Ciudad Mexixo: erinnert sich noch jemand an die Fußball-WM? Außerdem drei Schüsse in den Rücken und die mexikanische Unternehmenskultur.

Solche Mondlandschaften liegen direkt vor der Haustür: der Nevado de Toluca, ein erloschener Vulkan. (foto: koerdt)
Solche Mondlandschaften liegen direkt vor der Haustür: der Nevado de Toluca, ein erloschener Vulkan. (foto: koerdt)

Dieser Artikel ist der fünfte Teil einer persönlichen Serie über das Leben in Mexico-City im Jahr 2010. Sämtliche bisher erschienen Artikel sind hier zu finden.  Wir folgen dem Jahresverlauf und nehmen Anteil an der Fußball-WM in Südafrika. Es wird nicht mehr lange dauern, bis wir die Gegenwart erreichen. Viel Spaß beim Lesen.

Hola a todos!

Tja, während in Deutschland die erneute Stärke von Miroslav Klose als „innerer Reichsparteitag“ und „Erlösung“ (zum Glück nicht als „Endlösung“) kommentiert wird, kommen auch Mexi-Fußballkommentatoren nicht so ganz um geschichtliche Parallelen herum.

Heute schießen die Polen für Deutschland
Nachdem Poldoski und Klose den Ball ins Netz geschossen hatten, bemerkte der Sprecher in seiner Euphorie: „Ja, das war ja nicht nett, was die Deutschen da einmal den Polen angetan hat. Aber es ist vergessen: heute schießen die Polen die Tore für Deutschland!“

Leider habe ich den Satz danach nicht mehr verstanden, aber in ihm kam auf jeden Fall das Wort „Konzentrationslager“ vor. Wir haben den deutschen WM-Auftakt standesgemäß in der deutschen Botschaft bei Würstchen, Sauerkraut und Bier verbracht. Die Stimmung war bombastisch, lustigerweise waren die anwesenden Mexikaner viel lauter als die Deutschen. Nun gut, am Freitag hatten sie auch nicht soviel Grund zum Jubeln. Dafür hat der Trikotabsatz der mexikanischen Mannschaft einen astronomischen Absatz gefunden: also es gibt so gut wie niemanden hier, der kein Trikot trägt (die Geschäftsleute tragen es anstatt eines Hemdes und darüber das Sakko).

Drei Schüsse in den Rücken. Ein Toter in der Touri-Falle.
Schön, dann gibt es in den nächsten Wochen ein schönes Smalltalk-Thema und hoffentlich nicht viele Tote in Südafrika. Na ja, eigentlich könnte man den letzten Hoffnungswunsch auf dieses Land übertragen. Vor einer Woche war ich zu einer Geburtstagsfeier eingeladen. Da ich aber bereits anderweitig verabredet war, musste ich die Einladung leider absagen. Am Montag fragte ich dann das Geburtstagskind, wie denn die Feier war und sie wurde etwas wortkarg.

Die Geburtstagsgesellschaft hat eine Bootstour auf den Kanälen in Xochimilco im Süden der Stadt unternommen (übrigens einer der größten Touri-Fallen, in die ich bislang hier reingetappt bin). Als sie vom Bootsanleger wieder zum Hauptplatz bummeln wollten, hörten sie Knallgeräusche und dachten zunächst an ein Feuerwerk. Doch als sie um die Ecke bogen, sahen sie, dass dort gerade jemand erschossen worden war. Drei Schüsse in den Rücken; vom Täter natürlich keine Spur.

Drogenkriminalität nicht nur an der Grenze
Um jetzt nicht den Eindruck zu erwecken, dass das hier Alltag sei: ich habe in der letzten Woche einigen Mexikanern diese Geschichte erzählt und sie waren alle geschockt. Niemand von ihnen (und sie sind in dieser Stadt aufgewachsen) hat jemals eine Leiche in der Straße gesehen. Aber die (Drogen-)Kriminalität spielt sich natürlich nicht nur im Norden des Landes an der Grenze zur USA ab.

Eine Beförderung und fristlos gefeuert – mexikanische Unternehmenskultur
Ansonsten ist es nach wie vor ein friedliches Leben für mich. Ob es so bleibt, wird es sich in den nächsten Wochen zeigen. Meine Kollegin in der Bibliothek hat gekündigt und hört zum Ende der nächsten Woche auf. Ich bin davon total überrumpelt worden; auf einmal habe ich die Leitung inne. Was mir aufgrund meiner natürlichen Faulheit überhaupt nicht passt. Was mir aber abgesehen von dieser Tatsache widerstrebt, ist, dass ich in diesem Zusammenhang kennen lernen durfte, wie mexikanische Unternehmenskultur funktioniert. Wenn die Verwaltung dich auf dem Kicker hat, bist du absolut chanchenlos. Und Fristen gibt es auch nicht: zum Beispiel bekommen die angestellten Lehrer am 30. Juni gesagt, dass sie morgen nicht wiederkommen brauchen. Sie können sich nicht mehr von ihren Kollegen verabschieden und ein Gespräch über die Gründe gibt es auch nicht. Oder sie sind so absurd, dass man damit auch nichts anfangen kann. So hat man im letzten Jahr einem Lehrer gekündigt mit der Begründung, er sähe immer so müde aus.

Ein ein paar Dinge wollen heute abend noch erledigt werden. Ich hoffe, in Deutschland ist alles“ todo bien“.

Bald mehr und hasta luego!

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