Ein Mann geht in den Ruhestand – „Da waren Menschen betroffen. Das ist zynisch“

Die Zombie-Zeitung namens Westfälische Rundschau wandelt noch? (Karikatur: Karlheinz Stannies)

Manfred Braun. Funke Mediengruppe. Ein Mann geht in den Ruhestand und blickt zurück auf seine Chef-Karriere. Der Laden hätte sich bestens entwickelt, urteilt er. Und, ach ja, merkt er noch lapidar an, natürlich hätte er wohl auch ein paar Fehler gemacht.

Klingt wie: machen wir doch alle, Schwamm drüber. „Das klingt so, als hätte Manfred Braun aus Versehen mal zu viel Kopierpapier bestellt. Dabei hat er gut 300 Existenzen vernichtet.

Das ist zynisch“, so kommentiert der DJV-NRW-Landesvorsitzende Frank Stach die Abschieds-E-Mail, die der scheidende Funke-Geschäftsführer Manfred Braun an seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gerichtet hat. Dokumentiert ist die Mail auf der Seite medienmoral-nrw.de, http://bit.ly/2Dh8UF2.

Er habe einen „großartigen Job“ gemacht, lobte Julia Becker, Chefin der Funke-Mediengruppe, ihren Spitzenmann. Viele (Ex- und Noch-) Mitarbeiter, Betriebsräte, Gewerkschafter und Medienexperten sehen das ganz anders. Braun selbst schrieb:

„Natürlich habe ich Fehler gemacht. So bin ich heute zum Beispiel der Ansicht, dass wir mit der Westfälischen Rundschau anders hätten umgehen sollen, als wir es getan haben. Und hätten wir nicht auch für den Dortmunder Markt andere Lösungen finden können?“

Sie erinnern sich? Vor fünf Jahren hat die damalige WAZ-Gruppe (heute Funke) Knall auf Fall sämtliche Redaktionen der Westfälischen Rundschau (WR) geschlossen. 120 angestellte Redakteurinnen und Redakteure sowie rund 180 freie Journalistinnen und Journalisten verloren mit nur zwei Wochen Vorlauf ihre Jobs bzw. Auftragsgeber. Statt ihrer füllte der Konkurrent Ruhr-Nachrichten die Lokalseiten. Die Traditionszeitung wurde zum seelenlosen Zombie, die Meinungs- und Medienvielfalt im Ruhrgebiet brutal getroffen.

Einerlei statt Vielfalt im Tageszeitungsbereich, sowohl auf lokaler als auch auf überregionaler Ebene. (Karikatur: Karlheinz Stannies)

„Der DJV-NRW verbindet mit dem Namen Braun vor allen Dingen Konzentrationsprozesse im Tageszeitungsbereich, sowohl auf lokaler als auch auf überregionaler Ebene. Auf die Schließung von Lokalredaktionen und die Zusammenarbeit mit Konkurrenztiteln kann man nicht stolz zu sein. Und sich Gedanken um den „Dortmunder Markt“ zu machen, aber mit keinem Wort zu erwähnen, dass Menschen betroffen waren, von denen einige bis heute keine vergleichbare Anstellung gefunden haben, ist ebenfalls zynisch“, meint Stach.

Außerdem habe Braun aus seinen eingestandenen Fehler nichts gelernt: Noch vor kurzem hat die Funke-Mediengruppe den Fotopool kurzerhand aufgelöst, den 24 Beschäftigten des Fotopools wurde gekündigt.

Der DJV: „Elf wurde angeboten, in die neu gegründete Funke Foto Services GmbH zu schlechteren Konditionen zu wechseln. Die übrigen Fotografen mussten sich in Konkurrenz zu Bewerbungen von außen um die restlichen vier Stellen neu bewerben. Neun Beschäftigte haben ihre Jobs verloren.“

Stach appelliert an den Funke-Mediengruppe, mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Zukunft menschlicher umzugehen: Man hoffe, dass der oder die neue Geschäftsführer/in für die Zeitungstitel „den Wert der Zusammenarbeit“ wirklich erkenne und umsetzt – „und nicht nur in einer Betreffzeile nennt, wie Braun das in seiner Abschieds-E-Mail getan hat.“

————————

(Der Artikel von Karlheinz Stannies ist zuerst auf seinem eigenen Blog Charly & Friends erschienen.)

Der Deutsche Journalisten-Verband macht Theater: „Der Wolf kommt!“ Satire im Schatten von Petrikirche und Ruhr Nachrichten.

Wölfe in Dortmund. (foto: medienmoral)
Wölfe in Dortmund. (foto: medienmoral)

Rund 100 Dortmunder lachten am Wochenende, im Schatten der Petrikirche und des Ruhr Nachrichten-Hauses, über satirisches Straßentheater. Im schrillen Stück „Der Wolf kommt“ geht es um den Chef eines Medienunternehmens, der in einem Kursus erfahren möchte, wie man als großes Tier im Blätterwald noch „schöner rausekeln“ kann. Der Wolf lernt bei der Schlange, und beide werden reingelegt von einem „Maulwurf“. Die Satire wird in dieser Woche im Münsterland (Mittwoch Haltern, Donnerstag Greven, Freitag Rheine) aufgeführt.

Landesvorstandsmitglied Karlheinz Stannies beschreibt, warum der Deutsche Journalisten-Verband so viel Theater macht.

Haben Sie es schon gemerkt? Die Lokalzeitungen werden dünner. Ihre auch?

Haben Sie es schon gemerkt? Die Lokalredaktionen schrumpfen. Ihre auch? In den Sitzungen von Kreistag oder Gemeinderat und ihren Ausschüssen tauchen immer weniger Journalisten auf. Oder auch bei Veranstaltungen und Festen, in den Sport- oder Schützenvereinen und auf dem Sportplatz. Nun ja, freie Mitarbeiter kommen ja oft noch. Aber die sind eigentlich Lehrer oder Hausfrauen oder Schüler oder Studenten.

Die Fotografen werden weniger. Bei Ihnen auch?

Oder denken Sie an die Fotografen! Früher kamen immer dieselben. Sie kannten sich vor Ort und mit der Kamera aus, waren echte Aushängeschilder der Redaktionen, und ihnen „steckte“ man gern auch mal eben eine Information, einen Termin, einen Skandal. Fotografen werden weniger. Haben Sie es gemerkt?

Lokalzeitungen in Gefahr. Und Ihre?

Der Wolf kommt. Das Plakat. (bild: djv facebook)
Der Wolf kommt. Das Plakat. (bild: djv facebook)

Vielleicht ist das alles in Ihrer Stadt ja (noch) nicht so schlimm. Bundesweit aber sind Lokalzeitungen in Gefahr. Dabei sind sie für das kommunale Leben – trotz aller Internetangebote und Blogs – genauso wichtig und unverzichtbar wie „die Presse“ für „die Demokratie“. Viele Lokalredaktionen wurden schon geschlossen. Oder zusammengelegt, so dass ehemalige Konkurrenten nun nur noch den Anschein von unterschiedlichen Ausgaben erwecken. Überall wird Personal abgebaut; bei den NRW-Zeitungen der Essener WAZ-Mediengruppe – von WAZ bis Westfalenpost – waren es 300 Stellen auf einen Schlag, die meisten davon in den Lokalredaktionen.

Hauptsache billig. Die journalistische Qualität leidet.

Kurz: Die Pressevielfalt ist in Gefahr, journalistische Qualität leidet. Hauptsache billig, sagen die Verlagsmanager, setzen auf unerfahrenen Nachwuchs, Tarifflucht, Auslagerung und Leiharbeit, und sie machen bei ihren Einsparungen auch nicht vor Geschäftsstellen halt. Aus der Sicht von uns Lesern: Die Lokalzeitung rückt von uns weg, verliert ihre Nähe. Dabei ist genau dies das Pfund, mit dem Verleger in Zeiten des Internets wuchern können, gedruckt wie digital.

Freie und feste Journalist(inn)en unter Druck.

Die einst bunte Pressevielfalt droht zu veröden, freie wie feste Journalist(inn)en geraten unter Druck und erleben Zukunftsangst, der Qualitätsjournalismus auch vor Ort rutscht bergab. Dagegen wehren sich Gewerkschaften wie der Deutsche Journalisten-Verband (DJV), nicht nur für ihre Mitglieder. Auch für die Leser. Pressemitteilungen, Flugblätter, Demos – das alles gab es schon. Der Landesverband NRW wehrt sich nun auch mit Kultur.

Gegenwehr auch mit Kultur und Satire.

wolfkommtmedienmoral02
Live und bissig in Dortmund (foto: medienmoral)

Die Idee stammt von drei DJV-Ortsvereinen, die gerade wieder einmal von Personalabbau beim Medienhaus Lensing-Wolff (Dortmund, u.a. Ruhr Nachrichten) betroffen sind. Wie bringt man möglichst vielen Menschen bei, was da läuft im Blätterwald? Vielleicht durch Straßentheater! Der DJV konnte drei bühnenerprobte Kabarettist(inn)en für ein skurriles Straßentheater-Stück begeistern: Sandra Schmitz und Martin Kaysh (beide bekannt vom Dortmunder Anti-Karneval „Geierabend„) und Jutta Koster (Wuppertal), die auch den Text schrieb. An dem Schlusslied „Das gar traurige Lied von den Kniepenkerlen“ habe ich mich selbst versucht. Die drei „Profis“ und Musiker Mario Simon probten wie die Wilden, und so entstand: „Der Wolf kommt“.

Erster Auftritt in Dortmund

Die Dortmunder fanden es gut. Wie der „Maulwurf“ der Belegschaft den bösen Wolf reinlegt und der gewissenlosen Schlange das Handwerk legt. Rund 100 sahen sich, auf Bänken sitzend, das Stück an. Einige Passanten, denen das Flugblatt in die Hand gedrückt wurde, diskutierten mit den DJV-Vertretern. Über das, was in ihren eigenen Betrieben los ist, aber auch über die Zukunft der Lokalzeitung. Fazit: Anscheinend merken Leser doch genau, wenn sich ihr Blatt ändert.

Übrigens erhielten mehrere hundert „Honorationen“ in Dortmund und im Münsterland Post vom DJV NRW. Mit Einladungen und Erklärungen, worum es geht.

Weitere Auftritte folgen. Bald auch in Ihrer Stadt?

Der DJV wird das Stück im September noch drei Mal aufführen. Die genauen Termine und weitere Infos findet man bei www.medienmoral.de und auf der Facebook-Seite von „Der Wolf kommt“. In Kürze wird bei Youtube ein Mitschnitt des Dortmunder Auftritts eingestellt.