ auf montane Wälder der Alpen und der höheren Mittelgebirge beschränkt. Unter den klimatischen Bedingungen wäre die Buche, also ein Laubholz, dominant und Europa wäre unter „natürlichen“ Bedingungen zu ca. 90 Prozent mit Wald bedeckt.

        Also müsste man doch wissenschaftlich untersuchen, ob die Weißtanne eine standortgerechte Baumart ist, „heimisch“ wäre ein sehr dehnbares Kriterium.

        Ich schreibe dies als Laie und lasse mich gerne belehren.

        1. Hallo Herr Schiebener,
          Sie haben völlig recht: Sowohl die Fichte als auch die Weißtanne zählen im Sauerland zu den nicht heimischen Baumarten. Bayern und Baden-Württemberg verantworten einen Kernbereich dieser sowohl ökologisch als auch ökonomisch höchst bedeutsamen Baumart.
          Das Vorkommen der Kälte liebenden Fichte ist natürlicherweise auf die Hochlagen der süddeutschen Mitteigebirge beschränkt. Im den Nordalpen wächst sie von Natur aus im oberen Waldgürtel, ist aber auch Bestandteil des von 800 m bis 1.400 m Seehöhe hinaufreichenden Bergmischwaldes , wo sie zusammen mit Tanne und Buche eine Gemeinschaft bildet. Dieser Waldtyp findet sich übrigens auch u.a. im Bayerischen Wald.
          Vor 200 Jahren wurde die Fichte aus Skandinavien ins Sauerland eingebracht (Siehe dazu auch meinen Zweiteiler zum Thema „Der deutsche Wald“ von 2017). Soviel ich weiß, wurde einige Zeit später hier und da auch mit Tanne aufgeforstet, aber ohne Erfolg. Im Gegensatz zu den weichen Nadeln der Weißtanne, – sie enthalten deutlich weniger Lignin und Kieselsäure als die stechenden Nadeln der Fichte, – wird letztgenannte vom Schalenwild nur notgedrungen verbissen, während die Tanne ohne teure Abzäunungen keine Chance hat sich zu verjüngen. Dazu hätte man die Schalenwildpopulationen drastisch verringern müssen. Dies scheitert aber bis heute vielerorts immer noch am Widerstand der auf Trophäenkult fixierten Jagdlobby. Der Anteil der Weißtanne in NRW wird auf ca. 0,2 Prozent geschätzt. Also wurde diese Baumart kurzerhand durch ihre nordamerikanischen Verwandten, hauptsächlich Douglasie, ersetzt. Die Douglasfichte oder Douglastanne wird seit 1880 in Deutschland angebaut.
          Von Natur aus bestünde die Waldfläche des Sauerlandes – wie gesagt – ausschließlich aus Laubgehölzen mit der Rotbuche als Leitbaum. Artenreiche Laubwälder sind von unschätzbarem Wert und spielen gerade auch in Zeiten des Klimawandels eine überragende Rolle. Solche Wälder erfüllen wichtige ökologische Funktionen und lassen sich auch wirtschaftlich nutzen.
          Hinsichtlich ihrer Standortansprüche ist die Weißtanne wenig wählerisch (Siehe meinen Kommentar vom 9.7. 2024). Es gibt auch hierzulande Böden, die ihr zusagen. Am besten gedeiht die Tanne auf tiefgründigen, frischen und tonreichen Braunerden. Auf solchen Böden erträgt sie auch oberflächennahe Austrocknung. Weiterhin benötigt die Weißtanne genügend Wärme und verkraftet auch – bedingt durch den Klimawandel – höhere Temperaturen, weshalb ihre Ansiedelung längst auch für Gegenden diskutiert wird, in denen sie bisher nicht vorkam oder nur mit einem geringen Anteil vertreten ist.
          Im Sauerland sollten aber künftig wieder Laubwälder dominieren, und zwar flächendeckend. Geeignete Nadelhölzer sollten dagegen nur einzeln bzw. in einem angemessenen Verhältnis zugemischt werden.

          1. Beim Spazierengehen (im Wald) ist mir heute spontan eingefallen, dass es eine Geschichte der Beziehung von Mensch und Wald von den Anfängen bis heute geben müsste. In meine Suchmaschine habe ich einfach „Mensch und Wald – eine Kulturgeschichte“ eingegeben und siehe da: reiche Ernte. Jetzt brauche ich nur noch Zeit, um mir zumindest die Online-Ressourcen anzuschauen.

            Die Evolution des Menschen hat, wennn ich mein Schulwissen noch richtig erinnere, in der Steppe/Savanne begonnen, aber irgendwann traf der Mensch auf den Wald…

            Das Thema kann einen gefangen halten…

  2. Hallo Herr Schiebener,
    Danke für den Hinweis auf den im Internet nachzulesenden Beitrag „Mensch und Wald – eine Kulturgeschichte“. Eine wertvolle Bereicherung der Auseinandersetzung mit diesem Thema!
    Grüße nach Siedlinghausen, K. J. Knoppik

  3. tolle bücher zum thema sind ebenfalls:

    Herausgeber/innen: Hans Dieter Knapp, Siegfried Klaus, Lutz Fähser
    Der Holzweg
    Wald im Widerstreit der Interessen

    und

    Autor/innen: Peter Wohlleben, Pierre L. Ibisch
    Waldwissen
    Vom Wald her die Welt verstehen. Erstaunliche Erkenntnisse über den Wald, den Menschen und unsere Zukunft – Das umfassendste Buch zum Thema Wald – Standardwerk

    1. Ich beziehe seit 1977 (also von der ersten Stunde an) die Naturschutzfachzeitschrift NATIONALPARK, die damals noch von dem streitbaren Publizisten, Buchautor und Naturschützer Dr. h. c. Horst Stern herausgegeben wurde und im Morsak-Verlag Grafenau (Bayerischer Wald) erschien. Mittlerweile erscheint diese Zeitschrift im Oekom-Verlag. Die von Ihnen genannten Wissenschaftler bzw. Waldexperten Dr. Hans-Dieter Knapp und Dr. Siegfried Klaus zählen bis heute zu den ständigen Mitarbeitern.
      Freundliche Grüße,
      Karl Josef Knoppik

Kommentare sind geschlossen.