„In Südwestfalen zählt der Mensch!“ Doch wo bleiben die Frauen? Ein kritischer Leserbrief.

Karin Schröder aus Sundern (foto: spd)
Karin Schröder: Region Südwestfalen ist wie Hintertupfingen (foto: schröder)

Arnsberg. „In Südwestfalen zählt der Mensch!“,  heißt es beim neu gegründeten Verein Wirtschaft für Südwestfalen auf der Website der IHK Arnsberg.

Mit einem Bündel an Kernbotschaften wolle Südwestfalen künftig regionsintern und bundesweit um Fachkräfte für die Wirtschaft werben. Der Verein „Wirtschaft für Südwestfalen“ diskutierte diese am 11.05.2011 mit Unternehmern und Politikern und gab den Startschuss für einen Ideenwettbewerb.

Ein kritischer Leserbrief
Karin Schröder, SPD-Politikerin aus Sundern*, hat die Berichterstattung über den neuen Verein zum Anlass genommen,  sich kritisch  mit der Stellung der Frau in der (Wirtschafts-)Region Südwestfalen auseinander zu setzen (Zwischenüberschriften Redaktion):

Fachkräfte für die Region – ein löbliches Ziel
Vom Grundsatz her sehr löblich ist das Ziel des neu gegründeten Vereins „Wirtschaft für Südwestfalen“ mit einer gezielten Kampagne Fachkräfte in der Region zu halten und neue zu gewinnen. Es ergänzt beispielsweise die Aktivitäten von „Sauerland Initiativ“, die verdeutlichen, dass das Sauerland nicht das sprichwörtliche Hintertupfingen ist. Oder ist es das etwa doch?

Südwestfalen – für Frauen Hintertupfingen
Man(n) kann es bedauern und die richtigen Schlüsse ziehen oder weitermachen wie bisher: wahr ist, dass die gesamte Region Südwestfalen Hintertupfingen ist – und zwar für den weiblichen Teil der Bevölkerung, insbesondere für diejenigen, die erwerbstätig sein wollen. Das gilt jedoch nicht nur für Frauen ohne erlernten Beruf, sondern es betrifft auch hochqualifizierte Frauen. Statistiken der Arbeitsagenturen belegen das.

Gender-Index zeigt die Chancenungleichheit in der Region
Eine deutliche Sprache spricht auch der so genannte Gender-Index , welcher vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) in Kooperation mit der Hans Böckler Stiftung seit 2006 erhoben wird – und zwar regionsweise im gesamten Bundesgebiet. Der Gender-Index misst die Chancengleichheit bzw. Chancenungleichheit von Frauen und Männern in den Regionen.

Die Bewertungskriterien
Insgesamt 19 Faktoren in den Bereichen Ausbildung, Erwerbsleben und Partizipation werden zur Bewertung herangezogen. Mit 14 Faktoren liegt der Schwerpunkt auf dem Erwerbsleben, u.a. die Arbeitslosenquote, Anzahl der Minijobs, die Höhe der Arbeitseinkommen und die Anzahl der Arbeitsplätze für hochqualifizierte Frauen.

Südwestfalen nicht mit Ruhm bekleckert
Das Ranking im Gender- Index ergibt, dass sich die gesamte Region Südwestfalen nicht mit Ruhm bekleckert, im Gegenteil: alle fünf Landkreise müssen sich mit den hinteren Plätzen zufrieden geben.

Schlusslicht Hochsauerlandkreis
Von insgesamt 413 Rängen schneidet der Kreis Soest mit Rang 326 noch am besten ab, danach folgt der Märkische Kreis auf Rang 334 noch vor dem Kreis Siegen-Wittgenstein auf Rang 392 und dem Kreis Olpe auf Rang 410. Der Hochsauerlandkreis bildet mit Rang 413 das Schlusslicht, auch in der Gesamtbewertung.

Tradierte Familienbilder gehören auf den Prüfstand
Ist die Region Südwestfalen, ist die Politik, sind die Unternehmen damit zufrieden? Ich hoffe nicht. Es ist überfällig, hier und heute darauf zu reagieren, dass große Potenziale brachliegen. Im eigenen Interesse sollten diese Schätze schleunigst gehoben werden. In diesem Zusammenhang gehören tradierte Familienbilder des Vaters als Alleinverdiener und der Mutter allenfalls als Hinzuverdienerin auf den Prüfstand genauso wie starre Arbeitszeiten u.v.m.

Unternehmen müssen Chancen erkennen
„Wir wollen, dass es geht.“ Dieser Satz gehörte – mit Blick auf die Beschäftigten als tragende Säule – ins Leitbild eines jeden Unternehmens. Das gilt besonders für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Ich bleibe dabei, die konzertierte Aktion „Imageverbesserung und Fachkräfteakquise“ ist vom Grundsatz her löblich. Jetzt kommt es darauf an, ob im doppelten Wortsinn „nahe liegende“ Chancen erkannt und ergriffen werden.

Karin Schröder, Sundern

Zur Person: Seit 2001 für die SPD sachkundige Bürgerin in diversen Ausschüssen der Stadt Sundern (Umwelt- und Planung; Familie, Arbeit und Soziales; derzeit im Ausschuss Schule, Sport und Kultur)
Seit 2005 aktiv im Lokalen Bündnis für Familien in Sundern u.a. im Lenkungsausschuss; derzeit zusätzlich in einer Arbeitsgruppe „Unternehmensansprache“ zusammen mit der HWK, der IHK sowie der städtischen Wirtschaftsförderung
Mehrjährige Mitarbeit als Bürgervertreterin im Begleitausschuss des Hochsauerlandkreises als Beschlussgremium für von der EU geförderte Projekte „Lokales Kapital für soziale Zwecke“, kurz LOS (heute „Stärken vor Ort“)

Derzeit ehrenamtliche Unterstützung des Schmallenberger Vereines „ensible e.V.“ mit dem Ziel, das jährliche südwestfalenweite „Festival der Kulturen“ finanziell zu stabilisieren
Derzeit Mitwirkung (privat, nicht als SPD und ohne Institutionshintergrund) an der inhaltlichen Ausgestaltung eines Projektes im Rahmen der Regionale 2013 in der Arbeitsgruppe Netzwerk W

8 Gedanken zu „„In Südwestfalen zählt der Mensch!“ Doch wo bleiben die Frauen? Ein kritischer Leserbrief.“

  1. Im 21. Jahrhundert gilt die aus dem Mittelalter überlieferte Aussage “Stadtluft macht frei”. Zumindest wenn es um Chancen und Partizipationsmöglichkeiten von Frauen geht.

    Das Hochsauerland ist unerträglich rückständig, was sicher auch mit dem starken Einfluss der katholischen Kirche zusammen hängt. Die wichtigsten Gremien, Funktionen in Politik, Gemeinde, Vereinen, weiterführenden Schulen und natürlich in der Kirche werden überwiegend von Männern besetzt. Übrigens in den allermeisten Fällen von katholischen Männern.

    Die Männer haben ihre Netzwerke (Stammtische genannt), sie kennen sich meist aus Kindergartenzeiten. Da unterstützt man sich gern gegenseitig beim Aufstieg.
    Für berufstätige, ambitionierte Frauen gibt es Vergleichbares nicht. Deren Stammtische beschäftigen sich gern mit den klassischen drei „K“S: Kinder, Kirche und Küche.

    Das Hochsauerland ist wie eine Zeitreise in die Vergangenheit.

    Viele Frauen mit beruflichen Ambitionen verlassen für Ausbildung und Studium die bergige Region und kehren später nur noch zu kurzen Besuchen zurück. Denn hier gibt es für sie kaum Möglichkeiten, am politischen oder beruflichen Leben teilzunehmen.

  2. Und das Dilamma spiegelt sich im wichtigsten politischen Gremium des HSK wieder. (Den kleinen Bericht hatte ich im Dezember 2009 geschrieben. Zwischenzeitlich hat sich nur bzgl. der Fraktion Die Linke eine Änderung ergeben. Sie hat seit einigen Monaten keinen Fraktionsstatus mehr. Folglich gibt es nun keine weibliche Fraktionsvorsitzende mehr im HSK-Kreistag.)

    Frauen, eine wahre Rarität …

    … im Kreistag des Hochsauerlandkreises.

    Zur 28köpfigen CDU-Fraktion zählen gerade mal sage und schreibe DREI Frauen. Damit ist nicht einmal jedes neunte CDU-Fraktionsmitglied weiblich.

    So gesehen könnte man sagen, die Frauenquote bei der größten Kreistagsfraktion ist noch schlechter als bei den Kollegen von der FDP. Da kommt auf „nur“ fünf Mitglieder KEINE Frau, sprich die FDP ist im Kreistag ausschließlich durch Männer vertreten. Aber theoretisch hätte ja der sechste Platz an eine Frau gehen können? Oder?

    Etwas günstiger sieht es bzgl. der Frauenpower bei den Genossen der SPD aus. 9 Männer und 5 Frauen zählt die Fraktion. Und Frau Sengen ist stellvertretende Fraktionsvorsitzende. Das lässt hoffen….

    Spitzenreiter in Sachen „Frauen an die Macht“ sind, na klar, B´90/Die Grünen. Gemäß der den Grünen quasi in Fleisch und Blut übergangenen Frauenquote steht es in der Kreistagsfraktion 2 zu 2! Gelebte Gleichberechtigung! Nur, der Fraktionsvorsitz ging erst mal an einen Mann.

    Die einzige Fraktionsvorsitzende im HSK-Kreistag stellt die Fraktion Die Linke. Beate Raberg steht damit sozusagen einer Zwei-Personen-Fraktion vor. In dem Punkte ist die kleinste Fraktion also Spitze.

    Leider müssen wir ja nun zugeben, dass die Sauerländer Bürgerliste mit ihrem einsamen Vertreter Reinhard Loos auch nicht zur Steigerung des Frauenanteils im Kreistag beiträgt. Aber das kann sich ja bei der nächsten Kreistagswahl ändern, und bei mehr als einem Sitz könnten beide Geschlechter berücksichtigt werden…

    Zählen wir mal zusammen:
    CDU – 25 Herren plus 3 Damen
    SPD – 9 Herren plus 5 Damen
    FDP – 5 Herren
    Grüne – 2 Herren plus 2 Damen
    Linke – 1 Herr plus 1 Dame
    SBL – 1 Herr
    Summe – 43 Herren plus 11 Damen

  3. Ich möchte auf ein kleines Detail hinweisen, welches erst einmal nichts mit der Frauenfrage zu tun hat:

    Zitat „Bei uns kann man sich aufeinander verlassen, da zählt noch der Handschlag“, ergänzt sein Vorstandskollege Meinolf Niemand, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Südwestfalen. Zitat Ende

    Hoffentlich geht die Botschaft nicht nach hinten los. Ein paar Negativ-Beispiele hätte ich schon zu bieten. Im Nachhinein denkt mensch sich: „Hätte ich mir das doch mal schriftlich geben lassen. Jetzt habe ich trotz Handschlags nichts in der Hand.“

  4. Nicht nur die Frauen sind im HSK unterrepräsentiert in Ämtern und auf Pöstchen bei denen es mehr oder weniger zu sagen gibt. Auch Migrantinnen und Migranten sind nicht immer und überall erwünscht.
    (Vermutlich sieht es in der sogenannten Freien Wirtschaft auch nicht besser aus!?)
    Als Beispiel für die \Behörden-Kultur\, mal wieder ein Griff in die Mottenkiste der SBL (Januar 2010):

    Kreisjugendhilfeausschuss möchte keinen Vertreter der islamischen Gemeinden

    Katholische und evangelische Kirche können weiterhin Vertreter in den Kreisjugendhilfeausschuss entsenden, die islamischen Gemeinden jedoch nicht. Bereits im September hatte der Kreistag über den Antrag der SBL debattiert, dass auch die drittgrößte Glaubensgemeinschaft einen Vertreter (ohne Stimmrecht) in den Jugendhilfeausschuss entsenden kann. Damals hatte der Kreistag entschieden, dass sich der Kreisjugendhilfeausschuss mit diesem Antrag befassen soll, und ihn an den Ausschuss überwiesen. Im Kreistag waren außerdem Zweifel geäußert worden, ob sich die islamischen Gemeinden überhaupt auf einen gemeinsamen Vertreter einigen könnten …

    Wer weiter lesen möchte:

    http://sbl-fraktion.de/jugendpolitik/kreisjugendhilfeausschuss-mochte-keinen-vertreter-der-islamischen-gemeinden.html

    Da zeigt es sich also auch wieder: Deutsche Männer lieben keine Experimente! Man(n) verläßt sich lieber darauf, wie es immer war!?

  5. Meine Meinung zur Repräsentation von Religionsgemeinschaften in staatlichen Organisationen: Mir wäre es am liebsten, wenn Religionsgemeinschaften ihre Religion ausübten, aber mich dabei nicht behelligten und keinerlei institutionellen Einfluss auf öffentliche, staatliche Einrichtungen ausübten.

    Ich möchte auch nicht, dass mich die Vegetarier, Carnivoren oder die Vertreter der Kirche des Fliegenden Spagetti-Monsters behelligten. An was jemand privat glaubt, ist seine/ihre Sache, von mir aus auch an das Fliegende Spagetti-Monster.

    Das Problem ist nun, dass sich die christlichen Kirchen wegen der unvollständigen Säkularisierung in die staatlichen Institutionen verbissen haben, die im übrigen leichter und besser ohne die „Hilfe“ der Kirchen funktionieren würden.

    Wenn man diesen Zustand akzeptiert, muss man natürlich auch fordern, dass der Islam und eventuell später andere Religionsgemeinschaften das gleiche Recht haben – muss man eventuell – als Realpolitiker(in). Ich persönlich plädiere (unrealistisch?) für einen säkularen Staat.

  6. Meiner Wunschvorstellung käme es auch näher, wenn Kirchen und religiöse Gemeinschaften deutlich weniger Einfluß hätten. Doch als Realistin gehe ich davon, dass den christlichen Kirchen ihre Rechte in absehbarer Zeit von Staats wegen nicht beschnitten werden. Dabei stellt sich die Frage, welche rechtlichen Grundlagen gibt es, anderen Religionsgemeinschaften die Rechte der katholischen und evangelischen Kirche vorzuenthalten?

    Im übrigen ging es der SBL nicht in erster Linie darum, Repräsentaten weiterer religiöser Institutionen in Ausschüsse zu hieven. Es war eher ein Versuch, eine Gruppe von Migranten ein klein wenig in Parlamentsarbeit einzubinden, zumal es in fast allen Sauerländer Kommunen keinen Integrationsbeirat gibt.

  7. @Gabi: „Dabei stellt sich die Frage, welche rechtlichen Grundlagen gibt es, anderen Religionsgemeinschaften die Rechte der katholischen und evangelischen Kirche vorzuenthalten?“ Gefühlt: keine, aber siehe Art. 7 Abs. 1 der Verfassung für das Land NRW sowie Art. 14. 🙁 Auswandern?

    Was die Einbindung angeht, stimme ich zu. Funktioniert aber anscheinend nicht.

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