Olsberger Rat diskutierte heute über die Schulentwicklung. SPD zieht Antrag zur Gemeinschaftsschule zurück und trägt Kompromissbeschluss aller Fraktionen mit.

Olsberg aus der Ferne (foto: archiv)
Olsberg aus der Ferne (foto: archiv)

Olsberg. Auf der heutige Sitzung des Rates der Stadt Olsberg wurde mehr als zwei Stunden über einen Antrag der SPD auf Teilnahme am Schulversuch zur Errichtung einer Gemeinschaftsschule diskutiert. Diesen Antrag sowie die  Positionen der Stadt hatten wir gestern samt Dokumentation hier veröffentlicht. Gegen Ende der sehr zivil geführten Aussprache zog die SPD ihren Antrag zurück und stimmte dem erweiterten, modifizierten Ursprungsantrag der CDU-Fraktion zu.

Da diese von der SPD eingebrachten Modifikationen dann wiederum diskutiert und abschließend mündlich formuliert vom Bürgermeister zur Abstimmung gestellt wurden, können wir hier den genauen Wortlaut (zur Zeit) nicht dokumentieren. Entscheidend schien die Zusicherung der CDU Fraktion, dass die weitere Diskussion und Planung der Planung „ergebnisoffen“ erfolgen solle. Die Differenzen zwischen den Fraktionen schienen sich gegen Ende zu verwischen, so dass der Rat einmütig der neuen Vorlage zustimmte.

Am Ende eines „ergebnisoffenen“ Prozesses könne sowohl eine „Verbundschule“ als auch eine „Gemeinschaftschule“ stehen. Die Verwaltung solle eine Synopse erstellen, die für alle Beteiligten, insbesondere die Eltern, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Verbundschule und Gemeinschaftsschule gegenüberstelle. Außerdem solle eventuell ein Fragebogen für die Eltern der Dritt- und Viertklässler erstellt werden.

Das die Diskussion entscheidende Argument von CDU und Verwaltung war die nach ihrer Meinung zu knapp bemessene Zeit, um eine Gemeinschaftsschule zum Schuljahr 2011/2012 ausreichend vorzubereiten. Wenn der Rat der Stadt jetzt die Teilnahme am Schulversuch Gemeinschaftsschule beschließe, würde dieser Beschluss ohne ausreichende Informationen und Diskussionen über die Köpfe von Eltern, Schülern und Lehrern hinweg getroffen. Ein CDU Ratsherr warnte in diesem Zusammenhang vor einem möglichen „Stuttgart 21“ für Olsberg.

Zu Beginn der Debatte hatte hatte Bürgermeister Fischer einen Abriss der Situation in der Region gegeben. Er bedauerte, dass es in der Bildungspolitik keine interkommunale Zusammenarbeit gegeben habe. Fischer warf den Nachbargemeinden Brilon und Winterberg vor, dass sie ohne Absprachen eigene neue Verbundschulen installierten. „Einzügigkeit“, so der Olsberger Bürgermeister, sei keine Lösung.

Olsberg habe sehr frühzeitig mit einer Stellungnahme die Pläne der Stadt Winterberg zur Errichtung einer Verbundschule im Ortsteil Siedlinghausen abgelehnt. Diese Ablehnung Olsbergs sei im Mitteilungsblatt der Stadt Winterberg noch nicht einmal erwähnt worden.

Über Schulentwicklung in der Region  müsse man vorher(!) sprechen und nicht im Nachhinein um Stellungnahmen zu getroffenen Entscheidungen bitten.

„Unser Schulsystem rotiert zur Zeit wie ein instabiler Kreisel“, habe er, Bürgermeister Fischer, auf der Schulentlassfeier des Olsberger Hauptschule gesagt.

Burkhard Stehling von der CDU Fraktion sah die Uhr für die Hauptschule und Realschule durch die Alleingänge von Brilon und Winterberg und das „interkommunale Gegeneinander“ auf 5 vor 12 stehen. Er betonte, dass der Antrag der SPD „nicht grundsätzlich falsch“ sei, dass es aber nicht um eine neue Heizung oder eine neue Aula, sondern um die Kinder ginge. Die Zeit sei zu kurz, um die ganze Bürgerschaft zu beteiligen. Den Antrag der SPD lehne seine Fraktion ab, es müsse „ergebnisoffen“ diskutiert werden.

Für die SPD begründeten Petra Brandenburg und Rudolf Przygoda den Antrag. Brandenburg warf der Verwaltung vor, zu spät gehandelt zu haben. Ab Frühjahr wäre es an der Zeit gewesen. Im Übrigen seien „Gemeinschaftsschulen“ keine neue Erfindung sondern existierten schon länger. Es werde im Schulministerium außerdem über eine Verlängerung der Frist zur Anmeldung nachgedacht. Es müssten zeitiger als geplant die Eltern informiert werden.

Von Seiten Bündnis 90 / die Grünen unterstützte Karl Heinz Weigand den Antrag der SPD. Man müsse auf die demografische Entwicklung reagieren und aufpassen, dass Olsberg  nicht von Brilon und Winterberg überholt werde. Die Realschule sei gefährdet, dabei hätte die Stadt Olsberg die Chance, ein attraktiver Schulstandort zu werden. Er wolle nicht „in zwei Jahren hier sitzen“ und darüber klagen, dass es keine Hauptschule mehr gebe.

Ein Abgeordneter der CDU wies darauf hin, dass die Lehrerinnen und Lehrer der jetzigen Realschule bzw. Hauptschule sich für eine neu entstehende  Gemeinschaftsschule neu bewerben müssten, bei einer Verbundschule bliebe für sie arbeitsrechtlich alles wie bisher.

Hiltrud Schmidt von der CDU wies auf den Parteitag der NRW-CDU am kommenden Sonnabend hin. Dort könne es eventuell zu neuen Weichenstellungen kommen. „Wir sind“, so Schmidt, „in einer breiten Bildungsdebatte.“

10 Gedanken zu „Olsberger Rat diskutierte heute über die Schulentwicklung. SPD zieht Antrag zur Gemeinschaftsschule zurück und trägt Kompromissbeschluss aller Fraktionen mit.“

  1. „Ein CDU Ratsherr warnte in diesem Zusammenhang vor einem möglichen “Stuttgart 21″ für Olsberg.“

    Ich wußte ja noch gar nicht, dass bei uns ein neuer, hochmoderner Bahnhof gebaut werden soll!? Unterirdisch soll es doch nur beim Sauerland-Museum werden! Oder habe ich da was verpasst?

    Kann es sein, dass „Stuttgart 21“ bei unseren Lokal-Politikern eine Art Trauma ausgelöst hat???

    1. Das, was „Stuttgart 21“ ausmacht, wird zur Zeit nicht nur in Olsberg diskutiert. Es schwingt die Angst vor der Legitimationskrise der Politiker bzw. der politischen Klasse mit ihren Herrschafts bzw. Verwaltungsinstrumenten mit. Ich finde in dem Zusammenhang Burkhard Hirsch hier im Blog verlinkt lesenswert:
      http://www.schiebener.net/wordpress/?p=9636
      Es sei dahin gestellt, wie die Politiker selbst „Stuttgart 21“ wahrnehmen, interpretieren und eventuell sogar instrumentalisieren 😉

  2. Wenn ich es richtig verstanden habe, hate der stellv. BM K.-J. Steinrücken das Beispiel Stuttgart 21 doch gerade gebraucht, um zu begründen, warum die Schulentwicklung vor der Entscheidung mit den Eltern, Bürgern und Lehrern breit diskutiert werden soll. Wie Ließchen Müller und zoom das ins Negative drehen, ist schon ein Kunststück. Dieses Argument hat dochletztendlich auch mit zur Zustimmung der SPD und der Grünen geführt.

    1. @kalli0412
      Ich finde es überhaupt nicht negativ, wenn Stuttgart 21 von vielen ausgewertet wird. Herr Steinrücken hat meiner Meinung nach eine bemerkenswerte Aussage gemacht. Die Übertragung nach Olsberg auf die hiesigen Verhältnisse finde ich sehr gut getroffen. Wie beurteilst Du ín diesem Zusammenhang den Artikel von Burkhard Hirsch?

  3. @zoom
    Ich muss nochmal sagen dass Herr Steinrücken S21 genannt hat, um klar zu machen, warum die CDU-Fraktion eine breite Beteiligung haben will. Das ist doch nur zu begrüßen.
    Der Artikel von Burghard Hirsch enthällt sicherlich viel nachdenkenswertes, aber wir haben auch das Legalitätsprinzip bzw. den Rechtsstaat, der m. E. eine unserer wichtigsten Erungenschaften ist und den wir im Moment mit aller Macht aushöhlen. Wer gibt z. B. den Gegnern der Castortransporte das Recht, nicht nur gegen diese zu demonstrieren (was ohne Frage legal und legitim ist), sondern auch Polizisten anzugreifen und zu verletzten und Sachbeschädigen zu begehen, deren Reparatur wir alle bezahlen müssen.

    Wenn Burghard Hirsch Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheide fordert, kann man sich dieser Meinung sicher anschließen. Aber auch diese Formen der Beteiligung müssen beraten und gesetzlich geregelt werden, sie haben kein Recht aus sich selbst heraus (das hat nicht mal der Papst) und sie haben in keinem Fall das Recht auf Gewaltausübung.
    Ich muss noch eine Bemerkung zu Deinem vorletzten Beitrag zur „politischen Klasse“ machen. Wir reden hier in Olsberg über ein paar Ratsherren, die aus verschiedenen Beweggründen Kommunalpolitik machen. Für die einen ist es Hobby, die meisten machen es, weil sie die Notwendigkeit sehen, sich für die Gesellschaft zu engagieren. Sie erhalten eine kleine Aufwandsentschädigung und haben sonst keinerlei Privilegien. Sie müssen sich im Gegenteil oft anpöbeln lassen (s. Wiemeringhausen), sodass der Spass meist schnell vergeht. Das sich diese Hobbypolitiker sehr veranwortungsvoll verhalten können, hat man gestern im Olsberger Rathaus gesehen. Aber Sie können den Stadtrat doch nicht zur politischen Klasse zählen. Diese ist sozialwisenschaftlich definiert als „eine politische Elite, für die Politik nicht nur zum Erwerbsberuf geworden ist, sondern die sich zunehmend von der Bevölkerung abkapselt, sich nicht mehr durch Mobilität erneuert und dadurch von den Interessen entfernt, die sie zu vertreten beansprucht“. Ich habe weder den Eindruck, dass die kommunalpolitische Tätigkeit für die Olsberger Ratsherrn bei ca. 180,–€ Aufwandentschädigung ein Erwerbsberuf geworden ist, noch dass sie sich von den Interessen der Bürger entfernen.
    Und wenn ich den Beitrag von Müllers Lieschen sehe kan ich nur hoffen, dass sie ihn selbst witzig findet, dann findet das wenigstens einer. Hohler gehts jedenfalls nicht.
    Die Ansammlung von solchen Beiträgen auf dieser und z. B. den von Dir verehrten Wiemeringhauser Blogs machen es sehr schwer, sich ernsthaft einzubringen, aber vielleicht ist das ja auch gar nicht gewünscht.

    1. @kalli0412
      „Ich muss nochmal sagen dass Herr Steinrücken S21 genannt hat, um klar zu machen, warum die CDU-Fraktion eine breite Beteiligung haben will. Das ist doch nur zu begrüßen.“ Nicht anderes habe ich gemeint. Ich hoffe, dass diese Einstellung nachhaltig ist und nicht taktischer Natur. Ich bin der Meinung, dass die CDU-NRW das Themas Bildungspolitik verpennt bzw. blockiert hat. Das war auch ein Grund, warum Rüttgers in NRW so grandios gescheitert ist.

      Aus welchem Grund ist der HSK einer der wenigen Kreise NRWs in denen es kein Angebot einer Gesamtschule gibt? Aus welchem Grund wurde bisher kein Bedarf erfragt?

      Hirsch hat übrigens folgendes geschrieben:
      „Selbst parlamentarische Mehrheiten sind nicht von der politischen Pflicht befreit, sich ernsthaft und nachhaltig um die Zustimmung des eigentlichen Souveräns zu bemühen, nämlich um die Zustimmung der überwiegenden Mehrheit der Bürger, die sie repräsentieren sollen. Ohne diese Rückkopplung verliert eine parlamentarische Demokratie Basis und Glaubwürdigkeit. Die „Repräsentanten“ werden zur „politischen Klasse“ – ein Unwort des Jahres -, die sich immer mehr auf ihre parlamentarische Mehrheit und ihre Rechtspositionen verlässt, und immer weniger auf die politische Kraft ihrer Argumente. Ein Bürger, der sich außerhalb des Systems zu Wort meldet, stört. Seine Einmischung wird als „Blockade“, Verhinderung eines segensreichen Werkes empfunden.“ Ich sehe in seiner Argumentation keinen Widerspruch zum Legalitätsprinzip. Grade das kann man Hirsch nicht vorwerfen. Ich weiß nicht, wo Du das heraus liest.

      Ich kann gar nicht über die persönlichen Beweggründe von Politikern Bescheid wissen, wenn ich sie persönlich nicht kenne. Ich kann doch nur die Politik selbst beurteilen bzw. bewerten und darüber kann man dann diskutieren.

  4. @all

    Münster/Bonn – Die nordrhein-westfälische CDU kommt nicht zur Ruhe. Vor dem Parteitag am Samstag in Bonn mehren sich die kritischen Stimmen, die vor allem einen neuen Umgang der Parteiführung mit der Basis vor Ort und in den Kommunen verlangen. Der Vorsitzende des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL), Wolfgang Kirsch, übte erstmals öffentlich heftige Kritik am abgewählten Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers.

    http://www.borkenerzeitung.de/aktuelles/politik/inland/1438456_In_der_CDU_rumort_es.html

  5. @Ließchen Müller
    ..nicht jedermanns,meine schon.
    @Zoom
    Die Hoffnung, dass „diese Einstellung nachhaltig ist und nicht taktischer Natur“ kann ich nur teilen, bin allerdings sehr zuversichtlich, weil Olsberg sonst in einer heillosen Sackgasse stecken würde. Die „murrenden“ Stimmen an der Basis in der CDU-NRW gibts übrigens schon länger und den meisten war klar, dass sich was ändern muss. Mit dem verpennen, das sehe ich genauso, ich denke aber, der entscheidende Grund für die Niederlage war der Dilletantismus der Herren Westerwelle, Seehofer und co. in Berlin.
    Ein letzter Punkt: Ich hatte am Freitag geschrieben, dass Demonstranten in keinem Fall dass Recht auf Gewalt haben (die Polizei dagegen schon, sonst könnten wir sie abschaffen und hätten Anarchie) und lese gerade, dass mehrere Beamte verletzt wurden und das ein Panzerwagen in Flammen aufging. Wer sind eigentlich die Verrückten: die Franzosen, die den Zug ganz gelassen durch ihr Land rollen lassen, oder die Einwohner dieser hysterischen Republick, die ihre Blockade-Fete als Widerstand bezeichnet, Angst hat, sich an Weißmehl zu vergiften und um das Überleben des Juchtenkäfers bangt?

  6. @kalli0412
    Ich bin auf jeden Fall gespannt, wie es bildungspolitisch weitergeht. Bildungspolitik in Deutschland ist außerdem so stark vom Föderalismus bestimmt,dass es schon fast „anarchisch“ ist. Das ist schade für die Kinder, deren Eltern in ein anders Bundesland ziehen (müssen) und die dort ein völlig ungewohntes System vorfinden. Dieser Gesichtspunkt hatte in Zeiten geringer Mobilität der Arbeitskräfte keine große Bedeutung. Heute, wo von den Arbeitnehmern Flexibilität und Mobilität gefordert wird, stößt der Bildungsföderalismus an seine Grenzen.

    Ich bin darüber hinaus der Meinung, dass unser 3-gliedriges System überholt ist. Wir können es uns nicht mehr erlauben, Kinder zurück zulassen, die auf Grund ihrer Voraussetzungen (oft sozial) oder körperlich (Behinderung) nicht angemessen gefördert werden.

    In die bildungspolitische Diskussion sind darüber hinaus in den letzten Jahren neue Akteure eingetreten. Ein paar Stichworte: PISA, Bertelsmann-Stiftung plus deren Firmen (Arvato), selbstbewußtere Eltern, veränderte Schülerinnen und Schüler (Medien, Vernetzung, TV), konkurrierende Systeme; Privatschulen, Ländervergleiche, Staatenvergleiche. Bildungspolitik ist außerdem ein wahlentscheidendes Feld geworden. Da ist im übrigen die Gefahr wieder groß, dass die Vernunft von machttaktischen Überlegungen deformiert wird.
    Kurz noch zum anderen Punkt. Die Polizei steckt in dem Dilemma, dass sie die Folgen der Politik auszubaden hat, anstatt Verbrecher zu fangen. Die Aufkündigung des Atomkompromisses würde der Merkel-Regierung heute bei Wahlen eine Riesenniederlage bescheren. Aber die Strategen scheinen auf das kurze Gedächtnis der Wähler zu setzen.
    Der Vergleich mit Frankreich hinkt. In Frankreich hatte die Atompolitik eine sehr große Akzeptanz von rechts bis links. Es gab und gibt in Frankreich keine mit Deutschland vergleichbare Anti-AKW-Bewegung. Andererseits nehmen die Arbeitnehmer bei Streiks kurzerhand ihre Chefs als Geiseln.

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