Unser Autor berichtet von seiner Fahrt durch Kalifornien. Seine Betrachtungen veröffentlichen wir hier. Heute geht es durch die Sierra Nevada, wie immer mit vielen Gedanken, die übrigens jedem Enthusiasten in den Weiten des US-amerikanischen Westens einfach zufliegen. Tipp: selber ausprobieren.
Endlich am Mammoth Lake
Spät nachts kam ich endlich in Mammoth Lake an. Mammoth Lake ist der Inbegriff des Skigebiets in der östlichen Sierra Nevada und besticht durch Aussichten wie aus dem Prospekt: Graue Bergketten, die unterm Schnee versinken; die Loipen führen um vereiste Gletscherseen wie die Twin Lakes oder Lake Mary herum unter schattigen, vor Eisstarre knisternden Nadelhölzern. Vom azurblauen Himmel scheint eine milde Wintersonne vor Senkrecht aufragenden Feldwänden und felsigen Kuppen und Graten. Wahrlich eine Winteridylle, die sich einem hier auftut, wenngleich der Ort touristisch überlaufen erscheint.
McCarthy und die deutsche Immigration
Jeder Besucher aus den großen Städten der Ostküste versicherte mir, nur weg zu wollen von den Massen, die hier um den Lift, dort vorm Bus anständen. Der Tourist mag seinesgleichen wohl nirgends. Einer aus Boston meinte, als das Thema auf die deutschen Exilierten während des Hitlerismus fiel, für sie US-Amerikaner wären eh nur Nazis gekommen. Daraufhin meinte ich, dass vor allem Sozialdemokraten in die USA exiliert seien, da der McCarthy-Ausschuss für „unamerikanische Umtriebe“ die Kommunisten abgeschreckt oder so schikaniert hätte, dass sie lieber freiwillig nach Mexiko unter dem liberalen PRI-Präsidenten Cardenal Carranza geflohen wären. Ein beistehender Snowboarder aus San Diego meinte kleinlaut und zerknirscht, sodass man sich selbst schlecht fühlte, man lebe halt im „Cultureless West“. Der Bostoner baute seinen Landsmann auf: Na ja, man wolle nicht streiten, in Boston gäbe es alles, viele Museen, an der Ostküste gäbe es alles.
Die Landschaft – bizarr und mächtig
Die Weiterfahrt entlang der Sierra Nevada entblättert die ganze Naturschönheit der Landschaft, die durch ihre Bizarrerie bezaubert, durch die sie den Blick verfremdet und dadurch fasziniert. Seltsam ist die Anmutung eher als überwältigend, was in Südamerika wegen der aufschießenden Höhe und ausrollenden Breite der Berge der Fall ist. Eher schlägt eine Mischung aus Menschenfremdheit und Erhabenheit in den Bann als eine rauhe, schroffe und rohe Natur anderer, gewaltigerer Bergwelten Südamerikas. Bizarr, auch ‚mal mächtig, wirkt die Landschaft und wo die Berge an Höhe gewinnen durchaus auch prächtig, aber mit Maßen. Verschwendet hat sich die Natur hier vor allem in die Weite der Täler und ausschwingenden Abhänge der Anhöhen.
Ungleichzeitigkeiten: Schnee und Wüste
Während die schokoladenbrauen Hügelspitzen linker Hand verpudert eingeschneit waren und die Sierra Nevada auf der andern Seite des Tals weiß erstrahlte, schoss die Landstraße hinab in die schief zwischen Himmel und Erde sich windende Senke, in der die Temperaturen unwirklich frühlingshaft anstiegen. Nach einer dreiviertel Stunde Fahrt wechselte man von einem Klima von 3 bis 4 Meter hohem Schnee zur Wüstenlandschaft an einem lauen Sommertag. Die Täler östlich der Sierra Nevada gehen unglaublich in die Breite, wobei der bezaubernde Anblick der Berge stets mit ihrer Wildheit lockt. Hier gehen Kinderträume, gespeist von den seligen Stunden der Lektüre Karl Mays, in Erfüllung. Man meint am Horizont hoch oben in den Bergen John Wayne, Erol Flynn, Geary Cooper, James Steward, Kirk Douglas oder Clint Eastwood reiten zu sehen und hört die Filmmelodien für Millionen, jene berauschenden, anschwellenden Akkorde mit Obertönen aus zig Western, die gleich einem Wellengang branden, just dann, wann die Bergszenerien und Landschaftspanoramen eingeblendet werden.
Hier nächtigten John Wayne und Erol Flynn
Nach einer gemächlichen Fahrt immer ‚gen Süden kommt der Reitende, pardon Reisende, irgendwann nach Low Pine, einem in den Fassaden der Hauptstraße nachempfundenden Westernnest, in dessen Grand Hotel eben John Wayne und Erol Flynn in den 1950er Jahren zu Drehs in den Bergen nächtigten. Nun große Teile der Filmindustrie des Konkurrenzkampfs wegen aus New York nach Los Angeles seit 30 Jahren übergesiedelt waren, zog es die Kamerateams zur hohen Zeit des Westerns in die nahen Berge, wo die Stars ihre Triumphe in den 1950er und 60er Jahren feierten. In Low Pine schmeckt das ortsübliche Steak saftig, das Bier ist kühl und herb, das Frühstück ist deftig und hält bis zum Abend vor – und Revolverhelden habe ich keine gesehen.
Mt. Whitney – 4421 Meter über NN
Die Bergkulisse um Low Pine bietet wohl auch den höchsten Berg in den kontinental-zusammenhängenden USA (außer Alaska), den Mt. Whitney, der sich aber aus dem Talgrund wohl nur 1828m erhebt, weshalb er die Bergkette um Low Pine kaum überragt, obwohl er über NN 4421m aufsteigt. Überhaupt ist die Landschaft mehr durch ihre behäbige Breite als Höhe charakterisiert, wie ja insgesamt der nordamerikanische Kontinent sehr in der Erstreckunng auseinandergeht.