WAZ: Es geht vielleicht gar nicht mehr um Journalismus!

Ich muss gestehen, dass ich täglich mindestens einmal das WAZ Protestblog „anclicke“. Trotz der Anonymität der Beiträge ist das Diskussionsniveau auf dieser Website sehr hoch. Merkwürdige Schreiber wie Tenrix sind gemessen am Gesamtaufkommen der Einträge recht selten. Hatten bislang die Betriebsversammlungen die Diskussionen fokussiert, scheint zur Zeit unter den Diskutanten keine rechte Zielrichtung erkennbar. Die Geschäftsleitung wird diese Tatsache mit Interesse wahrnehmen.

Das Protestblog hat drei mögliche und teilweise tatsächliche Funktionen:

  1. Veröffentlichung von Fakten
  2. Organisation des Widerstands
  3. Seismograph der Stimmungen für jeden, der es wissen will

Zu den drei Punkten:

  1. Es werden viele Fakten, Details und Gedanken von einzelnen exzellenten Schreibern wie Hans Plagwitz, Zeilenschinder und Hans Lassmann veröffentlicht, aber es fehlt der Gesamtzusammenhalt. Hier schreibt mal einer was, dort der nächste, unterbrochen von irgendwelchem dummen Zeugs, aber niemand fasst die Details und Perspektiven zu einem Gesamtbild zusammen. Müsste doch mal die Gewerkschaft machen, oder?
  2. Der schwierigste Punkt. Redakteure arbeiten hoch individualisiert. Sie treffen sich nicht in einem kollektiven Arbeitsprozeß um zwischen den „Handgriffen“ zu kommunizieren und Vertrauen zueinander aufzubauen. Vereinfacht: Wer nicht gemeinsam arbeitet, hat es auch schwer sich gemeinsam zu wehren.
  3. Diesen Punkt erfüllt das Blog am Besten. Reicht aber nicht. Siehe 1 und 2.

Neu in die Diskussion gekommen ist ein Gedanke von Zeilenschinder, der dann von Dr. Faust ausführlicher aufgenommen wird:

Es geht vielleicht gar nicht mehr um Journalismus!

„ich muss Zeilenschinder rechtgeben, dieser Gedanke spukt mir auch schon die ganze Zeit im Kopf rum. Wer sagt denn, dass die WAZ Mediengruppe nicht für Montgomery und Konsorten aufgehübscht wird? Die Inhaberfamilien haben Großes geleistet, sind aber in die Jahre gekommen? Was kommt dann? Die Nachfahren zeichnen sich auch nicht als die Verleger mit der überragenden Kenne aus. Also wieso die WMG nicht für 5-7 Mrd. Euro+X verkaufen und das Sümmchen schön gleichmäßig verteilen? Dann sind die Familien Brost und Funke ihre Sorgen und Streitigkeiten los .“

Dieser Gedanke müsste aber noch recherchiert werden!

Verschwörungstheorie ausräumen oder bestätigen: Gibt es eine Zusammenhang zwischen der an anderer Stelle genannten Orientierung von „DerWesten“ nach Norden und dem Standort von Schickler (HH)?

Nach diesen mit der heißen Nadel gestrickten Sätzen nun erst einmal „Gute Nacht“.

3 Gedanken zu „WAZ: Es geht vielleicht gar nicht mehr um Journalismus!“

  1. Hallo Zoom,
    nachdem Du mich ja mit Zeilenschinder hier publiziert hast, nehme ich zu Verschwörung usw. gerne Stellung: Natürlich kann ich das mit Montgomery un Co. nicht beweisen, wie auch? In die heiligen Hallen der GGF dringt man nicht so ein und wir „zumwinkeln“ auch nicht deren Gespräche. Außer dass ich bei dem WAZ-Tanker schon etliche Jahre bin und einiges negative aber eigentlich größtenteils sehr schöne Zeiten dort erlebt habe. Was da jetzt auf die WAZ zurollt, ist einzigartig und hätte man vor 12 Monaten nicht erwartet. Nur wer den Laden sehr gut kennt,der kann behaupten dass das was jetzt kommen soll,für die WAZ und deren Titel gar nicht gut gehen kann.

    Zum Blog selbst kann ich Dir nur eins sagen. Was den Redakteuren nun bevorsteht, haben kaufmännische Angestelle, Schriftsetzer und viele mehr durch SAP und weitschreitende Digitalisierung schon hinter sich. Damals hat sich aber keiner darüber aufgeregt, weil es keine betriebsbedingten Kündigungen gab. Trotzdem war die Enttäuschung und Faktor Ärger groß und damals gab es keine Plattform, wo man seinen Frust abladen konnte. Wer da jetzt bei Medienmoral alles mitpinnt sind nicht nur Redakteure, sondern viele WAZler, die schon lange den Frust in der Seele sitzen haben. Da werden noch alte Rechnungen beglichen, wenn Du den Blog mal analysierst.

    Was da jetzt auf uns alle zukommt will ich mal kurz erläutern: Erst einmal empfehle ich unter http://meedia.de/nc/details/article/neues-waz-prinzip–ein-mann–eine-seite_100014565.html das zu lesen und auch der unerfahrenste Leser wird merken, dass das vor lauter schöner Theorie nicht funktionieren kann. Als praktisches Beispiel spielen wir folgenden Fall durch. Die WP hatte mal eine Redaktion in Werl und Soest und ist wunderbar damit gefahren. Nun wird Werl aufgegeben und es gibt eine Regionalredaktion bzw. Regionaldesk in Soest. Das bedeutet, der Lokalredakteur hat kein Ohr mehr in Werl, ein dazugefahrerner Journalist aus Soest bekommt das nicht mehr mit, was vor Ort passiert. Angenommen es gibt in Werl einen Großbrand ist die WP die erste halbe Stunde wegen Anfahrt nicht aktiv am Geschehen. Diese Einschnitte sind überall hin übertragbar und in Vest rund um Recklinghausen ist das Regionalkonzept schon gescheitert. War die WAZ in Waltrop, Herten, Datteln usw. usf. ansprechbar, haben sich die lokalen Leser nach der Regionalisierung Richtung Recklinghausen mit Grausen abgewandt. Dieses Konzept hat übrigens auch der Mann mit „Ein-Mann-Eine Seite“ auserkoren, daher machen sich die kompetenten Zeitungsmacher die allergrößten Sorgen.

    Und noch einmal zum Thema „Belegen“: Außer immer in den internen Mief zu blicken, schaut man auch mal über den Tellerrand und schaut was bei den anderen Zeitungsblättern so passiert und gerade die Geschichte der Berliner Zeitung hat mich doch ziemlich aufgeschreckt und gebe mir allergrößte Mühe keine Parallelen zu finden.

    Aber schön, dass Du uns zu mehr Struktur und „handwerklich sauberen“ Beiträgen bewegen willst. Vielleicht beherzigen das mal manche Blogger dort. Gehaltsdiskussionen und „Stammtisch-Schimpfkanonaden“ auf den Mann, der zur zeit das volle Vertrauen der WAZ-Elite genießt, bringen tatsächlich rein gar nichts. Das geht nur über hieb- und stichfeste Argumentation und einer Portion Abgewichstheit, die Herr Hombach in seiner langen Politikerlaufbahn von der Pieke auf gelernt hat. Der wird jedes Mißmanagement ganz souverän wegargumentieren, wenn man nichts Handfestes hat.Da müssen sich unsere BR’s mächtig strecken,wenn sie dieses Match noch ausgeglichen gestalten- und die Anzahl der Kündigungen so gering wie möglich aushandeln wollen.

    Gruss von Dr. Faust

  2. Lieber Dr. Faust!

    Vielen Dank für Deine ausführliche Antwort.

    Ich selbst hatte die Zeilen, wie im Artikel schon bemerkt, „mit der heißen Nadel“ gestrickt. Manchmal geht es mir in diesem Blog auch lediglich darum, ein paar Punkte festzuhalten, die ich dann im Auge oder Gedächtnis behalten will.

    Den Gedanken, dass der WAZ Konzern eventuell für einen Verkauf zurechtgeschnitzt wird, fand und finde ich immer noch sehr überlegenswert.

    Meine Bemerkung darunter – „Dieser Gedanke müsste aber noch recherchiert werden!“ – war nicht als Oberlehrer-Geste an Dich als den Verfasser gerichtet, sondern an mich selbst.

    „Verschwörungstheorie“ bezieht sich überhaupt nicht auf Deinen Gedanken, sondern auf meine eigene Idee, dass es einen Zusammenhang zwischen dem geografischen Standort des Schickler-Unternehmens und den Expansionsplänen von „DerWesten“ nach Norden geben könne.

    Deine Bemerkung zum Thema „Belegen“ teile ich. Intuition und Weitblick helfen manchmal mehr als kleinliches „Erbsenzählen“, vor allen Dingen wenn die eigene bürgerliche Existenz bedroht ist.

    Evolutionsbiologisch gesprochen: Wenn der Säbelzahntiger vor uns steht, hilft es uns nicht zu überleben, wenn wir das Bestimmungsbuch der Säugetiere durchblättern.

    In diesem Sinne mit ehrlicher Empathie für Eure Situation
    zoom

  3. Hallo Zoom,

    falls Du mal wieder in unserem Blog warst, steht ziemlich weit unten wieder etwas über die BZ. Da steppt uach schon wieder der Bär. Was dieser Finanzinvestor Montogomery über seinen geschäftsführenden Chefredakteur Depenbrock da macht, ist der schleichende Tod einer Zeitung. Dämmert es bei Dir, wenn man solche Negativbeispiele vor Augen hat? Angelsächsische Finanzkriminelle sollten da bleiben wo sie sind, gottseidank haben die Herrschaften aufgrund der Finanzkrise die Millarden für Übernahmen nicht mehr so flüssig. Montgomery (bei der BZ) und auch Permira (bei SAT1/PRO7) sind absolute schlechte Beispiele, warum man Medienunternehmen nicht in Hände von Finanzinvestoren geben sollte. Die BZ wird aufgrund des finanziellen Drucks gehindert ein gutes Blatt zu machen und PRO7/SAT1 ist für mich -sorry- qualitativ schlechtes „Unterschichtenfernsehen“, wie Harald Schmidt immer zu sagen pflegt.

    Ich hoffe daher inständig, dass der WAZ-Konzern in Hand der beiden Familien bleibt, auch wenn schon einmal gemutmaßt wurde, dass der WAZ-Konzern seinen Stammsitz nach Wien verlegt und sich in eine AG verwandelt um dann die Arbeitnehmervertreter aus dem Aufsichtsrat zu halten. Aber jetzt müssen wir einmal gucken, dass wir die Redaktionen gerettet bekommen und ein tragfähiges Konzept auf die Beine stellen, wo wir durch Qualitätsverbesserung und das Bemühen aller die angeblichen 30 Millionen Miese wieder tilgen. Das Konzept von Schickler kann es nicht sein, die benutzen eine 08/15-Schablone die für unsere Zeitungen nicht anwendbar ist wie z.B in Hamburg, München oder Köln. Werde mich bei medienmoral an einem Konzept beteiligen wollen. Mal schauen was mir Konstruktives einfällt. Wirst Du dann dort sehen können. Bis denn beste Grüsse, schönes Wochenende und einen besinnlichen 4.Advent!

    Dr.Faust

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