So verschwindet öffentlicher Raum: Fußweg weg

Das war einmal ein öffentlicher Fußweg: Die rot gestrichelte Linie in der Mitte zwischen dem Ende des Gartenwegs und der Sorpestraße. (Bildausschnitt Openstreetmap vom 23.07 2022)

Als ich gestern Nachmittag einen meiner üblichen Spaziergänge durch den Ort machte, kam ich plötzlich am Ende des Gartenwegs nicht mehr weiter. Wo noch auf meinem letzten Spaziergang ein Fußweg hoch zur Sorpestraße gewesen war, sah ich nur noch Mauern und Privatgrundstücke. Keine Spur eines Weges.

Ich schaute ein wenig ungläubig links und rechts an der Stelle, an der ich immer hinauf gegangen war. Ja, der Weg sei nicht mehr da, die Anlieger hätten ihn von der Stadt gepachtet und in ihr Grundstück eingefügt, sagten mir ein paar Nachbarn.

Das ist erstaunlich, dachte ich bei mir, einfach so verschwunden „mein“ alter Weg. Wie verwandelt sich ein Stück Gemeingut in Privateigentum?

So einfach kann das ja auch nicht gehen, habe ich heute Morgen gedacht. Irgendwo muss der Vorgang Spuren in den städtischen Gremien hinterlassen haben.

Aus den Unterlagen der Stadt im Ratsinformationssystem konnte ich die Geschichte, zumindest ihr Skelett, rekonstruieren.

Ich erzähle sie freihand, damit es nicht zu bürokratisch klingt.

Im April letzten Jahres stellten die Grundstücksnachbarn den Antrag an die Stadt den Bebauungsplan für das Weggrundstück zu ändern, damit sie den an ihr Grundstück grenzenden Weg erwerben könnten. Dieser Fußweg würde ja nicht benötigt. Die anderen Straßennachbarn hätten nichts gegen das Vorhaben, was mit einer Unterschriftenliste belegt wurde.

Der Antrag durchlief dann die Gremien des Rates der Stadt Winterberg vom Bau- und Planungsausschuss bis zum Rat. Dieser stimmte am 24. Juni vergangenen Jahres dem Antrag zu, einstimmig und ohne Enthaltungen.

Als ich das letzte Mal den Weg genutzt habe, war die ganze Sache also schon lange gelaufen und ich wusste es nicht, sonst hätte ich mir schon früher ein paar Gedanken gemacht.

Auf der einen Seite gönne ich den Grundstücksbesitzer:innen den Weg als Eigentumszuwachs, auf der anderen Seite bedauere ich jedes Verschwinden von öffentlichem Raum.

Vielleicht war ich ja wirklich der einzige, der diesen Weg genutzt hat. Dann bin ich jetzt auch der einzige, der traurig ist.