Wann habt ihr Kafka zuletzt gelesen?

Das Schloß. Satz für Satz. Geschafft! Buchcover der Taschenbuchausgabe von 1968, Druck 1989.

Wann habt ihr das letzte Mal Kafka gelesen? Bei mir ist es schon sehr lange her. Jugend, Studentenzeit … trübe Erinnerungen an die Lektüre. Übrig blieben unscharfe Metaphern. Das Schloß als Sinnbild übermächtiger Bürokratie. Der hilflose K. Aber stimmen die Bilder?

In den vergangenen Jahren habe ich mich um eine erneute Lektüre, also eine Auffrischungs- oder Boosterlesung herumgedrückt. Das Leben war kafkaesk genug, und bekommt man von Kafka bei unsachgemäßer Anwendung nicht tiefe Depressionen?

Meine Vorurteile, also eigentlich die verzerrten und verblassten Nachurteile, leisteten Widerstand.

Vor einiger Zeit schnappte ich en passant die Meinung auf, dass Kafka in seinen Werken doch einen großen hintergründigen Humor zeigen würde.

Humor – das gefällt mir, und so bin ich dann in Das Schloß eingestiegen.

Das erste Drittel bestand mit meiner rosaroten Humorbrille aus vielen Slapstick-Situationen. Die beiden Gehilfen Jeremias und Artur erinnerten mich an die Weasly-Zwillinge Fred und George im Verein mit Kasperle auf Burg Himmelhoch.

Dieser lustige Einstieg wurde im zweiten Drittel mehr und mehr von Fremdschäm-Gefühlen verdrängt. K. und die Frauen. „Da darf man sich nicht hineinziehen lassen“ war mein Mantra und so ganz ist es mir nicht gelungen.

Im letzten Drittel erfährt K. wie in einem Drogenrausch das Absurdistan der Bürokratie. Traum und Wirklichkeit, so es sie denn gibt, verschwimmen mehr und mehr, wie überhaupt alle Dinge im Verlaufe des Romans nicht das bleiben was sie zu sein schienen.

Im ganzen Roman finden sich eine Unzahl von Absurditäten. Filmreif. Ist Das Schloß eigentlich verfilmt worden?

Ich weiß es (noch) nicht, denn ich habe vor, während und nach der Lektüre nicht gespickt. Kein Google, keine Wikipedia.

Der letzte Satz im Roman gehört der Wirtin, wie sie K. nachruft: „Ich bekomme morgen ein neues Kleid, vielleicht lasse ich dich holen.“

Spätabends habe ich das Buch zur Seite gelegt. Geschafft. Aber ich habe ein bisschen schlecht geträumt.