Erneute Heimsuchung: Die große WP-Umfrage.

Ende September 2009, es kommt mir vor wie gestern, berichteten wir über eine Leser-Umfrage der Westfalenpost unter dem damaligen Chefredakteur Bodo Zapp. Wir hatten damals die launige Überschrift „WP-Wochen: Wie ich einmal die Hälfte der Leserschaft vergaß und ihr die falschen Fragen stellte“ gewählt.

Wir urteilten: Realsatire!

Anderthalb Jahre später flattert uns erneut eine sogenannte Umfrage der Westfalenpost ins Haus. Wer die sechs Fragen beantworte, bekomme fünf Wochen lang die Westfalenpost (WP) für 18,99 Euro, außerdem entweder einen Geschenkgutschein von Tchibo (10€) oder ein „Uhren-Duo“.

Darüber hinaus dürfe man noch am großen WP-Gewinnspiel teilnehmen. Höchstpreis: Verdopplung des Monatsgehalts.

Bevor wir uns hämische Gedanken über die Qualität des „Uhren-Duos“ machen, welches das Äquivalent des 10 Euro Tchibo Gutscheins ist, und bevor wir spekulieren, ob nun alle Geschäftsführer  oder sämtliche Hartz IV Empfänger die WP in der Hoffnung auf ein doppeltes Monatsgehalt bestellen werden, wenden wir uns den Fragen zu.

1. Die Lebenshaltungskosten steigen stetig. An welcher Stelle würden Sie am ehesten sparen?

Jetzt habe ich fünf Möglichkeiten zum Ankreuzen: Benzin, Strom, Lebensmitteln(!), Freizeitaktivitäten, und Urlaub.

Aus welchem Grund steht denn da dieser merkwürdige Konjunktiv „würden“? Entweder sinken die Realeinkommen oder sie sinken nicht. Gesetzt den Fall, die Realeinkommen sänken, dann müssten!!! die Menschen notgedrungen sparen. Ich spare mir die Antwort.

2. Sind Sie mit dem Freizeitangebot in und um Winterberg (z. B. Schwimmbäder, Parks) zufrieden?

Antwortmöglichkeiten: Ja, Nein, Keine Angabe

Ich wiederhole: Ja, Nein, Keine Angabe

3. Für welche Bevölkerungsgruppe sollte es mehr Freizeitangebote in Winterberg geben?

Auswahl: Jugendliche, Familien m. Kindern, Erwachsene,  Rentner und keine Angabe.

Aus welchem Grund sollte ich versuchen, mich in eine andere Bevölkerungsgruppe hinein zu versetzen und ihr ein Freizeitangebot anzudichten?

4. Nahezu jede Stadt bzw. Gemeinde muss sparen. Sind davon auch Freizeitangebote betroffen, die Sie nutzen?

Wahnsinnsauswahl: Ja, Nein, Keine Angabe.

Der Logik der Personalisierung folgend, hätte doch wie in Frage 2 hier auch „Winterberg“ stehen müssen.  Neutral hätte die Frage lauten müssen: Die Stadt Winterberg spart laut Haushalt an … und als Lokalzeitung weiß doch die WP Bescheid, wo im Haushalt gekürzt wird.

5. Oft „vergessen“ Parkbesucher, Müll und leere Flaschen wieder mitzunehmen oder zu entsorgen. Sollte Ihrer Meinung nach das Grilllen in öffentlichen Parkanlagen untersagt werden?

Ja, Nein, Keine Antwort.

Wo kommt denn diese Frage her? Hat die Lokalredaktion das Grillen in Parkanlagen schon als Problem recherchiert? Ehrlich gesagt, der meiste Müll wird doch von Besuchern eines Winterberger Fastfood-Restaurants weiträumig an den Straßenrändern entsorgt.

6. Wenn unsere Kommunalpolitik schon zu Sparmaßnahmen gezwungen ist, wo sollte Winterberg Ihrer Meinung nach den Rotstift ansetzen?

Freie Antwort: ………………………………………………………………………………….. und Keine Angabe

Ehrlich gesagt: mir passt diese ganze suggestive Fragerei nicht, die unterstellt, dass das Sparen gewissermassen ein ökonomisches Gesetz ist.  Eine Lokalzeitung sollte transparent machen, wie die Verteilung der Gelder in, an und aus den Kommunen läuft.

Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, wie die Winterberger Redaktion diese zusammengeschusterten Fragen für ihre journalistische Arbeit nutzen will oder kann. Mein Eindruck ist, dass es sich mehr um eine billige Abo-Werbekampagne, denn um eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den Problemen und Verhältnissen in Winterberg handelt.

Diese Werbekampagne ist wahrscheinlich ein Serienbrief, bei dem je nach Wohnort in Frage 2 oder 6 eine andere Gemeinde eingesetzt wird.

Wer es besser weiß, sage Bescheid.

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