Dieser Artikel ist der neunte Teil einer persönlichen Serie über das Leben in Mexico-City im Jahr 2010. Sämtliche bisher erschienen Artikel sind hier zu finden. Heute frieren wir mitten im November und kleiden uns in merwürdige Frottee-Klamotten. Den männlichen Toten legen wir Bierdosen und Tequila-Flaschen aufs Grab. Viel Spaß beim Lesen.
Hola a todos!
Auch hier hat der November zugeschlagen, wenn auch anders als in Deutschland. Wer immer noch glaubt, dass ganz Mexiko aus Wüste und Kakteen besteht, sollte dieser Tage mal hierher kommen. Nachts und morgens ist es arschkalt – so zwischen 2 und 5 Grad. Und das Tolle: es gibt keine Heizungen, so dass ich die Hälfte des Tages (ab Mittag werden es dann doch wieder angenehme 23 Grad) eigentlich nur vor mich hin bibbere.
Nicht alles, was wärmt ist auch gut. Kleidung kurz vor der Entmündigung
Bei Woolworth um die Ecke gibt es Heizradiatoren, die etwas helfen, die aber auch mit schöner Regelmäßigkeit die Sicherung raushauen. Aber die Mexikaner wissen sich auch anders zu behelfen. In besagtem Geschäft traute ich meinen Augen nicht, als ich in der Damenabteilung Frottee-Schlafanzüge in Stramplerform, quietschrosa und mit lustigen Teddy-Motiven entdeckte.
Solche Kleidungsstücke stehen doch kurz vor der Entmündigung. Auch bei den Pantoffeln kennen die Hersteller hier für die Dame von Welt kein Pardon: sei es der überdimensionierte Plüschturnschuh oder die Form x-beliebiger Tierpfoten; der Lächerlichkeit sind keine Grenzen gesetzt. In diesem Punkt bemerkte ich doch meine Eitelkeit und beließ es bei orange-türkis-geringelten Plüschsocken.
Flucht aus der Kälte
An den Wochenenden kann man der Kälte wenigstens entfliehen. Kaum kommt man aus der Stadt heraus und fährt ein paar Kilometer weiter südlich und nähert sich ein bisschen dem Meeresspiegel, ist wieder tollstes Pool-Wetter. So war ich in diesem Monat bereits zweimal in Taxco, eine Perle der hiesigen Kolonialstädtchen. Aber das ist nicht das einzig Besondere in der dortigen Gegend. Die leicht hügelige Landschaft bietet so manche phantastische Aussicht.
Die Grutas de Cacahuamilpa – ein atemberaubendes Tropfsteinhöhlensystem
Doch nicht nur oben ist es dort schön, sondern auch unten. Ganz in der Nähe von Taxco liegen die Grutas de Cacahuamilpa, einer der größten Tropfsteinhöhlen-Systeme der Welt.
Was sich dort im Laufe von zig tausend Jahren gebildet hat, verschlug mir doch von Zeit zu Zeit die Sprache. Für die Öffentlichkeit sind zwei Kilometer zugänglich; insgesamt sind wohl 16 Kilometer von der Höhle erforscht. Manche Säle sind bis zu 80 Metern hoch, die Stalagmiten sind teils bis zu 50 Metern hoch. Bizarre Formen geben der Phantasie manchen Anreiz.
Leider besteht auch die Führung durch die Höhle nur von den Phantasievorstellungen des Guides: sehen Sie dort, ein Gorilla, dort ein Weihnachtsmann, da hinten noch ein Gorilla. Geologische oder geschichtliche Informationen sucht man vergeblich in den Ausführungen.
Ich verstieg mich dann doch zu der Frage, wann dann nun und von wem die Höhle entdeckt worden sei. Dann wurde mir eine krude Geschichte von einem Engländer erzählt, der gesehen hätte, wie sein Hund durch ein Loch verschwunden sei. Wann das denn gewesen sei? Ja, so um 1880. Nur leider wusste sogar mein Reiseführer zu berichten, dass bereits der Habsburger Maximilian I. (die unglückliche Gestalt, die von Napoleon III. während der Mexikanischen Interventionskriege 1864 zum Kaiser von Mexiko gekrönt wurde) bereits dort gewesen war. Und Maximilian I. wurde bereits 1867 in Querétaro hingerichtet. Daraufhin ließ ich doch einmal meine informationsgesteuerte Fragerei.
Der Tag der Toten. Für die Männer Bierdosen und Tequilaflaschen
Ach ja, Anfang November war auch noch der „día de los muertos“ (der Tag der Toten). Die Mexikaner gehen dann für gemeinhin auf die Friedhöfe, um mit ihren Verstorbenen zu feiern. Auch die Kirchen werden liebevoll und quietschbunt ausgestattet und es gibt überall Bilder von den Toten mit Gegenständen, die ihnen lieb und teuer waren.
Mir ist jedenfalls aufgefallen, dass sehr häufig bei männlichen Toten Bierdosen und Tequilaflaschen zur Dekoration gehörten. Natürlich ist dies kein rein katholischer Brauch. Die Indigenas haben zwar von den Spaniern den christlichen Glauben übernommen, haben ihn aber mit Elementen ihres ursprünglichen Glaubens vermengt, so dass auf so manchen Europäer diese Form des Katholizismus nicht gerade frömmelnd erscheint.
Natürlich besteht mein Leben nicht nur aus den kleinen Fluchten in die Kolonialstädtchen, sondern weiterhin hin auch aus Arbeit und dem Studium der spanischen Sprache. Doch dazu demnächst mal wieder mehr.
Ich hoffe, bei euch ist „todo bien“.
Hasta luego!