Wetter. Klima. Wandel. Winterberg. Ein Schlag in die Magengrube. PlusMinus: „Teurer Schnee – Warum viele Skigebiete unrentabel sind“

"Wie sich Touristen verhalten, wenn sie wiederholt mit weissen Bändern in grünbrauner Landschaft konfrontiert werden, ist ungewiss." (fotos: zoom)
Heute Mittag um 13 Uhr bei 4° Celsius im Dauerregen aufgenommen. „Wie sich Touristen verhalten, wenn sie wiederholt mit weissen Bändern in grünbrauner Landschaft konfrontiert werden, ist ungewiss.“ (fotos: zoom)

In der Sendung Plusminus vom letzten Mittwoch wird dem Wintersport in den deutschen Mittelgebirgen und damit auch in Winterberg das Ende vorhergesagt. „Teurer Schnee – Warum viele Skigebiete unrentabel sind“, lautete der für die Region Winterberg apokalyptische Titel[1].

„Damit die Wintersportler auch weiter optimistisch ins Hochsauerland zum Skifahren kommen, wurde zu dieser Saison erneut investiert. Rund neun Millionen Euro gingen in zwei moderne Sesselbahnen, die im letzten Sommer gebaut wurden. Außerdem wurde das Fassungsvermögen des Speicherteichs auf 35.000 Kubikmeter Wasser erweitert. Sein Wasser wird für die Schneekanonen gebraucht, die für Schneesicherheit sorgen sollen.“[2]

Zum Beschneien sei es allerdings an den meisten Tagen dieser Saison zu warm gewesen. Um die Schneekanonen anzuwerfen, müsse es mindestens minus vier Grad kalt sein. Nur dann ließe sich künstlicher Schnee produzieren. Dies wäre im Dezember nicht der Fall gewesen, sodass die Schneekanonen erst im Januar zum Einsatz gekommen wären.

Der Klimawandel habe nicht zum ersten Mal das lukrative Weihnachtsgeschäft zunichte gemacht.

Die Aussichten für die Mittelgebirge sind schlecht.

In dieser Saison, so der Bericht, käme Winterberg bei optimalem Verlauf höchstens auf rund 80 Betriebstage. Das sei auch der Durchschnitt der vergangenen Jahre. 100 Tage seien jedoch nötig, um ein Skigebiet rentabel betreiben zu können, und das bei Kosten von etwa 500.000 Euro pro Saison für die Beschneiung.

Bei 4° Celsius und Dauerregen überlebte heute nur der gepresste Schnee im ansonsten grünen Hochsauerland.
Bei 4° Celsius und Dauerregen überlebte heute nur der gepresste Schnee im ansonsten grünen Hochsauerland.

Ob sich das in Zukunft noch rechnete, bezweifeln, laut PlusMinus, Experten der Tourismuswirtschaft.

Man müsse davon ausgehen, dass der Klimawandel die Temperaturen um mindestens zwei Grad ansteigen lassen werde, so Prof. Jürgen Schmude, Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaftsgeographie und Tourismusforschung an der Ludwig-Maximilians-Universität München:

„Es gibt Untersuchungen, die zeigen, dass bei zwei Grad Temperaturerwärmung in Deutschland fünf Skigebiete übrig bleiben. Und da verschwinden alle Mittelgebirgsskigebiete.“[3]

Das Investitionsrisiko schlage sich auch in den Skipasspreisen nieder. In Winterberg koste der Tagespass für nur 26 Pistenkilometer mittlerweile 32 Euro und damit 23 Prozent mehr als in den letzten drei Jahren. Der Pistenkilometer sei hier inzwischen deutlich teurer als in den großen Skigebieten Österreichs.

Skitourismus nur noch über 1300 Meter

In den nächsten 50 Jahren rechne man mit einem kontinuierlichen Anstieg der Schneefallgrenze. Der Skitourismus dürfte sich dadurch auf höhere Lagen konzentrieren, ab 1300 Meter über Meer, heißt es in einem lesenswerten Artikel des Schweizer Tagesanzeiger vom 26. November 2015[4].

Für Carmen de Jong, Professorin für Hydrologie an der Universität Strassburg, sei Kunstschnee grundsätzlich die falsche Strategie. Sie bemängelte, dass bei der Beschneiung nicht nachhaltig gedacht werde.

„Es wird nur so weit in die Zukunft geschaut, bis die Investitionen amortisiert sind. Das sind in der Regel 15 bis 20 Jahre.» De Jong beobachtet den Drang zur künstlichen Beschneiung seit Jahren mit grosser Skepsis und hat diverse Studien zum Thema veröffentlicht. Sie schätzt das Potenzial von Schneekanonen geringer ein: «Damit eine Anlage eine relevante Menge schneien kann, braucht es drei Tage am Stück Temperaturen von minus 3 Grad. Doch diese Zeitfenster werden auch in den hoch gelegenen Skigebieten immer unberechenbarer und seltener.» Debatten um künstliche Beschneiung seien immer stark politisch geprägt. «Skitourismus ist heute too big to fail. Dass Kunstschnee eine Fehlstrategie sein könnte, will niemand hören, auch wenn man die Limiten heute schon sieht.“[5]

Noch sei der Kunstschnee akzeptiert. So argumentierten Skigebiete für die künstliche Beschneiung und verwiesen auf die Erwartungshaltung der Touristen: Buche man teure Ski­ferien, so wolle man genügend Schnee auf den Pisten vorfinden[5].

Allerdings:

Wie sich Touristen verhalten, wenn sie wiederholt mit weissen Bändern in grünbrauner Landschaft konfrontiert werden, ist ungewiss.“[5]

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[1] http://www.daserste.de/information/wirtschaft-boerse/plusminus/sendung/skigebiete-wintersport-steuergelder-unrentabel-100.html
[2] ebenda
[3] ebenda
[4] http://www.tagesanzeiger.ch/wissen/technik/5370-Kanonen-und-98-Seen-sollen-es-richten/story/15760004
[5] ebenda

16 Gedanken zu „Wetter. Klima. Wandel. Winterberg. Ein Schlag in die Magengrube. PlusMinus: „Teurer Schnee – Warum viele Skigebiete unrentabel sind““

  1. Ein Artikel von 2011 in den Ruhrnachrichten:

    Klimaveränderungen in Europa

    Dortmunder Raumplaner sind dem Klimarisiko auf der Spur

    Greiving nennt ein Beispiel aus Deutschland: „Mit fortschreitendem Klimawandel könnte es sinnlos werden, den Ski-Tourismus im Sauerland zu fördern.“

    http://www.ruhrnachrichten.de/staedte/dortmund/Klimaveraenderungen-in-Europa-Dortmunder-Raumplaner-sind-dem-Klimarisiko-auf-der-Spur;art930,1450587

    Greiving befasst sich als Raumplaner auch mit der Verwundbarkeit Deutschlands gegenüber/durch den Klimawandel. Siehe die 690-seitige Studie des Bundesumweltamtes von 2015:

    https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/378/publikationen/climate_change_24_2015_vulnerabilitaet_deutschlands_gegenueber_dem_klimawandel_0.pdf

  2. Interessante Fakten zur Thematik „künstliche Beschneiung/Kunstschnee“, die nachdenklich machen sollten – gefunden hier:

    http://diepresse.com/home/panorama/oesterreich/4902239/Wintersport_154-Millionen-Euro-fur-Kunstschnee

    Auszüge – Fakten:

    *Um einen Kubikmeter Kunstschnee erzeugen zu können, werden um die 400 Liter Wasser benötigt. Mit einem Kubikmeter Wasser können rund 2,5 Quadratmeter Kunstschnee erzeugt werden, damit wiederum können – in präparierter Form – vier Quadratmeter Piste mit 25 Zentimetern Schnee belegt werden.

    *Eingriffe in die Natur:
    Das maschinelle Beschneien belastet allerdings die Umwelt. Nachdem Kunstschnee eine andere Struktur als Naturschnee hat, führt dieser „Schnee“ zum Ersticken, Erfrieren und Absterben zahlreicher Pflanzenarten. Dadurch entstehen regelrecht tote Landstriche rund um die Skipisten. Die Gefahr von Vegetationsschäden ist durch das künstliche Beschneien deutlich höher als auf unbeschneiten Pisten.
    Das wiederum hat auch Auswirkungen auf die Tierwelt, denn das Nahrungsangebot und vor allem die Nahrungsvielfalt nimmt durch die künstliche Beschneiung laut Alpenverein Österreich beträchtlich ab. Auch der Lärm der Schneekanonen beeinträchtigt die Wildtiere, denn die Beschneiungszeiten fallen oftmals mit der aktiven Zeit der Wildtiere zusammen. Sie werden durch den Lärm, der bei aktiver Schneeproduktion bis zu 60 Dezibel laut ist, verschreckt.

    *Wasser aus tiefen Lagen:
    Außerdem müssen bauliche Maßnahmen getroffen werden, um Kunstschnee erzeugen zu können: So belastet auch das Verlegen von Wasser- und Stromleitungen die Landschaft bzw. das Ökosystem. Und oft reicht die Wasserkapazität von Speicherseen nicht aus. Dann muss Wasser aus tieferen Lagen auf den Berg gepumpt werden. Dieses Hinaufpumpen stellt laut Umweltanwalt Johannes Kostenzer aus Innsbruck eine Gefahr für die alpine Vegetation dar. „Das Wasser aus tiefen Lagen hat einen ganz anderen Nährstoffgehalt“, erklärt er. „Dadurch siedeln sich Pflanzen an, die man normalerweise eben nur in tieferen Lagen vorfindet.“ Dieser schleichende Prozess verändere die Vegetation beträchtlich.

    *entnommen aus („Die Presse“, Print-Ausgabe, 12.01.2016)

  3. Die Berichterstattung lässt die Willkommenskultur gegenüber Skifahrern aus dem Ruhrgebiet und den Niederlanden vermissen.

    Die künstliche Beschneiung ist alternativlos. Ihr schafft das, da oben in Winterberg! Sonst ist das nicht mehr meine Naherholungsdestination.

  4. @Tiefschneewedler

    Einige Niederländer empfehlen, zu Karneval auf Wasser-Ski umzusteigen 😉

    Hier noch ein Nachtrag:

    Mittelgebirge nur noch bedingt schneesicher
    Besonders in Lagen unter 800 bis 1.000 Meter ist auf natürlichem Wege immer seltener mit Schnee zu rechnen. Und die technische Schnee-Erzeugung kommt bei zu hohen Temperaturen an ihre Grenzen, vom sehr großen Wasser- und enormen Energiebedarf mal ganz zu schweigen. Pro Grad Temperaturerhöhung verlagert sich die Schneefallgrenze um 150 Meter nach oben.

    Mittelgebirge mit Skigebieten über 1.000 Metern könnten allerdings durch den Klimawandel in der nahen Zukunft also bis Mitte des Jahrhunderts sogar profitieren.

    http://www.heute.de/klimawandel-in-den-bergen-mittelgebirge-nur-noch-bedingt-schneesicher-41199010.html

    Und noch etwas:

    Mit 150 Liftanlagen, zirka 280 Hektar Pistenfläche und zahlreichen weiteren Wintersportanlagen ist das Sauerland die bedeutendste Wintersportregion in NRW. Wichtigste Voraussetzung dafür ist die Schneesicherheit. Doch die lässt aufgrund der zunehmend wärmeren und feuchteren Winter immer weiter nach, der Schneefall im Sauerland ist in den letzten Jahren spürbar zurückgegangen.

    Klimaprognosen für NRW sagen zudem voraus, dass im Zeitraum von 2036 bis 2065 im Vergleich zu 1961 bis 1990 eine Abnahme der Schneemenge um 40 bis 60 Prozent zu erwarten ist. Aufgrund der weiter steigenden Temperaturen wird die Schneehöhe im gleichen Zeitraum sogar bis zu 87,5 Prozent zurückgehen.

    https://www.klimaschutz.nrw.de/?tx_news_pi1%5Bnews%5D=193&cHash=427337e46d0e9d38eac9a97c7038cc22

  5. Derweil dürfen sich die sogenannten Klimaskeptiker weiterhin im Wald pfeifen, aber es wird ihnen nichts nützen:

    Klimawandel in NRW

    Der Klimawandel ist kein abstraktes Gebilde mehr. Er trifft jede und jeden. Auch in NRW sind die Auswirkungen des globalen Klimawandels längst vor der eigenen Haustür spürbar. In Zukunft wird der Klimawandel zu deutlich mehr Wetterextremen führen und die Lebensgrundlage von Menschen, Tieren und Pflanzen merklich beeinflussen.

    https://www.klimaschutz.nrw.de/klimawandel/klimawandel-in-nrw/

  6. Der maue Winter produziert immerhin mehr skitourismuskritische Blogartikel als letztes Jahr (Jan/Feb 2015: 0). Muss statistisch zusammenhängen 😉

    1. Oh, ich habe in dem Zeitraum skitourismuskritische Blogartikel gefunden. Der letzte Winter war, soweit ich mich erinnere, durch die Verschiebung nach hinten keine „Traumsaison“.

      Im Übrigen ist es sehr außergewöhnlich, wenn man sich in einer Krise mit der Krise beschäftigt. 😉

  7. In einem 12/2015 erschienenen blog-Artikel der Salzburger Grünen gefunden:

    Zitat:
    Der Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber hat für das Phänomen der relativen Furchtlosigkeit, mit dem viele Menschen dem Klimawandel ins Auge blicken, eine Erklärung parat:

    „Der Klimawandel ist wie ein Asteroid-Einschlag in Super-Zeitlupe. Wir verdrängen ihn wegen seiner Langsamkeit.“

    By the way:

    1. Schellnhuber ist Direktor des von ihm 1992 gegründeten Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), das unter seiner Leitung zu einem der weltweit angesehensten Institute im Bereich der Klimaforschung wurde.
    2. Zudem ist er seit 2009 Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) und langjähriges Mitglied des Weltklimarats (IPCC).
    3. Als einer der Ersten forderte Schellnhuber nachhaltige Lösungen des Klimaproblems und prägte die internationale politische Diskussion hierzu entscheidend. Unter anderem forderte er zeitnahe politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Maßnahmen zur Erreichung des Zwei-Grad-Ziels, vor allem durch die Umstellung von fossilen auf erneuerbare Energiequellen

  8. Der Klimawandel lässt viele deshalb kalt, weil die wirklich dramatischen Ereignisse nicht hier stattfinden. Nur große Länder wie die USA und China können feststellen, dass es in einigen Regionen zu Veränderungen kommt. Ich schreibe können feststellen, weil es doch nur ca. 94 % der Wissenschaftler sind für die der von Menschen gemachte Klimawandel existiert. Bedauerlicherweise sind im Ergebnis betrachtet es vor allem unsere Politiker die sich der 6% Minderheit annehmen (Sonst wäre der Klimawandel gestoppt).
    Folglich bleibt es dabei: entweder eine Halle über Winterberg zu stülpen oder Winterberg höher legen (Winter in Wolkenkuckucksheim)

  9. Bemerkenswert für mich ist in diesem Zusammenhang immer wieder der Ablauf von Debatten über die Nutzung regenerativer Energiequellen.
    So ging es gestern abend im Rat der Stadt Brilon um Pläne der Stadtwerke, Windräder zu errichten. Die CDU-Fraktion diskutierte bei diesem Tagesordnungspunkt munter mit, erklärte sich dann bei der Abstimmung geschlossen für befangen und machte dadurch den Rat beschlussunfähig, und lieferte sofort nach der ausgefallenen Abstimmung weitere Diskussionsbeiträge zu diesem TOP.
    Durch den „Boykott“ gab es also keinen Ratsbeschluss.
    Man kann solche Themen ja kontrovers diskutieren, aber wenn man sich ernsthaft mit den Folgen des Klimawandels befassen will, muss man auch bereit sein, konkrete Entscheidungen zu treffen, ob die stärkere Nutzung regenerativer Energien zur Reduzierung des CO2-Ausstosses beitragen soll!

  10. WDR | 10.02.2016

    Droht NRW-Wintersport-Orten das Aus?

    Viele deutsche Skigebiete stehen vor dem Aus – zumindest nach einem drastischen Bericht der Bundesregierung. Zukünftig bleibe das Sauerland grün. Nicht nur der Winterberger Tourismusdirektor widerspricht: „Wir leiden nicht unter Schneemangel!“

    ( …)

    Deutscher Wetterdienst: „Erwärmung betrifft alle Jahreszeiten“

    Redet sich der Winterberg-Tourismus den Klimawandel schön? Der Deutsche Wetterdienst, nationaler meteorologischer Dienst der Bundesrepublik Deutschland, teilt den sauerländischen Optimismus nicht. „Diese Darstellung ist falsch. Die Erwärmung betrifft alle Jahreszeiten, wenn auch nicht gleichmäßig“, sagte Pressesprecher Andreas Friedrich dem WDR. Die Temperaturen stiegen sowohl im Sommer als auch im Winter.

    http://www1.wdr.de/themen/aktuell/schneesicherheit-tourismus-100.html

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