100 Jahre Waldorfschule, 100 Jahre ‘Rudolf Steiner hat gesagt …’

Das zweite Goetheanum in Dornach (1928 bis heute), Südansicht (foto: „Wladyslaw“, wikimedia, (CC BY-SA 3.0))

Im September 2019 wird die Waldorfschule hundert Jahre alt. Keine andere Schulform hält so starr an den Vorgaben ihres Begründers fest, wie die Waldorfpädagogik an der Anthroposophie Rudolf Steiners.

(Der Artikel erschien zuerst beim „Humanistischen Pressedienst“, unter dem Titel „100 Jahre Pädagogik aus dem Esoterik-Baukasten“)

In der sich nach aussen hin fortschrittlich präsentierenden, anthroposophischen „Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft“ ist noch immer Rudolf Steiners esoterische „Allgemeine Menschenkunde“ aus dem Jahr 1919 im Programm. Von „2017 – 2020“ veranstaltet die Alanus Hochschule die, Zitat:

„Thementage Menschenkunde

Die von Rudolf Steiner 1919 begründete Waldorfpädagogik beruht auf einer anthroposophischen Menschenkunde, die Mensch und Welt in einem spirituellen Erkenntnishorizont begreift.

Diese Menschenkunde umfasst anthropologische, (entwicklungs-)psychologische, physiologische und epistemologische Aspekte. Ihre detailliertesten Ausführungen finden sich in den Vorträgen Rudolf Steiners ‘Allgemeine Menschenkunde als Grundlage der Pädagogik’ und im sogenannten ‘Heilpädagogischen Kurs’.

Die ‘Thementage Menschenkunde’ an der Alanus Hochschule behandeln unterschiedliche Aspekte der Anthropologie Rudolf Steiners, die sowohl für die Waldorfpädagogik als auch für die anthroposophische Heilpädagogik von zentraler Bedeutung sind. Neben der geisteswissenschaftlichen Grundlagenarbeit sollen die einzelnen menschenkundlichen Aspekte auch mit Blick auf ihre Relevanz für die pädagogische Praxis befragt werden.“[1]

„…anthropologische, (entwicklungs-)psychologische, physiologische und epistemologische Aspekte“ klingt nach „Wissenschaft“, aber das ist die „Allgemeine Menschenkunde“ Steiners sicher nicht. Was dann?

Nähern wir uns zunächst „von aussen“ an – ohne jede Vorkenntnis der Anthroposophie –, ein Freund schreibt mir:

„Ich habe auch einen Blick in die ‘Allgemeine Menschenkunde’ geworfen.

Das erste, was mir darin auffällt, ist das Literaturverzeichnis – es beinhaltet, soweit ich sehe, nur Werke von Herrn Steiner; der Mann muss das Rad wirklich sehr gründlich neu erfunden haben – oder eine Vorliebe für intellektuellen Autismus haben.

Abgesehen davon, dass die Vorträge in der Sprache einer anderen Zeit (Kaiserzeit) geschrieben sind und mir das ‘geheimbündische’ an der ganzen Tonart nicht gefällt, wirken einige Stellen so, als hätte der Autor Ideen und Begriffe aus der Alten Indischen Kultur (Wiedergeburt, Karma, Bedeutung des Atmens etc) ziemlich krude übernommen und sie sich – ohne diese Quellen zu zitieren – zu eigen gemacht. Zum Vergleich könntest Du mal einen Blick in Heinrich Zimmers ‘Philosophie und Religion Indiens’[2] werfen – da steht zu diesen Sachen meines Erachtens Interessanteres und besser Lesbares drin.

Ein schlimmer Verdacht, der einen beim Lesen des Werkes beschleicht, ist, dass die Pädagogische Lehre, die hier ausgebreitet wird, das Kind nicht um seiner selbst willen betrachtet und fördert, sondern nur als Baustein in einem galaktischen Puzzlespiel (aus Atlantiern und Lemuriern?).“

Dieser „schlimme Verdacht“ wird von Prof. Dr. Stefan T. Hopmann, Bildungswissenschaftler an der Universität Wien, im Interview über die Waldorfschule bestätigt:

„Lichte: Ein Werbeslogan der Waldorfschulen lautet: ‘Im Mittelpunkt der Mensch’. Im Standard[3] sagen Sie über die anthroposophische Pädagogik: ‘Denen geht es um das Kind so wie es der Bank ums Geld geht.’

Hopmann: Im Mittelpunkt steht bei denen der Mensch, wie Rudolf Steiner ihn sieht, also als Reinkarnation, als Mitglied einer Rasse, als Charaktertyp usw. Ziel ist es, den jeweiligen Menschen entsprechend den Steinerschen Lehren zu formen bzw. sein ‘Wesen’ zu entfalten. So wie bei anderen Sekten verbindet sich damit ein Totalitätsanspruch: Wir wollen dich mit Haut und Haaren, mit deiner ganzen Persönlichkeit vereinnahmen – nicht anders als eine Bank dein Geld will: Nicht um nett zu dir zu sein, sondern um an dir Geld zu verdienen. Bloß blöd, wenn man zu jenen Wesen zählt, denen laut Steiner Dahinsiechen oder Verkümmern vorausbestimmt ist. Denen geht es dann wie bei der Bank, wenn die Kreditwürdigkeit dahin ist.“[4]

Und was ist gemeint, wenn der Freund schreibt: „… wirken einige Stellen so, als hätte der Autor [Rudolf Steiner] Ideen und Begriffe aus der Alten Indischen Kultur (Wiedergeburt, Karma, Bedeutung des Atmens etc) ziemlich krude [sic!] übernommen“?

Diese Frage beantwortet man am besten „von innen“, indem man selber einige Seiten der „Allgemeinen Menschenkunde“ liest, die komplett und gratis online ist. Wer das getan hat, wird auch nicht mehr sagen wollen, dass folgendes „aus dem Kontext gerissen ist“, denn es gibt keinen vernünftigen, nachvollziehbaren „Zusammenhang“ mehr, Zitat Steiner aus der „Allgemeinen Menschenkunde“:

„Der Mensch steht der Außenwelt gegenüber. Das Geistig-Seelische strebt danach, ihn fortwährend aufzusaugen. Daher blättern wir außen fortwährend ab, schuppen ab. Und wenn der Geist nicht stark genug ist, müssen wir uns Stücke, wie zum Beispiel die Fingernägel, abschneiden, weil der Geist sie, von außen kommend, saugend zerstören will.“[5]

Anthroposophie macht frei

Verantwortlich für die „Thementage Menschenkunde“ der Alanus Hochschule ist Prof. Dr. Jost Schieren, Professor für Schulpädagogik mit Schwerpunkt Waldorfpädagogik.

Im Interview mit dem „Waldorfblog“[6] tritt Schieren als „Werber“ für die Waldorfpädagogik auf[7], verwendet immer wieder das buzzword „Freiheit“ – in einer einzigen Antwort erstaunliche 7 mal:

„Die Anthroposophie ist im Kern auf das Ideal des freien Menschen ausgerichtet.“
„Freiheitsentwicklung als Teil des Weltgeschehens“
„Freiheitsentfaltung unseres Menschseins“
„Position der Freiheit“
„Begriff der Freiheit“
„Entwicklungsraum der Freiheit“
„freien Persönlichkeitsentwicklung“

Für Schieren macht einfach alles frei, was Anthroposophie ist. Wie die Waldorfpädagogik, die auf der Anthroposophie Rudolf Steiners (1861 – 1925) basiert.

Über einen Vortrag Rudolf Steiners sagt Kurt Tucholsky: „Je größer der Begriff, desto kleiner bekanntlich sein Inhalt – und er hantierte mit Riesenbegriffen.“[8]

„Freiheit“: mit diesem Riesenbegriff macht Jost Schieren Werbung für die Waldorfpädagogik.

Reinkarnation macht frei

Beim Werber Jost Schieren ist „Reinkarnation“ normal, wird zu einer weiteren „Sichtweise auf den Menschen“, die – Verkaufsargument! – von „Fremdbestimmung“ befreit:

Der Gedanke der Reinkarnation erlaube es, so Jost Schieren, „den Menschen nicht als irgendwie allein fremdbestimmtes Wesen (Gene, Sozialisation, Gehirnprägungen usw.) zu denken.“ Das Kind sei nicht das alleinige Resultat von Vererbung und Umgebung, sondern trage in sich „eine eigene auf sich selbst begründete Persönlichkeit“, die nicht zufällig entstanden sei, da „der Mensch sein eigenes Wesen selbstverantwortlich durch eine Reihe von Verkörperungen selbst bildet.“

Doch was bedeutet „Reinkarnation“ überhaupt? Und bei Rudolf Steiner?

Weit verbreitet ist die Idee im asiatischen Kulturkreis, im Hinduismus und den verschiedenen Erscheinungsformen des Buddhismus. Gemeinsam ist ihnen, daß das Ziel ist, dem „endlosen Kreislauf der Wiedergeburten“ zu entkommen, sich von der Fessel des „Karma“ zu befreien.

Helena Petrovna Blavatsky und in ihrer Nachfolge Rudolf Steiner kehren die Idee in ihr Gegenteil um: Der Mensch soll im Kreislauf der Wiedergeburten bleiben, so kann er sich – und damit die Menschheit – perfektionieren. Das bedeutet: Pflichterfüllung. Von „Freiheit“ keine Spur.

Rudolf Steiner verspricht eine Form der (geistigen) Unsterblichkeit und befriedigt zugleich das Bedürfnis seiner – zur Zeit der Begründung der Anthroposophie – aristokratischen und großbürgerlichen Klientel nach „Elite“: „WIR bringen die Menschheit (-sentwicklung) voran!“

Und natürlich kann die Menschheit auch nicht an einem Tag an Ihrem Bestimmungsort, dem Planeten „Vulkan“[9], ankommen – dann wäre Steiners Geschäftsmodell sofort erledigt …

Grundkenntnisse der Philosophie, Religion und Geschichte sind nicht erforderlich, wenn man Professor einer anthroposophischen Hochschule ist. Es reicht, wenn man aus Steiners uraltem Esoterik-Baukasten eine Pädagogik bastelt, die nach aussen hin „neu“ erscheint.

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Weitere Artikel zu „100 Jahre Waldorfschule 2019“:

Die Waldorfschule als Bekenntnisschule“, von Prof. Klaus Prange
Rudolf Steiners ‘survival of the whitest’“, Geschichte in der Waldorfschule, Andreas Lichte
Die Golems – und wie sie in die Welt kommen“, Kunst in der Waldorfschule, Andreas Lichte

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[1] „Thementage Menschenkunde“ – https://www.thementage-menschenkunde.de/ – Abruf am 21.5.2018

[2] Heinrich Zimmer, „Philosophie und Religion Indiens“, Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft 26, Suhrkamp Verlag, Erste Auflage 1973

[3] „Mit Schlingenmalen zum Schreiben finden“, Lisa Aigner, derStandard.at, 5. Juni 2011

[4] „Man kann nicht nur ein ‚bisschen‘ Waldorf sein“, Ruhrbarone, 11.9.2011

[5] Rudolf Steiner, „Allgemeine Menschenkunde als Grundlage der Pädagogik“, GA 293, S. 93 f.

[6] „Waldorf heute: Vom ‚Eingeweihtenwissen‘ zum ‚akademischen Diskurs‘? Ein Interview mit Jost Schieren“, Waldorfblog, 21. März 2016

[7] die folgende Textpassage ist ähnlich veröffentlicht in: „Prof. Jost Schieren, Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft: Der Waldorf-Werber“, Humanistischer Pressedienst, 5.4.2016, https://hpd.de/artikel/waldorf-werber-12931

[8] Kurt Tucholsky, „Rudolf Steiner in Paris“, Die Weltbühne, 03.07.1924, Nr. 27, S. 26.

[9] Die Menschheit entwickelt sich laut Rudolf Steiner auf sieben Planeten. Von Planet zu Planet steigt das Menschengeschlecht höher in der Entwicklung: Saturn, Sonne, Mond, Jupiter, Venus und zuletzt der Vulkan … siehe auch: „Rudolf Steiners rassistischer Science-Fiction-Trash: Aus der Akasha-Chronik“, Humanistischer Pressedienst, 5.1.2015, https://hpd.de/artikel/10883

17 Gedanken zu „100 Jahre Waldorfschule, 100 Jahre ‘Rudolf Steiner hat gesagt …’“

  1. … wie tief verankert die Anthroposophie in der deutschen Gesellschaft ist, zeigt die deutsche Nachrichtensendung Nummer eins:

    „Werbeunterbrechung für Waldorfschulen in den Tagesthemen

    Öffentlich-rechtliche Berichterstattung sollte ausgewogen sein und bei strittigen Themen stets alle Seiten zeigen. Doch genau dies geschah in einem völlig kritikfreien Beitrag über Waldorfschulen, der gestern von den ARD-Tagesthemen ausgestrahlt wurde, nicht. Ob es daran liegen könnte, dass die Journalistin, die den Beitrag erstellt hat, selbst eng mit der Waldorfschul-Welt verbunden ist?

    „Wir unterbrechen die Tagesthemen für eine Werbesendung der Waldorfschulen“, wäre meine Anmoderation für den Beitrag „100 Jahre Waldorfschule“ in den Tagesthemen vom 3. September 2019 gewesen – Caren Miosga sagt aber (ab 0:23:40):

    (…)“

    weiter beim „Humanistischen Pressedienst“, „hpd“: https://hpd.de/artikel/werbeunterbrechung-fuer-waldorfschulen-den-tagesthemen-17166

  2. Leseempfehlung – Süddeutsche Zeitung, 7. September 2019 (hier nur Auszug):

    „100 Jahre Waldorfschule

    „Waldorf hat den Charakter einer Sekte“

    Die Waldorfschulen begehen ihren 100. Geburtstag, und kritische Töne an der vom Hellseher und Okkultisten Rudolf Steiner im Schnellverfahren ersonnenen Pädagogik sind in diesen Tagen eher selten zu vernehmen. Zum Festakt in Stuttgart an diesem Samstag hat sich Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann als Gratulant angekündigt. Die „Tagesthemen“ der ARD lobten die Waldorfschule vor einigen Tagen und sahen offenbar keinen Interessenkonflikt darin, dass die Autorin des Films selbst äußerst eng mit der Waldorfszene verbandelt ist.

    Nicholas Williams, Jahrgang 1981, kennt die Binnensicht gut. Er war Waldorflehrer in Baden-Württemberg – und hat der Schule inzwischen den Rücken gekehrt. Ein Protokoll.

    (…)

    Mit einem Mal saß ich in sogenannten Kindesbesprechungen. Da hocken zehn bis fünfzehn Waldorflehrer zusammen und beratschlagen lang und ausführlich, was mit einem speziellen Kind los sein könnte. Über eine Schülerin hieß es zum Beispiel: Dass sie blonde Haare und braune Augen habe, erzeuge eine innere Spannung in ihr. Sie habe zu viel Schwefel im Körper und brauche spezielle Bewegungsübungen und homöopathische Mittel – für die es natürlich keinen Wirknachweis gibt. Weder die betroffenen Kinder noch deren Eltern haben zuvor etwas von diesen Besprechungen erfahren. Ich glaube, viele hätten nicht schlecht gestaunt, wenn sie gewusst hätten, was dort mit großem Ernst beredet wird.

    In einem anderen Fall ging es um ein Kind, das etwas hibbelig war. Im Laufe des Gespräches war eine Kollegin sich schließlich sicher: Dieses Kind ist deswegen so unruhig, weil es zwischen den letzten beiden Inkarnationen nicht genügend Zeit zur Therapie bei den Engeln gehabt hätte. Auf so etwas bauen die pädagogische Diagnosen auf! Eine ernsthafte therapeutische Qualifikation hatte an der Schule niemand. Das trifft auch auf die pädagogische Qualifikation der Lehrerschaft insgesamt zu: Etwa die Hälfte der Kollegen, die mir an Waldorfschulen begegneten, hatte weder ein Studium absolviert noch sonst einen staatlich anerkannten Abschluss.

    Widersprochen hat den Annahmen in den Kindesbesprechungen keiner. Es gibt an der Waldorfschule eine informelle Hierarchie, und diejenigen, die besonders anthroposophisch überzeugt sind, geben den Ton an. Das sind die ungeschriebenen Regeln – und das miese Gehalt begünstigt das: Entweder jemand ist von der Sache überzeugt, oder er braucht den Job so dringend, dass er kaum gehen oder kündigen kann. Aber es gibt immer ein paar Leute, die wie ich innerlich die Hände über den Kopf zusammenschlagen und sich nur denken: Ach, du meine Güte! Aber die bleiben meistens still. Meist gehen sie irgendwann. Auch ich habe nichts gesagt, ich war ja neu und immerhin bauen die Kollegen ihre ganze Lehreridentität auf solchen Vorstellungen auf. Viele mochte ich ja menschlich.

    (…)“

    zum vollständigen Artikel: https://www.sueddeutsche.de/bildung/100-jahre-waldorfschule-erfahrung-kritik-1.4588339

  3. Den Satz aus der Überschrift des Artikels „Rudolf Steiner hat gesagt …“ hörte ich immer wieder in der Waldorf-Welt, auch hier:

    „Waldorfschule Schloss Hamborn, das anthroposophische Zentrum in Ostwestfalen

    (…)

    Mir muss nicht extra gesagt werden, dass man als (zukünftiger) Waldorflehrer Teil einer grossen Gemeinschaft ist, die höhere Ziele verfolgt: „Die Welt wird zum Tempel, die Welt wird zum Gotteshaus“, sagt Rudolf Steiner, der Begründer der Waldorf-Pädagogik. Für Steiner ist die Waldorfschule der „praktische Beweis für die Durchschlagskraft der anthroposophischen Weltorientierung.“ Nicht weniger. Und die Anthroposophie ist Steiners Haus-Religion: Steiner ist ihr selbsternannter Prophet, Hellseher, dessen Worte Offenbarungscharakter besitzen. Und schon erschallt – Hosianna! – das allgegenwärtige „Rudolf Steiner hat gesagt …“

    (…)“

    zum vollständigen Artikel: https://www.ruhrbarone.de/waldorfschule-schloss-hamborn-das-anthroposophische-zentrum-in-ostwestfalen/15711

    1. … was nicht nur meine Erfahrung ist, sondern durch den ehemaligen Waldorflehrer Nicholas Williams als „Steiner-Hörigkeit“ bestätigt wird (letzter zitierter Absatz):

      „100 Jahre Waldorfschule

      „Waldorf hat den Charakter einer Sekte“

      Süddeutsche Zeitung, 7. September 2019

      (…)

      Nicholas Williams, Jahrgang 1981, kennt die Binnensicht gut. Er war Waldorflehrer in Baden-Württemberg – und hat der Schule inzwischen den Rücken gekehrt. Ein Protokoll.

      (…)

      Was ich da zuletzt erlebt habe, hat mich verstört: Es geht in den Waldorfschulen viel esoterischer zu, als ich mir das früher je gedacht hätte. Waldorf hat den Charakter einer Sekte, und mittlerweile bin ich überzeugt: Waldorf richtet Tag für Tag Schaden an. An fast jeder Schule findet sich ein harter Kern an Leuten, die Rudolf Steiner wie einen Religionsgründer behandeln.

      (…)

      Befremdlich war für mich nur, dass eine Debatte unter den Lehrkräften damit beendet wurde, dass jemand Rudolf Steiner zitierte. Es ging um irgendeine allgemeine gesellschaftliche Frage, gar nicht mal um die Schule. Aber Steiner hielt sich ja für einen Gelehrten auf allen Gebieten. Damals habe ich noch nicht geglaubt, wie waldorftypisch diese Steiner-Hörigkeit ist.

      (…)“

      zum vollständigen Artikel der Süddeutschen Zeitung: https://www.sueddeutsche.de/bildung/100-jahre-waldorfschule-erfahrung-kritik-1.4588339

  4. @ alle

    ich brauche Eure Einschätzung:

    die „Süddeutsche Zeitung“ hat den Erfahrungsbericht des ehemaligen Waldorflehrers Nicholas Williams veröffentlicht, den ich oben 2x zitiert habe.

    Ich würde sagen, Nicholas Williams ist das, was man einen „Whistleblower“ nennt: ein Insider, der „auspackt“ …

    Heute wurden dann 2 Leserbriefe in der SZ veröffentlicht, die ich als diffamierend betrachte – ich zitiere hier nur die Überschriften der Leserbriefe, ich möchte den Inhalt nicht weiterverbreiten:

    https://www.sueddeutsche.de/kolumne/100-jahre-waldorfschulen-wie-viel-reform-ist-noetig-1.4603246

    „Für eine weltoffene Sichtweise“

    „Klischeehaftes Protokoll“

    …………………………………………………………..

    – wie lest Ihr die beiden Lesebriefe?

    – und wie schätzt Ihr es ein, dass die Süddeutsche so etwas veröffentlicht?

  5. Diffamierend?

    Ich lese es als das übliche Waldorf-Steiner-Zeug.

    Jede/r hat wahrscheinlich in seinem Bekanntenkreis Waldorf-Anhänger, und die werden bei Kritik oder auch Erfahrungsberichten ganz ähnlich argumentieren wie die LeserbriefschreiberInnen.

    1. … für mich ist beispielsweise folgendes „diffamierend“:

      “Für eine weltoffene Sichtweise

      Das persönliche Stabat Mater von Herrn ‘…’ auf SZ.de zu ‘…’ zeigt große Brüche auf, innerhalb der eigenen Schulausbildung wie auch im Kontext der Lehre an Waldorfschulen und staatlichen Schulen, und ist stark persönlich gefärbt.“

      „Das persönliche Stabat Mater von Herrn …“

      ist nicht nur beleidigend, diffamierend, sondern da schwingt auch noch der ganze Dünkel des „Bildungsbürgers“ mit, und siehe da:

      „Prof. Anja Stöffler, Mainz und Jürgen Walter, Hofheim“

      die Frau Professorin … boah!

      „… zeigt große Brüche auf …“ soll suggerieren: da ist jemand gescheitert, und äussert nur deswegen Kritik

      “Klischeehaftes Protokoll

      Es ist bemerkenswert, mit welcher Hybris und mit welchem Drang zur Selbstentblößung ein „ehemaliger Waldorflehrer“ auf SZ.de in die Öffentlichkeit tritt, um der Nation sein Scheitern als eine allgemeingültige Aussage zu Waldorfschule und Waldorfpädagogik zu verkaufen …“

      „Drang zur Selbstentblößung“ ist diffamierend, rückt das Gegenüber in die „Psycho-Ecke“

      „sein Scheitern“ habe ich schon oben erläutert

      Zugabe: der erste Leserbrief, der nicht diffamierend ist, sondern Propaganda für die Waldorfschulen und Rudolf Steiner, kommt von einem alten Bekannten:

      https://www.schiebener.net/wordpress/hartmut-traub-alanus-hochschule-und-rudolf-steiner-jeder-mensch-ein-wissenschaftler/

      Hartmut Traub ist als Philosoph eine NULL, und deshalb jetzt Professor an der anthroposophischen Alanus Hochschule: es reicht, Steiner zu verkaufen.

      Alanus-Hochschule: die Steiner-Drücker-Kolonne

      1. P.S.: ich habe gestern die Ressortleiterin „Bildung-Karriere“ der Süddeutschen Zeitung gefragt: „Warum wird so etwas veröffentlicht?“ (die Leserbriefe)

        Nebenbei habe ich bestätigt bekommen, was ich vermutete:

        Bei der Süddeutschen Zeitung brennt nach dem Artikel „Waldorf hat den Charakter einer Sekte“ die Redaktion …

        Den Artikel kann man gar nicht hoch genug einschätzen, vielleicht berichten jetzt auch noch andere von ihren Erfahrungen bei der Sekte – der Sekte, für die Caren Miosga in den ARD-Tagesthemen wirbt … ganz hartes Schwarz-Weiß:

        „Film noir“ …

  6. @Andreas Lichte

    Stabat Mater, siehe

    „Das Stabat mater (nach dem Gedichtanfang Stabat mater dolorosa, lat. für ‚Es stand die Mutter schmerzerfüllt‘) ist ein mittelalterliches Gedicht, das die Mutter Jesu in ihrem Schmerz um den gekreuzigten Jesus als zentralen Inhalt hat.“

    Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Stabat_mater

    Passt doch, dass die Professorin in ihrem Schmerz um den Esoteriker und Rassisten Steiner schmerzerfüllt (sorry für die Wiederholung des Ausdrucks) einen Leserinnenbrief an die SZ schreibt.

    Diese überheblichen Bildungsbürger:innnen wissen oft gar nicht, was sie mit ihren lateinisch verkleideten Duftmarken wirklich sagen: Wir sind dumm, dümmer als unser Titel, aber wir grenzen uns ab, und das macht ja auch Waldorf aus.

    Steiner ist kein INRI, sondern …. (bitte ergänzen)

    1. tweet von Markus Maximilian Pohl über seinen „Kontraste“-Beitrag:

      https://twitter.com/PohlMaxl/status/1178767645841281026

      „Markus Maximilian Pohl @PohlMaxl

      Dieser Film hat mir viel wütende Post eingebracht. Bleibe aber dabei: Wer das okkulte und anti-aufklärerische Erbe der Waldorf-Pädagogik nicht wahrhaben will, macht sich etwas vor. #Waldorfschule #ARDKontraste

      Siegeszug einer fragwürdigen Ideologie | Kontraste
      Die Wiege der Menschheit liegt in Atlantis. Ein Kind ist eine wiedergeborene Seele und hat ein schicksalhaftes Karma. Mit sieben Jahren wird der Ätherleib geboren …
      https://www.daserste.de/information/politik-weltgeschehen/kontraste/videosextern/siegeszug-einer-fragwuerdigen-ideologie-104.html

      13:24 – 30. Sept. 2019″

  7. Die Waldorfianer haben ihre Bibel neu editiert …:

    „Der erste Lehrerkurs Rudolf Steiners als Studienausgabe

    Von Tomaš Zdrážil, November 2019

    (…)

    Bei der Allgemeinen Menschenkunde (die Rudolf Steiner selbst jedoch als Allgemeine Pädagogik tituliert hat) bestätigte die editorische Arbeit weitgehend die Verlässlichkeit des bisherigen Textes. Schließlich wurden bereits 1919 während des Lehrerkurses jeden Morgen durch Rudolf Steiner selbst die vervielfältigten Typoskripte dieser »Morgenvorträge« zum Studium an die Teilnehmer verteilt.

    (…)“

    zum vollständigen Artikel der „Erziehungskunst“, anthroposophische Hauspostille des „Bundes der Freien Waldorfschulen“: https://www.erziehungskunst.de/artikel/sachbuch/der-erste-lehrerkurs-rudolf-steiners-als-studienausgabe/

    1. … ich empfehle jedem, der überlegt, sein Kind in eine Waldorfschule zu schicken, einen Blick in Rudolf Steiners „Allgemeine Menschenkunde“ …

      ich prophezeie, das Staunen wird riesig sein:

      „DAS soll die Grundlage der Waldorfpädagogik sein?!? Was hat DAS mit ‘Pädagogik’ zu tun?!?“

  8. „Rudolf Steiner hat gesagt …“, aber dazu, was Rudolf Steiner über menschliche „Rassen“ gesagt hat, schweigt man besser, wie der Sprecher der Waldorfschulen …

    „Rudolf Steiners Rassismus und die ‘Stuttgarter Erklärung’

    Wenn irgendwo über Rudolf Steiners Rassismus gesprochen wird, ist es nur eine Frage der Zeit, bis der erste Anthroposoph zur Verteidigung Steiners die „Stuttgarter Erklärung“ präsentiert. Der „erste Anthroposoph“ ist dann auch schon mal der Sprecher und Vorstand des „Bundes der Freien Waldorfschulen“, Henning Kullak-Ublick.

    Entgegen Kullak-Ublicks Darstellung in seinem Kommentar bei „Allgäu-rechtsaussen“ vom 13. Juni 2020 ist die „Stuttgarter Erklärung“ nicht das Ergebnis einer freiwilligen anthroposophischen Initiative, sondern eine erzwungene Reaktion auf die massive mediale Auseinandersetzung (TV, SPIEGEL, und viele andere) mit Rudolf Steiners Rassismus im Jahre 2007. Das große öffentliche Interesse war Folge des Indizierungsverfahrens der „Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien“ (BPjM) gegen 2 Bücher Rudolf Steiners. Am 6. September 2007 entschied die BPjM, dass Steiners Bücher rassistischen Inhalt haben, „in Teilen als zum Rassenhass anreizend bzw. als Rassen diskriminierend anzusehen“ sind.

    Die nach der Entscheidung der BPjM auf einer eigens einberufenen Pressekonferenz des „Bundes der Freien Waldorfschulen“ in Berlin vorgestellte „Stuttgarter Erklärung“ versucht, von aussen kommende Kritik an Rudolf Steiner Rassismus abzuwehren, und zugleich waldorfintern irritierte Eltern zu beruhigen. Ziel ist die Wiederherstellung des alten „Wir sind die Guten!“-Bildes der Waldorfschule.

    Einen lebendigen Eindruck vom aktuellen Stand der fortdauernden Auseinandersetzung vermittelt Dorothea Brummerlohs Beitrag „Steiners religiöser Kosmos – Woran glauben Anthroposophen?“ vom 3. April 2020 im Hessischen Rundfunk (hr). Die Seite der Kritik vertritt Prof. Helmut Zander, Anthroposophie-Experte und Autor des Standardwerkes „Anthroposophie in Deutschland“1, Steiners Verteidigung übernimmt der in der Ausbildung von Waldorflehrern tätige Anthroposoph Christoph Hueck. Transkription des im Internet abrufbaren Podcasts, ab 19:04 Minuten:

    Sprecherin hr: “Immer wieder in der Kritik sind Rudolf Steiners rassistische, antisemitische Aussagen (…)“

    weiter bei „Humanistischer Pressedienst“: https://hpd.de/artikel/rudolf-steiners-rassismus-und-stuttgarter-erklaerung-18182

    1. Henning Kullak-Ublick, Sprecher des „Bundes der Freien Waldorfschulen“, hat zu Rudolf Steiners Rassismus geschwiegen und – wie erwartet – nicht auf den an ihn gerichteten „Offenen Brief“ geantwortet:

      „Offener Brief an Henning Kullak-Ublick, Sprecher und Vorstand des ‘Bundes der Freien Waldorfschulen’.

      Berlin, 10. Juli 2020

      Sehr geehrter Herr Kullak-Ublick,

      ich bitte um Ihre Stellungnahme zur „Stuttgarter Erklärung“ des „Bundes der Freien Waldorfschulen“, zum Artikel des Humanistischen Pressedienstes: „Rudolf Steiners Rassismus und die ‚Stuttgarter Erklärung‘“.

      Meine Frage an Sie: Wieso spricht der „Bund der Freien Waldorfschulen“ in der „Stuttgarter Erklärung“ noch im Jahre 2020 von „vereinzelten Formulierungen“ Rudolf Steiners, die diskriminierend „wirken“?

      Unabhängige Anthroposophie-Experten wie Prof. Helmut Zander, Prof. Peter Staudenmaier und andere haben schon vor Jahren nachgewiesen, dass Rudolf Steiners Rassismus durch seine anthroposophische „Evolutionslehre“ – Steiners „Menschheitsentwickelung“ – verursacht ist. Steiners „Menschheitsentwickelung“ ist zentraler Bestandteil der Anthroposophie, ihr Beweggrund und Ziel. Steiners Rassismus ist also wesenhafter Bestandteil der Anthroposophie.

      Rudolf Steiner weist menschlichen „Rassen“1 unterschiedliche Wertigkeit zu. Nur die „Weiße Rasse“ ist laut Steiner zur Höherentwicklung fähig, andere „Rassen“ sind dem Untergang geweiht, Zitat Steiner:

      „Der Neger hat also ein starkes Triebleben. Und weil er eigentlich das Sonnige, Licht und Wärme, da an der Körperoberfläche in seiner Haut hat, geht sein ganzer Stoffwechsel so vor sich, wie wenn in seinem Innern von der Sonne selber gekocht würde. Daher kommt sein Triebleben. (…) Und so ist es wirklich ganz interessant: Auf der einen Seite hat man die schwarze Rasse, die am meisten irdisch ist. Wenn sie nach Westen geht, stirbt sie aus. Man hat die gelbe Rasse, die mitten zwischen Erde und Weltenall ist. Wenn sie nach Osten geht, wird sie braun, gliedert sich zu viel dem Weltenall an, stirbt aus. Die weiße Rasse ist die zukünftige, ist die am Geiste schaffende Rasse. (…) Und so werden in der Zukunft gerade aus den Rasseeigentümlichkeiten solche Dinge hervorgehen, die man kennen muss, damit man sich richtig hineinstellt ins Leben.“ (Rudolf Steiner, „Vom Leben des Menschen und der Erde. Über das Wesen des Christentums“, GA 349)

      Dazu sagt Prof. Helmut Zander: „Diese Aussagen, die Steiner 1923, zwei Jahre vor seinem Tod, von sich gab, sind kein Betriebsunfall in seinem Denken, sondern eher ein zusammenfassender Schlussstrich unter Überzeugungen, die Wurzeln in seiner Kindheit haben und die er seit seiner theosophischen Zeit evolutionstheoretisch aufgeladen und immer wieder geäußert hatte. ‚Degenerierte Indianer‘ und ‚passive Negerseelen‘ gehörten schon 1909 zu seinem weltanschaulichen Inventar, dazu kommen vergleichbare Vorstellungen zum Judentum (…)“ (Helmut Zander: „Die Anthroposophie – Rudolf Steiners Ideen zwischen Esoterik, Weleda, Demeter und Waldorfpädagogik“, Ferdinand Schöningh, 2019, Seite 196)

      Mit freundlichen Grüssen

      Andreas Lichte“

      veröffentlicht bei „Humanistischer Pressedienst“: https://hpd.de/artikel/anthroposophie-und-rassismus-18249

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