Ein Armutszeugnis erster Güte für die rd. 200 Vertragsstaaten des UN-Übereinkommens über die Biologische Vielfalt
Ende Oktober trafen sich in Kolumbien die rd. 200 Vertragsstaaten des UN-Übereinkommens über die Biologische Vielfalt zu ihrer 16. Konferenz. Im Focus stand die Umsetzung eines „Global Biodiversity Framework“, das 2022 in China und Kanada verabschiedet wurde – mit neuen Zielen zum Naturschutz bis 2030.
(Siehe auch das Interview „Wir können unseren Wohlstand nur sichern, wenn wir unsere Biodiversität schützen“ hier im Blog: https://www.schiebener.net/wordpress/wir-koennen-unseren-wohlstand-nur-sichern-wenn-wir-unsere-biodiversitaet-schuetzen/)
Nun galt es sich auf Instrumente und Fahrpläne zu einigen, um diesen Zielen tatsächlich näher zu kommen. So wurden in Cali Beschlüsse gefasst, wie der Zustand der Natur überwacht und ihr Schutz finanziert werden soll. Auch diskutierten die Delegierten über den Einfluß der Klimakrise auf die biologische Vielfalt. U.a. begleitete der BUND die Konferenz von Berlin aus mit Lobby- und Pressearbeit.
Wie planen die Staaten die 23 Ziele der Vereinbarung auf nationaler Ebene zu erreichen? Deutschland machte bei diesem Punkt der Tagesordnung keine gute Figur, weil man selber keine Strategie vorzuweisen hat. Weil die FDP und konservative Kreise Widerstand leisteten, stand unser Land in Cali mit leeren Händen da, was den Schutz der heimischen Natur betrifft. Und das, wo wir so gerne mehr Naturschutz in Übersee anmahnen und unterstützen. Höchste Zeit, bei uns zu stoppen, was die Natur hier wie anderswo zerstört, siehe Lieferketten, Konsum, Rohstoffe… (Quelle: BUNDmagazin 4/24 – Autorin: Nicola Uhde) www.bund.net/naturschutzklage
Initiativen zur Einrichtung weiterer Nationalparke sind ins Stocken geraten und haben derzeit kaum Aussicht auf Realisierung, heißt es in der soeben erschienenen Naturschutzfachzeitschrift NATIONALPARK.
„In NRW sind die Bemühungen zur Einrichtung eines Nationalparks im Eggegebirge gescheitert – aufgrund des lokalen Widerstands von Waldbesitzern, die durch Lobbyarbeit erreichten, daß eine Bürgerbefragung zu Ungunsten eines Nationalparks ausfiel.“
Ungefähr zur selben Zeit wurde hier im Sauerland ein Volksbegehren zur Schaffung eines Nationalparks Arnsberger Wald initiiert, das aber nicht genügend Unterstützer fand, die aber notwendig gewesen wären, um einen Volksentscheid über das Naturschutzprojekt herbeizuführen. Auch in diesem Fall leisteten die Forst-, Holz- und Agrarlobby ganze Arbeit, um auch nur einen zweiten Nationalpark in NRW, der wegen seiner Biotopvielfalt und seines Arteninventars beste Voraussetzungen geboten hätte, zu verhindern.
Medien- und öffentlichkeitswirksam feierten diese, den C- und F-Parteien nahestehenden Lobbies ihren Sieg über die Verhinderung des Nationalparks. Die große Beharrlichkeit hätte sich ausgezahlt. Schäbig und widerwärtig, lautet mein Kommentar dazu.
Aber auch noch andere, einige Jahre zuvor von Umweltorganisationen für einen Nationalpark prädestinierte Landschaften, nämlich die Senne in Ostwestfalen oder neuerlich der Reichswald am Niederrhein, wurden besonders von Seiten konservativ-liberaler Politiker in Eintracht mit dem nutzungsorientierten Lobbyismus, darunter auch der Windenergiebranche, abgeschmettert.
„In Schleswig-Holstein hat die Idee zur Schaffung eines Ostsee-Nationalparks zurzeit keine Aussicht auf eine Mehrheit.
Im Nationalpark Sächsische Schweiz gibt es Proteste gegen Schließung und Rückbau einiger Wanderwege – eine der Voraussetzungen, um das 75-Prozent-Ziel zu erreichen – sowie sogar eine Petition, den Nationalpark ganz wieder abzuschaffen.
Und die Ost-Nationalparke insgesamt sehen sich zunehmend mit Personal- und Budgetkürzungen konfrontiert. Stellenabbau trifft die Nationalparkwacht besonders hart, da gerade hier aufgrund zunehmenden Besucherdrucks eine Stärkung nötig wäre. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Nationalparkwacht sind die Repräsentanten des Nationalparks vor Ort. Ihre persönliche Ansprache ist durch keine digitalen Medien zu ersetzen.
In Bayern, einst Vorreiter der Nationalparkidee in Deutschland, lehnen die Regierungsparteien CSU und Freie Wähler einen dritten Nationalpark vehement ab, schreiben die Autoren Dr. Hans-Dieter Knapp (war entscheidend am Aufbau des Nationalparkprogramms der DDR beteiligt) und Martin Rasper (Chefredakteur von Nationalpark – oekom-Verlag). Die bereits weit gediehene Planung eines Nationalparks im Steigerwald wurde aufgrund des Widerstands aus Politik, Verwaltung, Forstwirtschaft und einzelnen Kommunen auf Eis gelegt. Wie ideologisch der Widerstand ist, zeigt sich daran, daß auch der Alternativvorschlag für ein Biosphärenreservat – dessen Ziel es bekanntlich wäre, Naturschutz und behutsame Nutzung der Kulturlandschaft zu vereinen – fast ebenso vehement abgelehnt wird.
Die derzeit einzig positive Entwicklung ist die Erweiterung des Nationalparks Schwarzwald, die geplante Vereinigung der projektierten Gebiete zu einer zusammenhängenden Fläche. Diese wird von der Landesregierung und den Akteuren vor Ort mit viel Geduld und offenbar mit einer gewissen Aussicht auf Erfolg betrieben.
Nationalparke sind auf Dauer angelegt. Für sie gilt ein anderes Zeitmaß als Legislaturperioden. Sie dürfen nicht zum Spielball der Politik werden. Zwar ist das Potential für weitere Nationalparke in Deutschland begrenzt, aber eine Handvoll würde den Bestand ergänzen und abrunden. Angesichts des im internationalen Vergleich beschämenden Anteils an terrestrischer Nationalparkfläche Deutschlands sollten die Bundesländer verstärkt daran arbeiten, weitere Nationalparke auszuweisen, auch wenn dies in der aktuellen politischen Lage nicht einfach erscheint.“(Quelle: NATIONALPARK 4/24).
Die reichen Industrieländer, auch Deutschland, weisen bei jeder passenden Gelegenheit immer wieder auf die rasante Zerstörung der Tropenwald-Ökosysteme hin – und den damit verbundenen besorgniserregenden Schwund der Artenvielfalt. Doch gleichzeitig befürworten dieselben EU-Staaten alle im Raum stehenden Freihandelsabkommen, wie zuletzt jenes unter dem Namen Mercosur mit südamerikanischen Ländern. Durch dessen Inkrafttreten, – so ist zu befürchten -, würde sich aber die ohnehin im Gang befindliche Waldzerstörung nicht nur in Amazonien noch weiter beschleunigen.
Laut Pressmitteilung der Ökologisch-Demokratischen Partei (ÖDP) vom 4.11. 2024 endete die Weltnaturschutzkonferenz COP 16 in China mit leeren Händen, weil Delegierte ihre Rückflüge erreichen mußten. Ein Paradebeispiel für halbherziges Engagement im Naturschutz, so die Partei.
Die entscheidende Frage der Finanzierung blieb ungelöst. Zudem brach in einem symbolträchtigen Finale die Konferenz abrupt ab, weil etliche Delegierte wegen fehlender Mittel zur Umbuchung ihre Flüge pünktlich erreichen mußten. So war die Konferenz nicht mehr beschlussfähig – ein Armutszeugnis für den internationalen Naturschutz!
Dabei ist das Versagen um so schwerwiegender, da die Länder des globalen Südens längst substanzielle Zusagen für den Schutz ihrer Naturgebiete fordern – von den Nationen, die über Jahrzehnte von der Ausbeutung der Ressourcen profitiert haben. Ein globaler Fonds für Naturschutz und Biodiversität stand im Raum. Doch erneut scheiterte die Staatengemeinschaft daran diesen entscheidend zu finanzieren. Der Schutz von Natur und Biodiversität wird erneut vertagt. Da die Weltgemeinschaft offenbar unfähig ist sich auf verbindliche Finanzierungen zu einigen, bleibt nur die Hoffnung, so die ÖDP, daß der Handlungsdruck bis 2030 so groß wird, daß man sich dann im letzten Moment auf ein echtes Engagement einlässt. Die Naturschutzpartei kritisiert, daß die wenigen Finanzzusagen an den globalen Süden bislang fast ausschließlich in Form von Krediten gewährt werden. Damit treibt man diese Staaten, die ohnehin häufig am Limit sind, nur weiter in die Abhängigkeit. Kredite sind keine Lösung. Echte Unterstützung erfordert direkte Investitionen, keine neuen Schulden. Andernfalls wird jeder Plan für den Klima- und Naturschutz von vornherein untergraben.
Es gab also keine konkreten Fortschritte im Natur- und Biodiversitätsschutz. 2 Wochen intensive, aber weitgehend ergebnislose Diskussionen.
Ein kleiner Lichtblick: Die Delegierten konnten sich immerhin darauf einigen, die Rolle indigener Völker in künftigen Verhandlungen zu stärken. Denn indigene Gemeinschaften sind die wahren Hüter ihrer Lebensräume und können wichtige Impulse für den Schutz der Natur geben. Dies könnte lt. ÖDP ein erster Schritt sein, um das Verständnis der Staatengemeinschaft für die Rechte der Natur zu vertiefen.
Hintergrundinformation:
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Die ÖDP wurde im März 1982 vom ehemaligen CDU-Bundestagsabgeordneten und späterem Mitbegründeter der Grünen, Dr. Herbert Gruhl, ins Leben gerufen. 1975 erschien sein Bestseller „Ein Planet wird geplündert – Die Schreckensbilanz unserer Politik“. Daraufhin verließ Gruhl die CDU und gründete im Jahre 1978 zusammen mit dem Leiter der Sternwarte Bochum, Prof. Heinz Kaminski, sowie dem Ökobauern Baldur Springmann aus Schleswig-Holstein die GAZ (Grüne Aktion Zukunft). Es war die erste grüne Partei in Deutschland; sie war vor den „Grünen“ da. Nach nur vorübergehend erfolgreicher Kooperation mit den Grünen, traten Herbert Gruhl und seine Mitstreiter wegen unüberbrückbarer Meinungsdifferenzen wieder aus der Partei aus; und aus der GAZ wurde schließlich die ÖDP. Obwohl diese Kleinpartei im wesentlichen in Süddeutschland eine nennenswerte politische Kraft ist, erzielte sie auf kommunaler Ebene über die Jahre und Jahrzehnte durchaus respektable Erfolge: Volksbegehren Artenvielfalt – Rettet die Bienen – Einzug ins Europaparlament – Sperrklauseln bei der EU abgeschafft –Kommunale Hürden in NRW abgeschafft – Konsequenter Nichtraucherschutz durchgesetzt – Wahl-O-Mat mit allen Parteien – Geheimpolitik in kommunalen GmbH`s abgeschafft – Bayerischer Senat abgeschafft – 5 Atomkraft-Standorte gestrichen. In Bayern stellt die ÖDP derzeit 6 Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sowie eine Reihe 2. Und 3. Bürgermeisterinnen und Bürgermeister. Die ÖDP ist die einzige Partei in Deutschland, die ausnahmslos keine Firmenspenden annimmt.
Bereits im Jahre 1970(!) warnte Herbert Gruhl im Deutschen Bundestag vor den Folgen eines schrankenlosen Wirtschaftswachstums. Er sagte wörtlich: „Wenn wir alles so weiterlaufen lassen, werden wir uns eines Tages in einem Stadium der Selbstausrottung befinden, das einer atomaren Katastrophe gleichkommt.“ (Vereinzelt Beifall bei der SPD).
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Die Klimakrise bestimmt, wie wir leben werden; die Biodiversitätskrise bestimmt, ob wir überleben werden!
Artensterben in Deutschland (Quelle: Heinz Sielmann-Stiftung, Duderstadt): Mehr als 26 % der Insektenarten sind in ihrem Bestand gefährdet. Von den rd. 570 Wildbienenarten trifft das auf gut die Hälfte zu.
Etwa 41 % der bewerteten Säugetierarten sind im Bestand bedroht; das gilt auch für 50 % der Amphibienarten.
Mit dem Faktencheck Artenvielfalt wurde erstmals eine umfassende Inventur der Natur in Deutschland vorgenommen – und die Zahlen, wie wir oben gesehen haben -, sprechen eine erschreckende Sprache. Ein Drittel der untersuchten Arten ist gefährdet, etwa drei Prozent sind bereits ausgestorben. Auch die Ursachen für diesen dramatischen Artenschwund benennt die Untersuchung.
Stellvertretend für die ernste Bedrohungslage in der heimischen Tierwelt seien hier 3 Vertreter genannt. Sie alle, die – wie viele andere Arten – früher noch recht häufig vorkamen, sind heute in den Roten Listen als gefährdet oder sogar stark gefährdet aufgelistet.
- Das Braunkehlchen: Es überwintert im tropischen Afrika. Der Lebensraum dieser Art sind blütenreiche Wiesen und Brachen. Es baut sein Nest am Boden. Solche Habitate verschwinden allerorten, weshalb der Bestand des Braunkehlchens seit Jahrzehnten zurückgeht. In Deutschland stark gefährdet! (Quelle: NABU)
- Der Trauerschnäpper: Gefährdet (!) durch fehlende Bruthöhlen infolge moderner intensiver Waldwirtschaft und aufgrund von Pestizideinsatz (Quelle: NABU).
- Die Ringelnatter: Bewohnt gewässerreiche Lebensräume. Rückgangsursachen sind Entwässerung von Feuchtgebieten, Regulierung von Fließgewässern, Umbruch von Grünland, Trockenlegung von Mooren, Verlust von Kleingewässern, intensive Teichwirtschaft – Gefährdet! In Deutschland besonders geschützt.
04. Dezember 2024