Ciudad Mexico: Eine kleine Rückschau auf die Osterzeit, Juanito, ein Sprachkurs und die Puderdose als Teil der osmanischen Kultur.

 

Kennt man aus jedem Reiseführer: der Zocalo, der Hauptplatz von Mexiko-Stadt. Dort haben die Spanier einfach mal ne Kirche auf die zerstörten Azteken-Tempel gesetzt. (foto: koerdt)

Dieser Artikel ist Teil einer persönlichen Serie über das Leben in Mexico-City. Er beinhaltet heute eine kleine Rückschau auf die Osterzeit, ist aber irgendwie auch zeitlos, denn ehe ihr euch verseht, ist die dunkle Jahreszeit vorbei und Ostern steht wieder vor der Tür. Außerdem pflegen die Beiträge eine gewisse Chronologie, die nicht durchbrochen werden soll. Die beiden ersten Teile der Serie sind hier und hier zu finden.

Hola a todos,

einige haben mich gefragt, wie denn die Osterzeit in Mexiko sei, in diesem hochkatholisches Land. Was soll ich sagen? Ich habe keine Ahnung, hier in meinem Viertel läuft das normale Leben und es finden keine Prozessionen statt. Die gibt es in den Stadtbezirken etwas weiter außerhalb; und eigentlich wollte ich vorgestern auch nach Iztapalapa fahren. Das liegt im Südosten der Stadt und ist bei weitem nicht mehr so kuschelig wie meine „colonia“.

Kermit der Frosch und die ‚barrio‘ sesamo
Ich habe jetzt erfahren, dass die Stadtviertel hier gar nicht ‚barrios‘ heißen, sondern ‚colonias‘, deswegen heißt auch die mexikanische Sesamstraße nicht ‚barrio sesamo‘ wie in Spanien sondern ‚plaza sesama‘; Kermit, der Frosch heißt übrigens René, was wohl eine Anspielung auf rana (Frosch) sein soll, aber ich schweife ab…

Welch‘ ein Mann: Juanito und die Politik
Also, Iztapalapa, dort bin ich nicht hingefahren, weil es mir vorgestern wegen einer dusseligen Erkältung mehr als bescheiden ging. Jedenfalls sollte dort die größte Prozession in dieser Stadt stattfinden. Eigentlich frage ich mich schon, warum ich mir diese katholische Inszenierung anschauen wollte, denn schließlich würde ich das in Deutschland auch nicht tun. Vielleicht weil ich gehofft habe, dort auf Juanito zu stoßen.

Juanito, mit bürgerlichem Namen Rafael Acosta Ángeles, ist seit letztem Jahr dortiger Bezirksbürgermeister. Ich glaube, er hat einen unglaublichen Unterhaltungswert. Früher war er Pornodarsteller und Eisdielenbetreiber. Passenderweise ist er Mitglied der Arbeiterpartei. Diese hätte aber bei den Wahlen nicht die geringste Chance gehabt, da eigentlich die Partei der demokratischen Revolution (PRD) dort die Nase traditionell vorne hat.

Durch ein -ich nenne es mal- unglückliches, vielleicht auch dusseliges Ränkespiel innerhalb der Partei, haben sie den Sieg verspielt: der PRD-Obere Andrés Manuel López Obrador konnte seine Wunschkandidatin nicht durchsetzen und machte Wahlkampf für die Arbeiterpartei und für Juanito (der übrigens López Obrador diesen Namen zu verdanken hat, weil der während einer Wahlveranstaltung seinen richtigen Namen vergessen hat und dann immer von diesem „Hänschen“ sprach), dem er vorher das Versprechen abgerungen hatte, im Falle eines Wahlsiegs sofort zurückzutreten und seiner Wunschkandidatin den Weg freizumachen.

Nach dem Wahlsieg bitte eine Frau
Doch Juanito dachte nach seinem Sieg gar nicht mehr daran. Im Gegenteil: er drehte nach seinem Wahlsieg erst einmal richtig auf und wurde zum absoluten Medienliebling, der auch schon einmal öffentlich-rechtlich verkündet, dass er eine Frau suche: Haarfarbe egal, aber bitte mit „dicken Titten“. Seine Vorbilder, die er in einem Atemzug nennt, sind Fidel Castro, Hugo Chavez und Rambo. Und falls ihr euch selbst einen Eindruck machen wollt, schaut einfach mal bei youtube nach „Juanito“ und „Iztapalapaâ“. Auch wenn ihr kein Wort Spanisch versteht, kriegt ihr schon ein bisserl von der politischen Kultur hier mit.

Zuerst erpresst die Mafia, dann kassiert die Polizei
Auch wenn es ein netter Gedanke wäre, hier im Viertel ein kleines, feines Bistro-Restaurant mit ökologisch-korrektem Essen (ich glaube, das käme bei der Klientel hier gut an) aufzuziehen, so sehr schrecken einen doch die Geschichten über die Korruption ab. Ich habe mal eine Deutsche getroffen, die sich jetzt mit einer deutschen Bäckerei in einem kleinen Ort südwestlich von Mexiko-Stadt selbständig machen wollte. Vorher sei sie in Pachuca gewesen; dort hat sie aufgegeben: zuerst erpressten zwei Mafia-Familien Schutzgeld, als dann auch noch die Polizei kassieren wollte, war es ihr schließlich doch zuviel.

Wie die Gelder zwischen den Parteien hier in Mexico fließen, weiß wahrscheinlich kein Außenstehender und Juanito wird wohl ausreichend von Herrn López Obrador erhalten haben, sonst müsste er auch nicht um sein Leben fürchten, wie er sich jetzt auch einmal im Fernsehen beklagte.

Mein kleiner Spanischkurs
Also, wie gesagt, sonderbar Katholisches kann ich euch nicht über Ostern berichten, dafür schreitet aber mein Spanischkurs an der Uni voran und damit auch die interkulturellen Missverständnisse: ich glaube, ich entwickele ein besonderes Faible für Belde aus Istanbul. Während zwei Frauen aus Brasilien eigentlich sprachlich den Unterricht bestreiten und bei dem Sprachtempo selbst die Lehrerin nicht mehr hinterher kommt zu beurteilen, ob das jetzt schiefes Spanisch sei und ich mich im Vergleich zu deren Temperament als absolute Spaßbremse und trübe, blasse Wurst aus Deutschland wahrnehme, bringt Belde von Zeit zu Zeit Kommentare, die selbst die Copacabana-Chicas verstummen lassen.

Pudern muss sein: eine Einweisung in die türkische Kultur und das großosmanische Welterbe
Mal ein kleiner Seitenhieb auf die Homo-Ehe (das ist ja widerlich), dann ein kleiner historischer Exkurs, der darauf hinauslief, dass doch eigentlich auch der Libanon zum großosmanischen Reich gehöre und somit Herr Slim (Mexikaner, reichster Mann der Welt und Sohn eines Libanesen) eigentlich auch ein halber Türke sei. Womit auch bewiesen sei, dass die Türken die besten Geschäftsleute seien. In einer der ersten Stunden fragte sie mich, ob ich denn Probleme mit den Türken in den Deutschland hätte (sie war darüber verwundert, dass ich Döner und Ayran kannte) und als ich das verneinte, schaute sie mich mit blitzenden Augen an und meinte nur: Ich schon. Die ruinieren völlig das Bild der Türkei in der Welt.

Ach ja, Belde sieht übrigens aus wie ein osmanisches Schneewittchen und tut wohl auch einiges dafür. Ab und an zückt sie das Puderdöschen während des Unterrichts. Ich erntete von ihr auch einmal einen sehr mitleidigen Blick, als ich im Unterricht meinen Tagesablauf schilderte und sie darauf nur meinte: Na, da bleibt ja auch nicht viel Zeit für die Kosmetik.

Damit ich euch noch Zeit lasse (natürlich nicht nur für die Kosmetik), schließe ich jetzt erst einmal …

Also, hasta luego!