Mexico City – Sechster Tag: Heuschrecken, Verkehr und der Guru spricht

Jeder lese, solange es für ihn kurzweilig bleibt; ansonsten hat er auch nichts verpasst im Leben.
(Sprüche und Wendungen eines alten chinesischen Meisters)

Donnerstag, der 5. Februar 2009

Über der Joggingstrecke im Chapultepecpark
Über der Joggingstrecke im Chapultepecpark

Die Heuschrecke steckt phonetisch irgendwie in Chapultepec, aber wie genau, dazu reicht natürlich mein náhuatl nicht. Heuschrecken aßen die Azteken und danach Mexikos Volk schon immer, bevor es in großstädtischen Szenen hip wurde, Insekten wegen ihrer Proteine als Leckerbissen zu verspeisen. So ist es auch in D.F., wobei diese Speise eher als eine der ärmeren Schichten gilt. Die Heuschrecke begegnet einem recht oft im und außerhalb des Stadtbezirkes Miguel Hidalgo, der eben den Chapultepecpark mit einfasst und dessen Logo, die Heuschrecke, auf zig Verwaltungs- Klein-Lkws prangt. Liebe zum Barrio geht eben doch durch den Magen.
Heute bei der Telefongesellschaft Telcel, wo ich mein neues Handy gekauft habe – ein politisch inkorrektes Nokia, wie mir jetzt gerade beim Schreiben dieser Zeilen auffällt – war im Gebäude neben dem Treppenhaus eine Tafel angebracht, wie man sich bei Erdbeben verhalten soll: also, erstens, Ruhe bewahren, zweitens, nicht ans Fenster gehen und sich von Gegenständen entfernen, drittens, … Die Tafel mit den Symbolen erinnert mich an die Verkehrsschilder in Lota bei Concepción im Süden Chiles, wo auf gelbem Grund in schwarzer Zeichnung mit einer über einem fliehenden Männchen zusammenbrechenden Welle vor Tsunamis gewarnt wurde. – Ein ähnliches Männchen taucht hier bei den Ampeln auf: Wenn es grün wird, rennt es und wird von einer Sekundenzifferntafeln daneben angezählt, sodass man weiß, wie lange der Verkehr noch gebändigt ist.

Alle Metrostationen haben ein eigenes Symbol, um Fremden die Orientierung zu erleichtern und wohl auch wegen des Analphabetismus, damit sich diese gewiß nicht ganz zu vernachlässigende Bevölkerungsgruppe wie alle andern des Segens des öffentlichen Verkehrs ungezwungen bedienen kann. Oberhalb der Erde ist es nämlich zu den Stoßzeiten, so 7.30 bis 10.00 Uhr und 17.00 bis 20.00 Uhr freilich kein Zuckerschlecken. „Mexico City – Sechster Tag: Heuschrecken, Verkehr und der Guru spricht“ weiterlesen

Mexico City – Fünfter Tag: Eiterfluss, Geld und Macht

Jeder lese, solange es für ihn kurzweilig bleibt; ansonsten hat er auch nichts verpasst im Leben.
(Sprüche und Wendungen eines alten chinesischen Meisters)

Mittwoch, der 4. Februar 2009

Blick vom Castillo de Chapultepec
Blick vom Castillo de Chapultepec

Ihre Einwohner bilden eine Stadt und ihre Geschichten wiederum die Einwohner: 1955 wurde der damals 35-jährige Vater der Maklerin, deren Großeltern 1929 aus Deutschland einwanderten, am Ohr operiert. Dem Mann war als Kind das Trommelfell geplatzt und seitdem suppte ihm ’mal mehr, ’mal weniger Eiter aus dem Ohr, da die Verletzung nie verheilte und die Entzündung chronisch wurde. Ein Ärgernis, sicherlich, eigentlich mehr als eines, mit dem man immerhin leidlich leben konnte, bis der Mann mit 35 Jahren hoffte, von seiner Malaise geheilt zu werden. Eben 1955 riet ihm ein Arzt, den Gehörausgang, aus dem der Eiter immer abfloß, zu schließen und nähte die Ausgangsröhre zu. Natürlich mit fatalen Folgen, denn nicht lange danach gärte im Innern der Eiterherd und drückte die Entzündung durch den Gehörgang zwischen Gehirn und Schädel, wodurch sich die Gehirnhaut entzündete. „Mexico City – Fünfter Tag: Eiterfluss, Geld und Macht“ weiterlesen

Mexico City – Vierter Tag: Diana nackt im Brunnen

Jeder lese, solange es für ihn kurzweilig bleibt; ansonsten hat er auch nichts verpasst im Leben.
(Sprüche und Wendungen eines alten chinesischen Meisters)

Dienstag, der 3. Februar 2009

Die Innenstadtautobahn
Die Innenstadtautobahn

Heute ging es nachmittags wieder durch die begehrten Stadtviertel Polanco und La Condesa, die beide um den Chapultepec-Park gelegen sind, auch bis nach Cuauhtémoc, das aber nördlicher gelegen vom Circuito Interior, dem Innenring der Stadtautobahn, eingefasst ist und damit weniger attraktiv.

Cuauthémoc erinnerte mich stark an Asunción bzw. entsprechende ganze Städte in Südamerika: Die Häuser recht niedrig, ein- oder zweistöckig, zum Teil im spanischen Kolonialstil, um der Armseligkeit Etikette zu verleihen. Meine Maklerin allerdings meinte, dass ein Viertel wie Cuauhtémoc früher tatsächlich schöner als heutzutage war und nur heruntergekommen sei. Außerdem warnte sie vor diesem Barrio wie auch vor der Zona Rosa, da dort Erdplatten zusammenstießen, was im Falle eine Erdbebens besonders gravierend sei – jede Stadt hat ihr kollektives Ventil bei frei flottierenden Ängsten – hier der omnipräsenten vor Unsicherheit im privaten und wirtschaftlichen Leben.

In La Condesa
In La Condesa

Die Arbeit einer Maklerin spielt sich zwischen Straßenschluchten und Handygesprächen beim Fahren ab, was übrigens alle Autofahrer ebenso praktizieren. Nach dem langen Wochenende, der Montag war Nationalfeiertag, tobte der Verkehr ab fünf Uhr abends und man brauchte von einem zum andern Stadtteil ziemlich lange, wofür wir sonst am Feiertag fünf oder zehn Minuten unterwegs waren. „Mexico City – Vierter Tag: Diana nackt im Brunnen“ weiterlesen

Mexico City – Dritter Tag: Meiden Sie Fruchtsäfte!

Jeder lese, solange es für ihn kurzweilig bleibt; ansonsten hat er auch nichts verpasst im Leben.
(Sprüche und Wendungen eines alten chinesischen Meisters)

Montag, der 2. Februar 2009

Die Stadtteil-Fressmeile von Bosque de Virreyes
Die Stadtteil-Freßmeile von Bosque de Virreyes

Heute Morgen traf ich eine zukünftige Kollegin mit ihrem Freund und eine jetzige mit ihrem Mann, um im Hotel Majestic hoch über dem Zócalo zu frühstücken – berühmt in Winterberg für seinen schmackhaften und bekömmlichen Orangensaft – bei Nachfragen oder Nebenwirkungen lesen Sie bitte die Packungsbeilage. Klug aus Erfahrung geworden, mied ich die Fruchtsäfte.

Die riesige Fahne wehte im Winde, die Kathedrale ist nicht mehr windschief – nicht mehr schief? Nein, an ihr hat die moderne Technik wahre Wunder gewirkt, andre würden sagen, hat sie verhunzt. Dafür wirkt jetzt ihr rechtes Seitenschiff schief. Jedenfalls begegnete mir die Beziehung des Mexikaners zum Tod hier zum ersten Mal. Gumano, der Mann meiner Kollegin, ist Mexikaner und gab zum mexikanischen Humor eine Anekdote zum großen Erdbeben 1985 zum besten. Wegen des Erdbebens war eine Tankstelle nahe der U-Bahnstation Indias verdes, Grüne Indianer, explodiert, wodurch viele Familien starben – ein Tragödie.

Schon zwei Tage später kursierte in der Presse als allgemein akzeptierter Witz, dass die U-Bahnstation in Pieles rojos, Rothäute, umbenannt werden müsse. Schwarzer Humor scheint keine englische Angelegenheit zu sein.

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Mexico City – Zweiter Tag: Die Welt ist ein Dorf

Jeder lese, solange es für ihn kurzweilig bleibt; ansonsten hat er auch nichts verpasst im Leben.
(Sprüche und Wendungen eines alten chinesischen Meisters)

Sonntag, der 1. Februar 2009

Ein subtropischer Garten im Winter
Ein subtropischer Garten im Winter

Schon morgens pfeifen im Garten vor der Pension, von deren Betreiberin die Tochter Karin meine Wohnungsmaklerin werden sollte, seltsame Vögel und duften seltsame Blumen und anderes Gewächs; ein blauer Himmel und gute Luft liegen über der Stadt. Auf dem Garten liegt der nach der doch etwas kühlen Nacht wärmende Sonnenschein. Nur der Lärm der vielen Flugzeuge, die hier ihre Einflugschneise haben, nervt.

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Mexico City – Erster Tag

Jeder lese, solange es für ihn kurzweilig bleibt; ansonsten hat er auch nichts verpasst im Leben.
(Sprüche und Wendungen eines alten chinesischen Meisters)

Samstag, der 31.1.2009

Beim Landeanflug
Beim Landeanflug

Auf dem Hinflug, der seltsamerweise nahezu Grönland streifte und über Kanada in die USA eindrang, die bis zu Arkansas zu weiten Teilen vereist erschienen, und dem Mississippi zum Golf vom Mexiko folgte – während des Hinflugs las ich ein deprimierendes und grausiges Buch, Harald Welzers „Die Täter“ (2005).

Ich hatte es am Tag vorm Abflug in der Bonner Filiale der Büchergilde Gutenberg als obligatorischen Vierteljahrseinkauf kurzerhand aus der Sachbuchabteilung wegen des aus der Sozialpsychologie bekannten Autornamens geschnappt, ohne recht darauf zu achten, was ich kaufte, das mich da wahrlich kalt erwischte. „Mexico City – Erster Tag“ weiterlesen