„Warum Computer unsere Kinder weder dumm noch krank machen“ – eine Rezension

Rezensent Detlef Träbert: Computer müssen Kindern nicht schaden. (foto: traebert)
Rezensent Detlef Träbert: Computer müssen Kindern nicht schaden. (foto: traebert)

Georg Milzner (siehe auch das Interview hier im Blog) ist nicht nur Diplom-Psychologe und Psychologischer Psychotherapeut, sondern auch ein beeindruckend vielseitiger Autor. Aus seiner Feder stammen psychologische Fachpublikationen genauso wie biografische Essays und Lyrikbände.

(Detlef Träbert, Referent und erfolgreicher Autor von pädagogischen Ratgeberbüchern und Autor unseres Blogs, hat diese Rezension zuerst in der Mai-Ausgabe[1] von „Humane Schule“, der nicht-kommerziellen Zeitschrift des Bundesverbandes Aktion Humane Schule e.V., veröffentlicht. Nachdruck hier mit Genehmigung der Herausgeber.)

Georg Milzners jüngstes Buch jedoch wendet sich gezielt an alle, die sich für die Auswirkungen der Computerwelt auf unsere Kinder interessieren, und trägt den Titel „Digitale Hysterie“. Darin erklärt er laut Untertitel: „Warum Computer unsere Kinder weder dumm noch krank machen“.

Damit stellt Milzner sich gegen den Mainstream. Während zahlreiche Autoren, darunter so prominente wie Manfred Spitzer, vor der „Computerisierung der Kindheit“ (S. 19) warnen und Medienabstinanz für die Kleinen fordern, stellt er einen Widerspruch in der öffentlichen Haltung fest. Im Gegensatz zur Medienkritik steht nämlich die immer intensivere Forderung nach Internetnutzung auch in der Schule. Diese Widersprüchlichkeit findet sich dann bei Eltern, die selber den ganzen Tag an elektronischen Medien arbeiten, aber ihre Kinder aus Sorge vor schädigenden Wirkungen möglichst fern davon halten wollen.

„Digitale Hysterie“ enthysterisiert diesen Widerspruch ganz sachlich. Leitmotiv von Milzners Buch und dem Text vorangestellt ist ein Zitat aus „Die Zeitmaschine“ von H. G. Wells: „Wir übersehen oft, dass geistige Beweglichkeit der Lohn für dauernde Veränderungen, Gefahren und Sorgen ist.“ In zehn Kapiteln macht der Autor Mut zur geistigen Beweglichkeit und vor allem dazu, sich den technologischen Veränderungen unserer Zeit zu stellen und die Kinder angemessen beim Umgehen damit zu begleiten.

Bei aller Sachlichkeit im Anliegen ist der neue Milzner großartig zu lesen. Schließlich ist der Autor auch Therapeut und bringt immer wieder konkrete Beispiele aus seiner Praxis ein. Außerdem schreibt er einen herrlich lockeren, leicht lesbaren Stil, ohne den Lesefluss mit Fachsprache zu behindern. Gleichzeitig schafft Georg Milzner es, die umfangreiche Thematik übersichtlich zu gliedern. Jede Kapitelüberschrift macht neugierig: „Machen Computer uns dümmer?“ – „Wie gefährlich sind Computerspiele?“ – „Wie gefährlich sind Facebook & Co.?“ Und im Schlusskapitel erklärt er: „Was Kinder im digitalen Zeitalter von uns brauchen“.

Die Absicht einer ernsthaften, konstruktiv beratenden Haltung wird also gleichzeitig locker umgesetzt. Dazu trägt auch bei, dass der Autor eigene Erfahrungen mit etlichen Spielen für dieses Buch gesammelt hat. So kann er nachvollziehen, was daran faszinierend wirkt, und er kann vor allem sachlich begründet beurteilen, welche Einflüsse von Ihnen ausgehen. Am Ende weist Georg Milzner darauf hin, „ … dass die Balance zwischen medialer Kompetenz und Selbstkompetenz die große Herausforderung des kommenden Jahrzehnts werden wird“ (S. 242). Hysterisch geführte Mediendebatten weden dabei nicht hilfreich sein, denn „das Computerproblem ist im Kern gar kein technisches Problem. Es ist ein Problem des kuturellen Wandels. Es ist ein Beziehungsproblem. Und letzten Endes ein Problem bezüglich des Umgangs mit uns selbst“ (ebd.).

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*) Georg Milzner: Digitale Hysterie. Warum Computer unsere Kinder weder dumm noch krank machen, Weinheim (Beltz) 2016, 255 S., € 18,95

[1] siehe auch hier im Blog.