Ich habe mich in letzter Zeit sehr zurückgehalten. Über dem Westen und über unserer Lokalzeitung, der Westfalenpost, lag der Mantel des Schweigens. Ich war es einfach leid. Jetzt aber hat Bodo Hombach, Geschäftsführer der WAZ-Mediengruppe, dem Volontär Christoph Winkel ein Interview gewährt, welches im Zusammenhang mit dem „Forum Lokaljournalismus“ (ab Mittwoch in Dortmund) im hauseigenen Medium „DerWesten“ veröffentlicht worden ist.
Das Stück hätte ich immer noch nicht gelesen, wenn mich nicht in der „Twitter-Welt“ verhaltene Hinweise auf die verborgenen Qualitäten der Hombach’schen Textwolke erreicht hätten.
Ich finde die Antworten von Bodo Hombach einfach brilliant. Der Mann leitet ein Milliarden-Unternehmen und erlaubt es sich auf die Frage
Immer mehr Verlage streichen Arbeitsplätze, immer weniger Redakteure müssen mehr Seiten füllen. Wie kann der Lokaljournalist da noch für die Wurzeln der lebendigen Demokratie sorgen?
Folgendes zu sagen:
Qualität ist nicht gleich Quantität. Ich wundere mich über Aussagen, dass nur viele Menschen gemeinsam journalistisch hochwertig arbeiten können. Dabei sehe ich den Beruf des Journalisten als einen sehr kreativen Beruf an, etwa wie ein Opernsänger oder ein Maler. Wird die Oper besser, nur weil fünf Geiger mehr auf der Bühne sitzen? Wird das Bild des Malers besser, wenn zwei weitere mitmischen? Ich denke nicht. Tolles Schreiben ist das, womit der Journalismus punktet. Und durch Recherche, Themen und Präsenz.
Toll! So hat das noch niemand auf den Punkt gebracht! Das verstehe selbst ich als Amateur, denn:
- Hätten „The Who“ besser geklungen, wenn sie mit fünf Bässen, statt mit einem aufgetreten wären?
- Wäre John Lennon erfolgreicher gewesen, wenn er anstatt allein, mit einem Newsdesk getextet hätte?
- Hätte kleines dickes Müller mehr Tore gezaubert, wenn er statt mit einem mit sieben Beinen geschossen hätte?
- Hätte Picasso besser gemalt, wenn er mit 20 Pinseln statt mit einem einzigen gepinselt hätte?
- … etc. ad libidum …
Hombach sagt auch an anderer Stelle:
Südwestfalen, diese starke Region, lebt in der Westfalenpost. Da müssen wir hin, das muss unser Vorbild sein. Eine Heimatzeitung im besten Sinne, weltoffen, aber im Kern lokal und stark, das ist unsere Kompetenz. …
… Es gehört schon ganz schön etwas dazu, den Bürgermeister seiner Stadt in einem Kommentar zu kritisieren, obwohl man ihn vielleicht noch am gleichen Abend auf einer Veranstaltung trifft. Meinungsfreude ist aber immer gefragt und unerlässlich. Der Leser honoriert Journalisten mit Ecken und Kanten, die deutlich schreiben und klar Stellung beziehen. Der Journalismus wird nicht grundlos als die vierte Gewalt im Lande bezeichnet. Der Journalist kritisiert und klärt Missstände auf. Als reine Plattform für irgendwelche Interessen darf die Tageszeitung niemals ausgenutzt werden, dann verliert sie ihre Glaubwürdigkeit …
Von welcher Zeitung spricht er denn da? Das möchte ich lesen. Im Sauerland wird der Bürgermeister kritisiert. Ho, ho! Wo denn? Ecken und Kanten? Eher im Chor mit dem Bürgermeister als gegen ihn. Vierte Gewalt? Ein Allmachtsfantasie, ein ungedeckter Scheck! Reine Plattform für irgendwelche Interessen? Das schon eher.
Sobald mir Bodo Hombach beweist, dass die Westfalenpost „kritisiert und Missstände aufdeckt“, und zwar bei den Mächtigen, bin ich wieder Abonnent.
Wie sagte noch Majakowski in einem seiner Gedichte:
„Wolke in Hosen“
Bodo Hombach konnte er noch nicht kennen.
Kurz und knackig:
Die WP/WR ist grottenschlecht, um nicht zu sagen Schei…. (Interessant aber eher selten sind bestenfalls die Leserzuschriften.)
Aus lauter Verzweiflung lese ich jetzt sogar das Handelsblatt.
@Gabi:
Warum nicht? Die haben nur keinen Lokalteil 😉 Vielleicht sollte man doch wieder kleine Zeitungen drucken und den Menschen in den Briefkasten stecken, wenn man wirklich etwas zu sagen hat.
Hallo ZOOM und alle anderen hier!
Da steht doch in dem Artikel „Der Leser honoriert Journalisten mit Ecken und Kanten, die deutlich schreiben und klar Stellung beziehen. Der Journalismus wird nicht grundlos als die vierte Gewalt im Lande bezeichnet. Der Journalist kritisiert und klärt Missstände auf.“ – Komisch, wenn ich mir anschaue, mit welchen Erfolg gerade hier in der Region der Reuterlinge die höheren Hierachien der Lokalpolitik und der Lokaladministration es immer wieder schaffen, auch das kleinste hoffnungsvolle Pflänzchen, welches sich so wie Bodo Hombach es skiziiert verhält, auszureissen und im Keime zu ersticken. Ich will da nur einmal auf die Leserbriefarie bezüglich des „Scherbenhaufens von Olsberg“ vorletzte Woche hinweisen.
Wo war da ein Bodo Hombach, der diese offene und engstirninge Kritik an seinem doch laut seinen Massstäben qualifizierten Mitarbeiter die Stirn geboten hätte?
Und wie sehen dieses seine Redakteure? Fragt frau da einmal nach, so kommt heraus, dass da „Kuscheljournalismus“ von oben vorgegeben wird, sonst hat man gute Chancen, dem Arbeitsmarkt zur Verfügung gestellt zu werden.
Aber ich habe meine Konsequenz da gezogen. Seit Anfang Januar lese ich wenn dann nur noch online und meine „Lokalnachrichten“ hole ich mir da, wo sie unverfälscht und im vollen Umfang zur Verfügung stehen, nämlich vor Ort.
Der Wiemeringhauser
In necessariis unitas, in dubiis libertas, in omnibus caritas! – Crescat et floreat Wiemeringhausen!
Habe gerade das Interview mit Bodo Hombach gelesen… Man erwartet ja immer noch irgendwie eine gewisse Portion Realität bei ihm. Leider scheint er aber jeden Bezug dazu verloren zu haben – besonders die letzte Antwort erscheint wie Hohn. Was aber dem ganzen die Krone aufsetzt: Nachdem es zwei kritische Kommentare zum Hombachschen Geseier gab, wurde die Kommentarfunktion für diesen Artikel entfernt. Jawohl, Genosse Vorsitzender Hombach, das hat Erich Reitz ganz im Sinne der WAZ-Partei aus Liebe getan…;-)
Peinlicher gehts nimmer……
@Mounty:
Entschuldige bitte, dass Dein Kommentar nicht sofort freigeschaltet wurde. Das kommt manchmal bei Erstkommentatoren vor.
Zur Sache: Ich finde es auch erstaunlich, dass ein Mensch in einer solchen Position derartig abstruse Bilder verwendet. Ich erkläre es mir vorläufig so, dass Bodo Hombach ein Machtmensch sein muss, dem in der Nah-Umbebung die Korrektive fehlen, weil sich niemand traut, Klartext zu reden, sondern ihm die Mitarbeiter lieber huldigen. Stünde er nicht so weit oben, sondern gehörte zur mittleren Ebene, hätten ihm seine Vorgesetzten nach dem Interview die Bürotür eingetreten und ihm die Ohren gewaschen.
@Der Wiemeringhauser:
Ich hoffe 😉 zur Ehrenrettung der handwerklichen Fähigkeiten der hiesigen Redakteure, dass es sich so verhält wie du es beschreibst und der Kuscheljournalismus „von oben“ vorgegeben wird. Du scheinst Genaueres zu wissen. Wie läuft das hier? Bekommt Redakteur A einen Anruf aus Hagen, wenn sich eine örtliche Magnifizenz B dort beschwert hat? Oder geht das über Stellvertreter, die den Opportunismus nicht nur verinnerlicht haben, sondern ihn auch zu repräsentieren vermögen?
Noch eine Frage: Was war oder ist denn der „Scherbenhaufen von Olsberg“? Habe ich komplett verpasst 🙁
Das Bild „tapferer kleiner Lokalredakteur leidet unter von oben verordnetem Kuscheljournalismus“ trifft die Realität des Lokaljournalismus längst nicht mehr. Wo ein Pressemonopol etabliert ist, entsteht etwas neu, was man im Amerika des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts „Erpressungsjournalismus“ nannte. Die Steuerungswirkung eines Lokalblattes für die öffentliche Meinung ist erheblich, und sie wird gezielt eingesetzt, als Ressource in politischen Auseinandersetzungen. Und sie wird sparsam eingesetzt, damit diese wichtige Ressource sich nicht verbraucht. Die Drohung, man könnte sie einsetzen, reicht in der Regel aus. Ergebnis: Seichtes Allerlei alle Tage und hin und wieder ein gezielter Vorstoß. Drahtzieher sind die mit den Herausgebern vernetzten Parteien und Unternehmer, Opfer manchmal die Administration, immer die Leser, die als politische Schwungmasse instrumentalisiert werden. Einzige Waffe dagegen: abbestellen, nicht mehr lesen, eigene Informationsquellen schaffen.