Um die Frage zufriedenstellend zu beantworten, ob und in welche Richtung sich unser Klima verändert, muß stets ein längerer Zeitraum herangezogen werden.
Gastbeitrag von Karl Josef Knoppik
Wenn so einfach behauptet wird, daß es hier bei uns bzw. in Europa während der vergangenen 10-15 Jahre nicht wärmer geworden ist, so kommt darin die landläufige Meinung der so genannten Klimaskeptiker zum Ausdruck. Deren undifferenzierte Betrachtung der realen Klimasituation läßt jedoch wichtige Fakten außer Acht und steht deshalb im Widerspruch zu den als gesichert geltenden Erkenntnissen der Wissenschaft.
Ein Beispiel verdeutlicht die Dimension der auch im Sauerland spürbar gewordenen Klimaänderung. So nahm die Jahresmitteltemperatur im Raum Meschede-Arnsberg im Zeitraum 1980-2010 um 1,1 Grad Celsius exorbitant zu. Und natürlich haben auch Trockenperioden deutlich zugenommen. Stand das Sauerland noch bis vor nicht allzu langer Zeit in dem Ruf, als besonders niederschlagsreich zu gelten, haben sich diesbezüglich auch hier wesentliche Veränderungen ergeben.
Nicht nur, daß die Vegetationsperiode immer früher im Jahr beginnt und später endet; es regnet auch tendenziell weniger, was insbesondere für die Frühjahrsmonate März und April gilt. Diese Entwicklung zeichnet sich seit ein paar Jahren ab. Also sind gerade diejenigen Monate betroffen, in denen die Pflanzen ausreichend Feuchtigkeit benötigen.
Das ist aber beileibe kein Problem nur des Sauerlandes, sondern wird in ganz Deutschland beobachtet. Andererseits treten Starkregenereignisse – so genannte Jahrhundertniederschläge – seit vielen Jahren europaweit immer öfter in Erscheinung. Dennoch stagniert die Gesamt-Niederschlagsmenge, oder sie geht kurioserweise sogar zurück. Da sich die Niederschlagsverteilung durch solche, meist nur lokal auftretenden Unwetter-Exzesse sowohl räumlich als auch zeitlich sehr divergent ausnimmt, führt dies dazu, daß auch die Abstände zwischen den sommerlichen Starkregen immer größer werden. Trockenperioden, vermehrt begleitet von extremer Hitze, nehmen also zu. Diese Situation wird sich langfristig weiter verschärfen.
Nimmt man einmal die Jahre 2005, 2010, 2011 und 2012 in den Blick, so gehören alle vier – global gesehen – zu den wärmsten seit Beginn der amtlichen Messungen. Es gibt aber trotz menschengemachtem Treibhauseffekt nach wie vor auch noch natürliche Schwankungen, die den anthropogenen Einfluß kurzfristig überlagern (verursacht u.a. durch El nino, Ozeanzirkulationsschwankungen und Sonnenaktivität). Die können von Jahr zu Jahr regional sehr groß sein, nämlich bis zu 10 Grad Celsius.
Entscheidendes Kriterium für die Klimaänderung ist jedoch der Langzeittrend bei den Temperaturen. Und dieser weist eindeutig nach oben. Ein immer größerer Teil der Erdoberfläche wird von beispiellosen Hitzewellen betroffen. 80 Prozent der Spitzenwerte wären laut Wissenschaftlern ohne den Einfluß des Menschen nicht zustande gekommen. Daß es hierzulande aber auch noch kalte Winter gibt, ist keineswegs als Widerspruch zu der weltweit im Gang befindlichen Klimaerwärmung anzusehen, sondern bestätigt diese Entwicklung.
Verantwortlich dafür zeichnet paradoxerweise eine sich stark erwärmende Arktis, wodurch infolge einer veränderten Lage von Hoch- und Tiefdruckgebieten Luftmassen und damit Wärme umverteilt wird. Der Luftdruckgegensatz zwischen dem Polargebiet und dem europäischen Kontinent verringert sich (Arktische und Nordatlantische Oszillation) Und statt der milden Westdrift vom Atlantik, die das Wetter hierzulande maßgeblich bestimmt, strömt nun polare Kaltluft aus NO über die immer öfter eisfreie Ostsee zu uns, nimmt Feuchtigkeit auf und verursacht nicht selten ergiebige Schneefälle. Diese, durch den Klimawandel herbeigeführte Situation, mit der wir es jüngst den gesamten März zu tun hatten, könnte noch auf viele Jahre hinaus für echte Winter sorgen, ist aber in Bezug auf die Zeiträume, in welcher der Klimawandel vonstattengeht, lediglich als Verschnaufpause zu werten.
Denn langfristig wird laut Prof. Dr. Stefan Rahmstorf vom Institut für Klimafolgenforschung an der Universität Potsdam der menschliche Einfluß die Oberhand gewinnen und die natürlichen Schwankungen weit in den Schatten stellen, was er im globalen Mittel schon längst tut.
Zurück zur Situation bei uns im Sauerland: Betrachtet man einmal die Witterung in den Frühjahrsmonaten der vergangenen Jahre, so bestätigt sich der Trend zu weniger Niederschlag. Unter dem Begriff Klima versteht man ja bekanntlich das Wetter in seinem durchschnittlichen Verhalten. Und daher ist nur der Blick in die Statistik aussagekräftig genug, um verlässlich darüber Aufschluß zu geben, in welche Richtung das Klima tendiert.
Fest steht, daß der diesjährige Monat März als einer der kältesten in die Statistik eingeht, nur noch übertroffen vom März 1917. Und er war wohl auch einer der trockensten. Auch der März 2012 brachte lediglich 1/5 des Sollwerts an Niederschlag. Ebenso wurde im April des gleichen Jahres das Niederschlagssoll wiederum verfehlt (Arnsberg). 51 Liter Niederschlag fielen – gegenüber gewöhnlich 79 Litern. Allerdings waren die Niederschläge über 20 Tage verteilt; und wegen der relativ geringen Verdunstungsrate wurde der Regen von den Böden gut aufgenommen.
März, April und Mai des Jahres 2011 ergaben das trockenste Frühjahr seit 1893. Der März brachte beispielsweise nur 10 Liter/m². Nur derjenige von 1928 unterschritt diesen Wert mit 7 Litern noch. Der April 2010 war zwar warm, aber auch viel zu trocken. Im Gegensatz dazu fiel im März 2010 10 Prozent mehr Niederschlag als sonst, = 90 Liter. Allerdings präsentierte sich dieser März außerhalb des Sauerlandes viel zu trocken. Der April 2009 wies ebenfalls zu wenig Niederschlag auf, nämlich nur knapp die Hälfte des Normalwerts. Der Mai 2008 war insgesamt zu trocken. Und schließlich weit heraus ragte der „Jahrhundert-April“ 2007 als bekanntlich sonnigster und trockenster Frühjahrsmonat seit mindestens 140 Jahren, wobei in Arnsberg nur 2,9 Liter Regen fielen.
In früheren Jahrzehnten glich der April im Sauerland von seinem Charakter oft mehr einem Winter- als einem Frühlingsmonat. Der Schnee blieb erst mal eine Weile liegen, wenn die weiße Pracht auch infolge der jahreszeitlich bedingten Kraft der Sonne auch bis zum Mittag meist wieder verschwunden war. Aber wir hatten i. d. R. das gewohnte typische April-Wetter in Form von wiederholten Schnee-, Schneeregen und Graupelschauern, die sich mit heiteren Phasen abwechselten. Im Sauerländer Jargon heißt das „Schlackerwetter“. Bisweilen kam es auch zu länger andauernden Schneefällen. Doch das war einmal. Abrupte und extreme Temperatursprünge, quasi vom Winter in den Sommer, kamen meines Wissens damals extrem selten vor.
Auf der Hochebene von Winterberg währte die kalte Jahreszeit oft bis zum Mai, und im sehr rauhen Klima des Bayerischen Waldes zog der Frühling erst Anfang Juni ein. Seit den 80er Jahren hat aber auch dort die Anzahl der Sommertage (also ab 25 Grad C) signifikant zugenommen. Was ebenfalls eine auffallende Abweichung von früheren Verhältnissen darstellt, sind die seinerzeit häufigeren und vor allem stärker ausgeprägten NW- und Nord-Wetterlagen. Letztere beeinflußten auch unsere Mittelgebirgsregion mit Arktikluft, die – ausgehend von einem umfangreichen Tiefdruckgebiet über Skandinavien – auf direktem Wege nach Deutschland gelangte und dem Sauerland massive Schneefälle brachte. Im Schlepptau hatte diese häufig kontinentale Kaltluft mit extremen Minusgraden, die mitunter wochenlang das Wettergeschehen beherrschten.
Karl Josef Knoppik, Meschede-Stockhausen, im Mai 2013
Ein sehr erhellender weil insbesondere auf die lokalen Verhältnisse bedachter Beitrag, für den ich dem Autor danken möchte.
Die offenkundig kälteren und schneereicheren Winter bereiten mir übrigens nicht nur als Autofahrer und Schneeschaufler Unbehagen, sondern ich sorge mich insbesondere um das Wild in den Wäldern des Hochsauerlands. M.E. besteht dringender Handlungsbedarf:
Das Jagdgesetz NRW und die Fütterungsverordnung HSK sind mittlerweile so pervertiert, dass der mit der Hege des Wildes beauftragten Jägerschaft eine Fütterung mit geeigneten, den Äsungsgewohnheiten der Wildarten angepassten Futtermitteln kaum möglich ist. Der Rechtsrahmen wurde übrigens unter Druck der Schweinemastlobby auf Düsseldorf verengt, um die Höhenzüge des Sauerlands als Schweinepestbarriere zu etablieren. Aber man will offenbar nicht nur das Schwarzwild aushungern und ausrotten…
Es sollte der Jägerschaft im Interesse der Waldbesitzer und Bauern zweifellos nicht möglich sein, durch überbordende Fütterung einen künstlich überhöhten Wildbestand zu unterhalten. Doch ein angemessener Wildbestand gehört in unseren Wald, ganz im Gegensatz übrigens zu den äsungsarmen Fichten- und pestizidverseuchten Weihnachtsbaumschonungen, mit denen wir Lebensraum und Lebensqualität des Wildes immer weiter einschränken. Das Wild war vor uns da!
Es ist ein Armutszeugnis für unsere Gesellschaft, dass wir einerseits im härtesten Winter die tiefsten Wälder mittels Ski- und Wandertourismus behelligen und das scheue, den Stoffwechsel auf Sparflamme zu halten genötigte Wild beunruhigen, andererseits aber seinen durch permanentes Auslösen des Fluchtverhaltens enorm gesteigerten Energiebedarf nicht durch adäquate Zufütterung ausgleichen dürfen/können/müssen. Wer im Winter schon einmal ein klapperdürres, hungriges Reh (eigentlich Konzentrat-Selektierer) beim Scharren mit den dünnen Vorderläufen im verharschten Schnee oder einen der stolzen Rothaargebirgs-Hirsche (eigentlich Gras-Rauhfutterfresser) beim Schälen der Rinde von Fichtenstämmen beobachtet hat, der hat eine ungefähre Vorstellung von der Not dieser Tiere in den immer härteren Wintern.
Conclusio: Der Ausbau des Hochsauerlands/Winterbergs zur Wintertourismusdestination wird nicht zuletzt angesichts des Klimawandels immer deutlicher auf dem Rücken des heimischen Wildes ausgetragen und ist ohne Anpassung der gesetzlichen Rahmenbedingungen hin zu einer wildgerechten und der permanenten Beunruhigung Rechnung tragenden Zufütterung nicht weniger als unanständige, gar barbarische Tierquälerei!