Ciudad Mexico: Tote Ratten im Motorblock. Deutsche Musik und „Fiesta mexicana“ im Sprachkurs.

Marion Koerdt schaut genau hin. Zu Besuch auf dem Kahlen Asten. (foto: zoom)
Marion Koerdt schaut genau hin. Aus Mexico zu Besuch auf dem Kahlen Asten. (foto: zoom)

Dieser Artikel ist der elfte Teil einer persönlichen Serie über das Leben in Mexico-City. Sämtliche bisher erschienen Artikel sind hier zu finden.  Wir rechnen es Marion hoch an, dass sie uns im Januar in Winterberg besucht hat. Wir haben sie auf den Kahlen Asten geschleppt und sie hat uns sehr viel über ihr Leben in Ciudad Mexico erzählt. Jetzt haben wir einen neuen interessanten Bericht erhalten. Viel Spaß beim Lesen.

Hola a todos,

na, auch wenn das Jahr nunmehr bereits ein Monat alt ist, hoffe ich, es ist noch nicht zu spät euch allen erst einmal alles Gute für die verbleibenden 11 Monate in diesem Jahr zu wünschen.

Ich bin nunmehr auch seit drei Wochen zurück und der Alltag hat –wie sollte es anders sein- mich wieder fest im Griff.

Doch eine wenig leckere Überraschung erwartete Christopher und mich einige Tage nach unserer Rückkehr nach Mexiko. Die empfindlicheren Gemüter sollten diesen Teil überspringen und erst später wieder einsteigen.

Also … hier wird es unappetitlich
Am Samstag nach unserer Rückkehr gingen wir zu unserem bewachten Parkplatz, wo uns der dort arbeitende Chico darauf hinwies, dass es von unserem Wagen aus seltsam roch.

Zunächst dachten wir, dass der Hofhund den Wagen angeschissen hätte und verfluchten schon innerlich die Töle. Doch wir konnten nichts entdecken. Dann öffnete Christopher die Motorhaube und ich sprang zwei Meter mit einem entsetzlich gequietschten „Uäh“ zurück.

Auf dem Motorblock lag eine tote, angeschmorte -und wohl gerade im Inbegriff zu verwesen- Ratte. Doch das war bei weitem nicht so ein possierliches Tierchen, wie wir sie aus Mitteleuropa kennen. Sie nahm der Länge nach den gesamten Kühlergrill ein. Doch damit noch nicht genug: sie hatte sich aus Müll und Plastikfetzen ein Nest gebaut und Junge geworfen (die auch nicht überlebt haben). Kurzum: im Motor war eine Riesensauerei, die entfernt werden musste.

Der Chico hielt sich die ganze Zeit im Hintergrund und nachdem wir ihm gesagt hatten, was der Geruchsauslöser war und er mit Würgen beschäftigt war, war klar, dass von ihm keine Säuberungshilfe zu erwarten war. So durften wir das selbst erledigen und nachdem das Gröbste entfernt war, fuhren wir zur Tankstelle, um den Motor reinigen zu lassen.

Die Jungs dort nahmen das mal locker hin, nachdem wir erklärt hatten, woher der angeknabberte Schlauch und die Blutspuren kamen. Der eine zog mit zwei Schraubendreher auch noch ein weiteres verendete Rattenbaby heraus und stellte nur trocken fest, wenn wir nicht noch etwas für den Abend-Taco bräuchten, würde er sie nun wegwerfen.

Wir hatten uns den Samstagnachmittag wahrlich anders vorgestellt und auch das anschließende Essen in unserer bevorzugten Schnellrestaurantkette (von der wir uns immer noch einreden, dass das Essen dort ganz okay sei, weil es frisch gepresste Säfte gibt) hat uns nicht so gemundet wie sonst. Irgendwann einmal hatte mir ein Schüler erzählt, dass vor seinem Haus eine soooo große Ratte vorbeigelaufen sei und dabei eine Rumpfgröße von über 30 Zentimetern mit den Händen angezeigt und ich habe nur gedacht, jaja, erzähl der Tante aus Deutschland mal schöne Schauergeschichten. Nun habe ich beschlossen, den Schülern auch mal was zu glauben.

So, hier können auch die empfindlicheren Gemüter wieder einsteigen

Hier holen sich die Mexis ihre akademischen Weihen: angeblich sollen sich an der Universidad Nacional Autónoma de México (UNAM) ca. 400 000 Studenten befinden. Am Wochenende ist es eher leer und man fragt sich schon, wo die denn alle auf dieser Fläche hinpassen sollen. (foto: Koerdt)
Hier holen sich die Mexis ihre akademischen Weihen: angeblich sollen sich an der Universidad Nacional Autónoma de México (UNAM) ca. 400 000 Studenten befinden. Am Wochenende ist es eher leer und man fragt sich schon, wo die denn alle auf dieser Fläche hinpassen sollen. (foto: Koerdt)

Mein Bildungseifer wurde nach meiner Rückkehr auch ausgebremst, als ich feststellen durfte, dass ich die einzige bin, die sich für den Folgekurs an dem Uni-Institut interessierte. Nun hoffe ich, dass der nächste Kurs im März zustande kommt, denn das Hirn scheint ein seltsam Ding zu sein, dem es bequemt, mühsam Erlerntes sofort wieder zu vergessen. Aber der Alltag kommt auch mit wenig Vokabeln und Grammatik zurecht.

Ein Rundgang lohnt sich, denn zahlreiche, namhafte Künstler haben auf den Gebäuden ihre Spuren hinterlassen. So hat Juan O'Gorman liebevoll mit vielen, kleinen bunten Steinchen Mosaike zusammengesetzt, die wiederum die Zusammensetzung unserer Weltbilder widerspiegeln sollen. Und manches mahnt eher sozialistisch-idealistisch an auf dem Campus, der übrigens zum UNESCO-Welterbe gehört.
Ein Rundgang lohnt sich, denn zahlreiche, namhafte Künstler haben auf den Gebäuden ihre Spuren hinterlassen. So hat Juan O'Gorman liebevoll mit vielen, kleinen bunten Steinchen Mosaike zusammengesetzt, die wiederum die Zusammensetzung unserer Weltbilder widerspiegeln sollen. Und manches mahnt eher sozialistisch-idealistisch an auf dem Campus, der übrigens zum UNESCO-Welterbe gehört.

Was mich aber vielmehr fasziniert ist, dass ich regelmäßig ins Stocken komme, wenn ich mal etwas Grammatisches aus dem Reich des Deutschen erklären soll. Also beste Voraussetzungen, um hier Sprachunterricht zu geben. Der Rettungsspruch ist immer „Das ist eben so im Deutschen“ und die Leute nehmen das erst einmal so hin, bevor ich mal nachschauen kann, was sich dann nun schon wieder dahinter verbirgt.

In meinem Erwachsenenkurs sind wir nun bei einem schönen Kapitel angelangt: es geht um Musik. Warum sich das Lehrbuch eine Band ausgesucht hat, die englisch singt, ist mir schleierhaft (abgesehen davon sind die „Young Gods“ auch nicht so mainstreamfähig). Na ja, Herbert Grönemeyer erscheint auch noch in dem Kapitel und die Frauen im Kurs waren auch ganz ergriffen, als sie erfuhren, dass er das Lied „Mensch“ nach dem Tode seiner Frau geschrieben hat.

Weiteres deutsches Liedgut konnte ich ihnen dann dank „Youtube“ näher bringen und war doch leicht irritiert, wie begeistert sie auf Heino und Maria Hellwig reagierten (schließlich sind die meisten Kursteilnehmer in meinem Alter). Na ja, als ich mit Christopher in Paraguay war und wir dort auf seinem ehemaligen KFZ-Mechaniker trafen (ein Mennonit mit dem schönem Namen Karl-Heinz) wurden wir in seinem Wagen nach seiner Ankündigung „ich habe das was Tolles aus Deutschland“ auch mit Heino beschallt.

Dann habe ich noch einen folgenschweren Lehrfehler begangen, indem ich Schlagermusik präsentierte, die sich thematisch ausschließlich mit Mexiko beschäftigte („Fiesta mexicana“, „Anita“ und „Puppenspieler von Mexiko“) und bei meinen Schülerinnen den Rückschluss zuließ, deutsche Schlagermusik würde sich nur mit Mexiko beschäftigen. Aber falls jemand noch ein Thema für eine kulturwissenschaftliche Arbeit sucht: „Orte der Sehnsucht – Die Bedeutung Mexikos im deutschen Schlager“ würde sich anbieten.

Damit mir nicht noch mehr Fauxpas unterlaufen, werde ich nun das alles mal gewissenhafter vorbereiten, deswegen schließe ich auch für heute (nee, Mädels, in Wirklichkeit ist Winterschlussverkauf und ich wollte gleich mal losspazieren) und wünsche euch allen nochmals alles Gute und hoffe von euch demnächst auch mal wieder Lebenszeichen zu erhalten!

Hasta luego y muchos saludos desde México,
Marion

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