Vor zwei Wochen bewertet: die Sondierungsgespräche zwischen Union, FDP und Grünen

Das unwürdige Gefeilsche bei den Sondierungsgesprächen zwischen Union, FDP und Grünen läßt folgenden Schluß zu: Frau Merkel will unbedingt weiter regieren. Mit wem und mit welchen Inhalten, spielt keine Rolle! Wegen der Unvereinbarkeit der sehr gegensätzlichen Standpunkte fehlte einer möglichen „Jamaika“-Koalition von vornherein ein tragfähiges Fundament.

(Der Text ist in ähnlicher Form am 25.11.2017 als Leserbrief im Sauerlandkurier Meschede erschienen.)

Und den Sozialdemokraten gebührt ausnahmsweise Respekt, da sie (bis jetzt!) standhaft geblieben sind gegenüber allen Versuchen seitens der CDU, ihr mehrfach bekräftigtes NEIN zu einer Neuauflage von Rot-Schwarz aufzugeben. Es ist schon grotesk: Noch vor wenigen Monaten bezeichnete Merkel die SPD als „nicht regierungsfähig“ und ereiferte sich darüber, daß ihr Partner nichts gegen CDU und CSU habe durchsetzen können. Und nun braucht sie die Sozis plötzlich als Rettungsanker, um ihre Machtbasis zu zementieren?!

Fakt ist weiterhin: Die Kanzlerin hat es nicht fertiggebracht, eine funktionsfähige Regierung auf die Beine zu stellen. Die Schwerstarbeit, das gegenseitige Beharken, überließ sie den jeweiligen Unterhändlern der Verhandlungspartner, während sich ihre „Aktivitäten“ auf das Allernötigste beschränkten. Ein paar unkonkrete Aussagen zwischendurch, mit denen niemand etwas anzufangen wußte. Ansonsten Schweigen, Abwarten und ein bisschen Moderieren. So ist man es von Frau Dr. Merkel gewohnt.

Das unrühmliche Verhalten der FDP erschien nur auf den ersten Blick konsequent. Ich glaube, diese Partei schwebte schon immer „auf Wolke 7“, schon zu jener Zeit, als sie noch mit der 5 %-Hürde kämpfte. Wichtigtuerei und/oder verletzte Eitelkeit, so meine Einschätzung, könnte eine Erklärung für das Vorgehen der Liberalen sein. Dabei gibt es zwischen Union und FDP lt. der Kanzlerin nach wie vor einen nicht unbeträchtlichen Vorrat an Gemeinsamkeiten, trotz mancher Differenzen.

Und die Grünen? Sie wollten um jeden Preis an die Macht. Dafür verbogen sie sich fast bis zur Selbstverleugnung! Die ihnen entgegen gebrachten Schmeicheleien aus dem Lager von Union und FDP mögen ihren Anteil daran haben. Wer jedoch seine Überzeugungen um des Regierens willen über Bord wirft, nur um den jeweils anderen Partner zufriedenzustellen, erweist sich selbst und der Sache einen Bärendienst und verliert das letzte Quäntchen an Glaubwürdigkeit.

Eine Partei wie Bündnis 90/Die Grünen kann es sich gegenüber Partnern, die in erster Linie dem wachstumsorientierten Wirtschaftslobbyismus verpflichtet sind, jedoch am allerwenigsten leisten, substanzielle Zugeständnisse zu machen. Sie würde riskieren, daß ihr „Tafelsilber“ von den anderen als merkantiler Gegenstand mißbraucht, sprich unter den Kesseln der Konjunktur verheizt wird.

Sowohl in der Energie-, Agrar- Verkehrs- und Klimapolitik, als auch beim Natur- und Tierschutz sind wir doch von der so dringend benötigten Wende Lichtjahre entfernt. Bei diesen so eminent wichtigen Zukunftsthemen tat sich nichts Weltbewegendes. Der erhoffte Durchbruch hin zu einem echten Politikwechsel blieb aus.

Andere ebenfalls sehr bedeutsame Zukunftsfragen wurden erst gar nicht angesprochen, etwa die grassierende Armut in Deutschland, besonders die Kinderarmut, ferner die Renten, bezahlbarer Wohnraum und erschwingliche Mietpreise, die oft skandalösen Zustände in Altenheimen, Ärztemangel auf dem Land, das Schicksal der Langzeitarbeitslosen und Obdachlosen, der Niedriglohnsektor, gerechte Bezahlung für alle, des Weiteren die zunehmende Kriminalität, das No go Areas-Problem, die Migrations- und Flüchtlingsfrage in all ihren Erscheinungsformen usw.

Statt sich die Sorgen und Nöte der Bevölkerung in diesem Staat zu eigen zu machen, war sich Schwarz-gelb-grün schnell einig, daß die Wirtschaft nicht belastet werden dürfe. Ferner tauchte eine alte CDU/FDP – Forderung wieder auf, nämlich die Notwendigkeit der Entbürokratisierung. Was das für die C- und F-Parteien bedeutet, wissen wir seit langem: Abbau bzw. Abschwächung von Sozial- und Umweltstandards, die Demontage des Naturschutzes, mithin alles, was dem Expansionsdrang der Industrie im Wege steht.

Fazit: Die ohnehin Benachteiligten und „Abgehängten“ in unserer Gesellschaft würden weiter in die Röhre gucken!

Angesichts dieser verfahrenen Situation, so wie sie sich derzeit darstellt, halte ich Neuwahlen für die sauberste und ehrlichste Lösung. Mit einer Minderheitsregierung, noch dazu angeführt von einer jetzt schon völlig überforderten Kanzlerin Merkel, würden keine stabilen Verhältnisse geschaffen, sondern nur neue Probleme entstehen. Und eine personell und programmatisch neu aufgestellte SPD sollte die nächsten 4 Jahre dazu nutzen, konstruktive, aber knallharte Oppositionsarbeit zu leisten und zusammen mit Grünen und Linkspartei beharrlich auf eine Regierungsübernahme in Berlin hinwirken.