Als Auto-Hasser bin ich im direkten Umkehrschluss selbstverständlich ein glühender Verehrer des öffentlichen Transportwesens der Bundesrepublik Deutschland.
Allein meine Liebe wird in letzter Zeit nur selten erwidert.
In meiner sogenannten Jugend kreuzten beispielsweise die Eisenbahnen mit unerbittlicher Pünktlichkeit das Streckennetz der Deutschen Bundesbahn. Wenn ein Zug um 12:32 auf Bahnsteig 4 ankommen sollte, dann kam er auch um 12:32 auf Bahnsteig 4 an.
Musste ich laut Fahrplan um 12:34 auf Bahnsteig 12 den nächsten Zug erwischen, war die Frage nicht, ob der Zug fährt, sondern, ob ich den Spurt zwischen den Bahngleisen schaffen würde.
Diese Fragen haben sich inzwischen erledigt: Züge fahren nicht mehr pünktlich. Züge fahren auch nicht mehr von ihren angekündigten Bahnsteigen ab. Soll es Gleis 16 sein, ertönt 5 Minuten vor der fahrplanmäßige Abfahrt die Ansage: „Der RE xy fährt heute ausnahmsweise von Gleis 21,“ oder umgekehrt.
Züge fallen auch gerne mal komplett aus oder erreichen überhaupt nicht ihr Ziel.
Vor ein paar Tagen hatte ich die Bahn fast wieder in mein Herz geschlossen. Ich saß nach mehrmaligem geglücktem Umsteigen in der Bahn von Duisburg nach Wesel. Eigentlich eine leichte Nummer, die Zeit meines Lebens immer geklappt hatte.
Kurz vor Oberhausen blieb der Zug stehen: „Aufgrund eines Stellwerkschadens verzögert sich die Weiterfahrt um ca. 20 Minuten“. Na, ja – die paar Meter bis OB Hbf sollten kein Problem sein. Wird schon werden.
Wurde nicht. Nach 20 Minuten fuhren wir zurück nach Duisburg. Stellwerk kaputt. Oberhausen war Utopia geworden. „Melden Sie sich bitte in Duisburg Hauptbahnhof am Service Point“
Dort die Durchsage um 13:35 „Reisende Richtung Oberhausen nehmen den xy-Zug um 13:37 von Gleis ? nach Mühlheim-Styrum, von dort mit der S-Bahn Richtung Oberhausen.“
Leckt mich, habe ich gedacht. Ehrlich. Bin dann zum Service Point. Da saß ein Männecken und hat uns alle freundlich beraten und sogar neue Pläne ausgedruckt.
Der Plan für mich: mit der Straßenbahnlinie 903 Duisburg-Meiderich und Hamborn durchpflügen.
Die Linie 903 war eigentlich seit Jahren mein Traum. Tempogedrosselt mit der Straßenbahn durch das Mulikulti-Problemgebiet des Niederrheins rumpeln.
Erfüllung sieht allerdings anders aus als an diesem Tag, weil sich alle umgeleiteten Bahnfahrer die schmale Bahn teilen müssen: kein Sitz, kaum Platz, schlechte Luft. Schade eigentlich und Entschuldigung, dass ich beim nach links und rechts Gucken jedesmal irgendwem den Rucksack ins Gesicht gepresst habe.
Sämtliche Zugfahrten in diesem Jahr hatte irgendeine von den oben genannten „Macken“.
Trotz alledem, ich habe schon wieder ein paar Fahrkarten in der Tasche. Irgendwas mit drei Mal Umsteigen. Ich habe mir schon mal vier Pläne B1 bis B4 ausgedruckt – mit jeweils einer Stunde Puffer beim Umsteigen.
Eine Frage noch: Wer kauft eigentlich so ein Unternehmen an der Börse?
Ja, die Bahn… Aber Stuttgart 21 wollen sie schaffen… wer’s glaubt…
Jedenfalls hatte ich vor 10 Tagen auch mal einen Zugausfall. Bislang kannte ich das nur vom Hörensagen. Aber in Ahaus wurde nichts durchgesagt, dafür stand es auf dem Zuganzeigebildschirm. Was tun?Das nette Veranstaltungszentrum mit Kneipe am Bahnhof ist leider sonntags dicht, und das andere gastronomische Angebot im Bahnhofsumfeld beschränkte sich auf 2 Döner-Buden. Gücklicherweise war sonniges Herbstwetter, fast kein Wind, und so ging die Stunde mit iPhone-Spielereien überraschend schnell rum.
In Duisburg ist das natürlich anders. Das Fahren mit den Linien 903 und/oder 901 ist schon ein Erlebnis. Beide Routen einmal abfahren, und man hat einen hervorragenden Eindruck vom Duisburger Norden. Die Linien kreuzen sich mitten in Marxloh und treffen sich in der Duisburger Fußgängerzone wieder – auf dem Streckenplan sieht das aus wie eine asymmetrische Schleife. Wer keine Hochöfen mehr kennt – hier stehen sie noch. Oder Ruhrort, Sankt Pauli im Miniformat. Natürlich auch den Landschaftspark Duisburg Nord, leider nur aus der Ferne. Für die direkte Anbindung versagte der Düsseldorfer Regierungspräsident seine Zustimmung. Klar, schließlich gibt es sinnlosere Dinge, für die das Schuldenmachen lohnt. Aber das ist eine andere Geschichte.
Mit den Duisburger Bahnen auf Sightseeing-Tour: jedem zu empfehlen, der nochmal richtig ins Ruhrgebiet eintauchen will, jenseits vom Strukturwandel-Hochglanz.
Über die zahllosen Brautmodengeschäfte in der Weseler Straße in Duisburg Marxloh hatte das Magazin der SZ kürzlich einen netten Bericht mit schönen Fotos:
http://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/36414/1/1